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Hintergrund: BND-Affäre: Ein Riesenskandal - und keinen interessiert’s?

Hintergrund

BND-Affäre: Ein Riesenskandal - und keinen interessiert’s?

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    Große Ohren: Radarkuppeln auf dem Gelände der BND-Abhörstation in Bad Aibling.
    Große Ohren: Radarkuppeln auf dem Gelände der BND-Abhörstation in Bad Aibling. Foto: Peter Kneffel (dpa)

    Die BND-Affäre weitet sich immer weiter aus. Doch die meisten Deutschen ignorieren das: Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge verfolgte nur knapp jeder Fünfte die Enthüllungen in den vergangenen Tagen – und das, obwohl sich der mögliche Skandal immer weiter ausbreitet.

    Den Politikwissenschaftler Kai Arzheimer überrascht das geringe Interesse nicht. Die BND-Affäre verfolgen trotz ihrer großen Dimension vor allem Politiker und Journalisten. Viele Bürger fragen sich hingegen: Betrifft mich das überhaupt?

    Möglicherweise tut es das. Die NSA übermittelte E-Mail-Adressen, Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern an den BND. Etwa sechs Millionen solcher Selektoren soll es gegeben haben, um nach verdächtigen Inhalten zu suchen. Deutsche Bürger oder Unternehmen könnten in das Überwachungsnetz geraten sein, wenn sie internationale Telefonanschlüsse oder Internetdomains benutzten. Trotzdem gab in der Umfrage knapp die Hälfte der Befragten an, sich nur „ein wenig“ mit den Vorwürfen gegen den BND zu beschäftigen. 23 Prozent kümmerten sich „kaum“ darum, sieben Prozent gar nicht.

    BND-Affäre: Was wusste Merkel?

    Das hängt laut Arzheimer auch damit zusammen, dass in den vergangenen Wochen immer wieder neue Details der Affäre an die Öffentlichkeit kamen. Bruchstücke. Dadurch sei der „Schockeffekt weg“, sagt Arzheimer. Außerdem brauche es ein „klares Fehlverhalten“, damit sich eine breite Öffentlichkeit empört. Vieles ist aber unklar: Hat der BND der NSA illegal Spionagedaten übermittelt? Wenn ja, was geschah mit den Daten bei dem amerikanischen Geheimdienst? Sicher ist nur, dass die NSA Listen mit Spähzielen an den BND übermittelte. Damit sollen Politiker, Unternehmen und Bürger in Europa ausgeforscht worden sein.

    Das sind die deutschen Geheimdienste

    In Deutschland gibt es drei Geheimdienste: Den Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr.

    Zusätzlich verfügen die Bundesländer über eigene Landesämter für den Verfassungsschutz.

    Offiziell spricht man übrigens nicht von Geheimdiensten, sondern von Nachrichtendiensten. Auch das Wort "Spionage" hört man offiziell nur ungern. Stattdessen spricht man eher von "Aufklärung" oder "Informationsgewinnung mit nachrichtendienstlichen Methoden".

    Die Arbeit aller drei deutschen Geheimdienste wird vom Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) überprüft. Das PKG ist ein Gremium des deutschen Bundestags.

    Der Bundesnachrichtendienst (BND) mit Sitz in Pullach bei München und Berlin ist für die Auslandsaufklärung zuständig. Seine 6000 Mitarbeiter beschaffen also Informationen aus dem Ausland oder über das Ausland. Daneben ist der BND auch immer häufiger bei der Beschaffung von Informationen über die organisierte Kriminalität im Einsatz.

    BND-Mitarbeiter arbeiten offen oder verdeckt. Sie observieren, werten Medien aus, spionieren, führen Auslandsagenten, und überwachen Telefone oder Internetverbindungen.

    Grundlage für die Arbeit des BND ist das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst von 1990 (BNDG).

    Der deutsche Inlandsgeheimdienst ist das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die rund 2500 Mitarbeiter haben die Aufgabe, Informationen über verfassungsfeindliche und extremistische Aktivitäten zu sammeln. Daneben ist das BfV für die Spionageabwehr zuständig.

    Die Verfassungsschützer arbeiten offen und verdeckt. Sie werten Medien aus, überwachen Telefone und Internetverbindungen, arbeiten mit sogenannten V-Leuten, die aus der extremistischen oder verfassungsfeindlichen Szene heraus berichten.

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz untersteht dem Bundesinnenministerium. Grundlage seiner Arbeit ist das Bundesverfassungsschutzgesetz.

    Das Amt für den militärischen Abschirmdienst (MAD) ist der Geheimdienst der Bundeswehr. Es beschäftigt rund 1250 Mitarbeiter.

    Hauptaufgaben des MAD sind die Spionageabwehr und die Sabotageabwehr. Außerdem soll der Militärische Abschirmdienst Extremismus und Terrorismus abwehren.

    Der MAD ist auch an Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt. Dort sammeln seine Mitarbeiter Informationen die nützlich sein könnten, um die Sicherheit der Bundeswehr im Ausland zu gewährleisten.

    Obwohl das öffentliche Interesse gering ist, fordern in der YouGov-Umfrage 38 Prozent der Befragten einen Rücktritt von BND-Präsident Gerhard Schindler. 36 Prozent sind der Meinung, der ehemalige Chef des Bundeskanzleramtes und heutige Bundesinnenminister Thomas de Maizière solle zurücktreten. Einen Rücktritt des derzeitigen Kanzleramtschefs Peter Altmaier befürworten 27 Prozent. Der geringste Druck lastet mit 23 Prozent auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, die seit dem vergangenen Wochenende aber wieder mehr in der Kritik stehen dürfte.

    Denn bereits vor der Bundestagswahl 2013 soll Merkel gewusst haben, dass die USA weiter in Deutschland spionieren wollen. Das zeigen Dokumente, die die Süddeutsche Zeitung abdruckte. Der Ministerialdirektor für Außenpolitik, Christoph Heusgen, verhandelte mit seiner amerikanischen Amtskollegin in einem E-Mail-Wechsel um ein No-Spy-Abkommen. Im Auftrag der Bundesregierung. Doch nie gab es einen Hinweis darauf, dass sich die Amerikaner auf den Wunsch der Deutschen einlassen würden.

    Die Deutschen haben eine klare Meinung zur Arbeit der Geheimdienste

    Trotz des geringen Interesses haben viele Bürger eine klare Meinung zur Arbeit der Geheimdienste. Etwa drei von vier Deutschen sagen, dass Geheimdienste nur zur Feind- oder Terrorabwehr spionieren sollten. 44 Prozent der Bevölkerung finden, dass sie zu viele Überwachungsbefugnisse haben. Unwahrscheinlich ist trotzdem, dass die Affäre bald auf breiteres Interesse stößt.

    Arzheimer sieht ein grundsätzliches Problem: Die Opposition im Bundestag sei zu schwach. Das Bewusstsein beispielsweise für einen Skandal könne nur unter einer Voraussetzung entstehen: „Ein politischer Akteur muss die Debatte befeuern.“ Die Bundesregierung werde das nicht tun.

    Stattdessen haben führende CDU-Politiker nun ihre Forderung nach einem Geheimdienstbeauftragten des Bundestags bekräftigt. Er soll sich nach dem Vorbild eines Wehrbeauftragten um die Kontrolle der Geheimdienste kümmern. Hauptamtlich. mit dpa

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