Saudi-Arabien gegen den Iran. Sunniten gegen Schiiten. Die Exekution des ranghohen schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr und 46 weiterer Verurteilter in Saudi-Arabien hat die Konfrontation im Nahen und Mittleren Osten bedrohlich verschärft. In Deutschland ist ein Streit darüber entbrannt, ob das Verhältnis zur saudischen Ölmonarchie überdacht werden muss. Auch die Union geht auf Distanz: „Ich halte Waffenlieferungen an Saudi-Arabien zum jetzigen Zeitpunkt für falsch“, sagte der CSU-Sicherheitsexperte Hans-Peter Uhl im Gespräch mit unserer Zeitung.
Trotz Waffenlieferungen: Bundesregierung spricht von "konstruktiven Beziehungen"
Das Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag zeigte sich entsetzt über die Hinrichtungen. Es sei selbstverständlich, dass man jetzt über die Zukunft der Beziehungen zu dem Golfstaat, der ja lange als „Stabilitätsfaktor in einer unfriedlichen Region“ gegolten habe, neu nachdenken müsse. Allerdings warnte Uhl davor, die Kontakte zu Saudi-Arabien rigoros zu kappen: „Das wäre ein schwerer Fehler, denn ohne die Saudis – und übrigens auch ohne den Iran – wird es keine Lösung von Konflikten wie in Syrien geben können.“ SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erklärte: „Es zeigt sich, dass es richtig war, weder Kampfpanzer noch die Maschinengewehre G 36 nach Saudi-Arabien zu liefern. Wir müssen jetzt überprüfen, ob wir in Zukunft auch defensive Rüstungsgüter kritischer beurteilen müssen.“
Auffallend zurückhaltend fiel das Statement der Bundesregierung aus. „Konstruktive Beziehungen“ mit dem Königreich seien nach wie vor „in deutschem Interesse wie im Interesse der Stabilität der Region“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Waffenlieferungen: Grüne fordern Stopp der Wirtschaftsbeziehungen
Die Grünen und die Linke sprachen sich für einen weit härteren Kurs gegen Riad aus. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte im ZDF einen „sofortigen Stopp“ der Wirtschaftsbeziehungen. Dann müsse sich herausstellen, ob sich die Lage in Saudi-Arabien in irgendeiner Weise verbessere.
Weltweit wird gerätselt, warum die Saudis den bei den Schiiten äußerst populären Geistlichen ausgerechnet in einer politisch derart aufgeheizten Situation exekutiert haben. Uhl hält es für wahrscheinlich, dass es einen verdeckten Machtkampf innerhalb der Königsfamilie gibt. Er hoffe, dass dabei nicht die „schrilleren Stimmen“ die Oberhand behalten.
Signale deuten auf weitere Eskalation hin
Alarmierend waren die Signale, die gestern auf eine weitere Eskalation hindeuteten: Nach Saudi-Arabien und Bahrain – ebenfalls eine Golfmonarchie – hat auch der sunnitische Sudan die diplomatischen Beziehungen zum schiitischen Iran abgebrochen. Riad stoppte zudem den Luftverkehr mit Teheran. Bei einem Angriff auf Polizisten in der Heimatstadt des hingerichteten Nimr al-Nimr in Saudi-Arabien ist ein Zivilist getötet worden. Im Irak explodierten zwei Bomben in einer sunnitischen Moschee. In der Nähe von Bagdad wurde ein sunnitischer Gebetsrufer erschossen. (mit dpa)