Beate Merk will Fall Gustl Mollath komplett neu aufrollen: Nach wochenlangen heftigen Debatten um das Schicksal des 56-jährigen Nürnbergers Gustl Mollath wird der Fall komplett neu aufgerollt. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) hat über den Generalstaatsanwalt in Nürnberg eine Wiederaufnahme des Verfahrens veranlasst. Das bestätigte das Ministerium gestern auf Anfrage unserer Zeitung.
Fall Gustl Mollath: Richter war möglicherweise befangen
Hintergrund des ungewöhnlichen Schritts ist ein Bericht in den Nürnberger Nachrichten (Freitagausgabe). Nach diesem Bericht ist nicht auszuschließen, dass der Richter, der im Jahr 2006 Mollaths Unterbringung in der Psychiatrie anordnete, bereits 2004 bei den Finanzbehörden intervenierte: Mollath sei nicht klar bei Verstand, seine Schwarzgeldvorwürfe seien nicht ernst zu nehmen. Der Richter erklärte der Zeitung, er könne sich an ein solches Telefonat nicht erinnern. Tatsächlich aber wurde Mollaths Anzeige gegen seine Frau und 24 Kunden der HypoVereinsbank Nürnberg von der Steuerfahndung danach nicht mehr weiterverfolgt.
Die Brisanz des Verdachts gegen die Justiz ergibt sich aus dem Zeitablauf: Zum Zeitpunkt des angeblichen Anrufs des Richters bei den Steuerfahndern gab es noch gar kein Gutachten, das Mollath ein „paranoides Gedankensystem“ und Gemeingefährlichkeit attestierte. Damit steht offenbar zumindest der Anfangsverdacht der Befangenheit des Richters im Raum.
Mollath wurde 2006 als "gemeingefährlich" eingestuft
Für das Justizministerium ergab sich damit die Möglichkeit, eine Wiederaufnahme des Verfahrens in die Wege zu leiten. Bisher war nur von einer erneuten ärztlichen Begutachtung Mollaths die Rede. Jetzt wird die Staatsanwaltschaft Regensburg sich der Sache annehmen. Sie wird, weil diese Frage in Nürnberg von Rechts wegen nicht mehr verhandelt werden darf, beim Landgericht Regensburg die Wiederaufnahme beantragen. Wenn das Gericht dem Antrag stattgibt, muss das gesamte Verfahren noch einmal ganz von vorne aufgerollt werden.
Mollath stand 2006 in Nürnberg vor Gericht, weil er seine Frau misshandelt und Autoreifen zerstochen haben soll. Er wurde danach für schuldunfähig erklärt. Weil die Ärzte ihn aber zugleich als „gemeingefährlich“ einstuften, wurde er vom Gericht zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht.
SPD und Grüne begrüßen Wiederaufnahme-Antrag
Brisant ist der Fall, weil die gleichzeitig erhobenen Vorwürfe Mollaths gegen seine Frau, Mitarbeiter und Kunden der HypoVereinsbank keine Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Folge hatten. Ein Teil dieser Vorwürfe aber hatte offenbar Substanz, wie ein später bekannt gewordener interner Revisionsbericht der Bank bestätigte.
SPD und Grüne, die Ministerin Merk zuletzt scharf kritisiert hatten, begrüßten den Wiederaufnahme-Antrag. „Wir bedauern allerdings, dass sie diesen Schritt nicht schon vor einem Jahr gewagt hat“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Christine Stahl.