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Kommentar: Beate Zschäpe: Mittäterin oder Mitläuferin?

Kommentar

Beate Zschäpe: Mittäterin oder Mitläuferin?

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    Das BKA-Handout zeigt die mutmaßliche Rechtsextremistin Beate Zschäpe.
    Das BKA-Handout zeigt die mutmaßliche Rechtsextremistin Beate Zschäpe. Foto: BKA dpa

    Vor einem Jahr taucht eine unscheinbare Frau bei der Polizei in Jena auf. Es ist Beate Zschäpe. Fast 14 Jahre lang hatte sie im Verborgenen gelebt. Niemand interessierte sich für sie und ihre Geschichte. Das ändert sich an jenem Tag. Die grausamen Taten des Zwickauer Terrortrios, die nach und nach aus dem Dunkel an die Öffentlichkeit gelangen, verstören das ganze Land. Als einzige Überlebende der Mörderbande ist diese unscheinbare Frau plötzlich „Das Gesicht des Bösen“.

    Das ist Beate Zschäpe

    Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.

    Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.

    Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.

    Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.

    Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.

    Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.

    Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.

    Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.

    Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.

    Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".

    Zehn Menschen sind tot. Das macht fassungslos und weckt den Wunsch nach einer möglichst harten Bestrafung. Es wird nicht leicht sein, in dem Verfahren, das nun gegen Zschäpe geführt wird, zu unterscheiden zwischen den Taten der Gruppe und der Rolle, die der 37-Jährigen dabei zukam. Doch genau darauf wird es ankommen.

    Urteil über Beate Zschäpe

    Ein Rechtsstaat darf sich nicht von Emotionen leiten lassen. Es war deshalb richtig, dass sich die Bundesanwaltschaft ein Jahr Zeit für die Ermittlungen genommen hat. War Beate Zschäpe Mittäterin oder Mitläuferin? Über diese Frage haben nun die Richter zu entscheiden. Ihr Urteil muss über jeden Zweifel erhaben sein.

    Den Familien der Opfer wird das ihre geliebten Menschen nicht zurückgeben. Aber es kann helfen, wieder Vertrauen in den deutschen Staat aufzubauen, dessen Behörden bei der Aufklärung der Mordserie katastrophal versagt haben.

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