Hans-Peter Bartels muss Mängel und Missstände in der Truppe benennen. Das ist sein Job. Deshalb fallen Jahresberichte des Wehrbeauftragten selten schmeichelhaft für die Verteidigungsministerin aus. Aber 2018 ist Bartels’ Bilanz bitter wie nie. Er beschreibt die Truppe als einen einzigen Sanierungsfall. Wäre sein Bericht ein Schulzeugnis, die Versetzung von Ursula von der Leyen wäre wohl gefährdet. „Die Ministerin war schnell im Probleme-Analysieren und dann im Trendwenden-Proklamieren“, sagt er. „Nur macht die Proklamation allein noch nichts besser.“
Als Bartels seinen ersten Bericht vorlegte, da verkündete von der Leyen zwei Stunden später große Trendwenden für die Bundeswehr. Die Ausrüstung der Truppe sollte mit einem 130 Milliarden Euro schweren Investitionsprogramm auf Vordermann gebracht, das Personal aufgestockt, der Schrumpfkurs eines Vierteljahrhunderts beendet werden. Bartels war angetan von den Reformen. Drei Jahre später ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil: Der Zustand der Truppe habe sich eher noch verschlechtert, sagt der Wehrbeauftragte am Dienstag. Und nennt altbekannte Probleme:
Die Bundeswehr versucht weiterhin händeringend, ihre Reihen zu füllen. Teure Werbemaßnahmen sollen Fachkräfte locken. Die Personalpolitik bleibt laut Bartels aber weit hinter den Erwartungen zurück. 21000 Dienstposten von Offizieren und Unteroffizieren seien nicht besetzt, kritisiert er. Die Bundeswehr konkurriere auch mit der Polizei erheblich um Nachwuchs. Die Truppe müsse endlich moderner und attraktiver werden.
Panzer, die nicht rollen, Helikopter, die nicht fliegen, Boote, die nicht schwimmen. Die Ausrüstung der Truppe hat sich, so Bartels, verschlechtert. Er spricht von riesigen Lücken in allen Teilstreitkräften. „Das Material ist noch älter, Ersatzteile liegen keine auf Lager.“ Die Einsatzbereitschaft der Waffensysteme sei „dramatisch niedrig“.
Für die Trendwende fordert Bartels deutlich mehr Geld. Im Haushaltsplan stehe „noch nichts substanziell Zusätzliches“. Die Mittel, die laut aktuellem Finanzplan in den nächsten Jahren für die Truppe vorgesehen sind, glichen gerade einmal die Inflation aus, beschwert er sich. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, zusätzliche Haushaltsmittel in die Bundeswehr zu stecken. Das ist Bartels zu unsicher: „Im Moment regiert das Prinzip Hoffnung.“
Bartels gilt als „Anwalt der Soldaten“, er bekommt den Frust der Truppe tausendfach auf seinen Schreibtisch (siehe Grafik). Der SPD-Politiker schlägt vor, die schlechte Stimmung in der Bundeswehr im Alltag zumindest durch den unbürokratischen, schnellen Kauf einfacher Ausrüstung aufzuhellen. Er denkt dabei an Stiefel, Funkgeräte oder Nachtsichtbrillen. Es sei nachvollziehbar, wenn die Beschaffung eines Panzers zehn Jahre dauere. „Aber Klamotten zu kaufen, kann nicht so lange dauern.“
Von der Leyen geht in die Offensive. Kurz vor Bartels’ Präsentation lädt sie die Presse ins Ministerium. Ihr oberster Soldat, Generalinspekteur Volker Wieker, will ein paar Dinge aus seiner Sicht klarstellen. Die Erregung ist ihm anzusehen. Er kann die Berichte nicht nachvollziehen. Die Truppe sei ausreichend ausgerüstet für ihre Einsätze, sagte der General. Nico Pointner, dpa