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Wulff-Nachfolge: Auch Lammert will nicht Bundespräsident werden

Wulff-Nachfolge

Auch Lammert will nicht Bundespräsident werden

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    Im Rennen um das Amt des Bundespräsidenten ist der frühere evangelische Bischof Wolfgang Huber.
    Im Rennen um das Amt des Bundespräsidenten ist der frühere evangelische Bischof Wolfgang Huber. Foto: dpa

    "Wir sind optimistisch, dass bald Nägel mit Köpfen gemacht werden können", erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen in Berlin. Die Staatsanwaltschaft Hannover leitete am Samstag offiziell ein Ermittlungsverfahren gegen Wulff ein, dessen Immunität mit seinem Rücktritt endete.

    Am Freitagabend hatte Bundeskanzlerin Merkel sich mit CSU-Chef Horst Seehofer und dem FDP-Parteivorsitzenden Philipp Rösler beraten. Dabei wurden verschiedene Namen durchgespielt. Am Samstagvormittag kamen nun im Kanzleramt Fraktionschef Volker Kauder (CDU), Gerda Hasselfeldt (CSU) und Rainer Brüderle (FDP) zu der Dreierrunde hinzu. Das Gespräch dauerte nur zwei Stunden, gegen 11.30 Uhr verließ die Spitze der schwarz-gelben Koalition das Bundeskanzleramt in Berlin wieder.

    Voßkuhle sagte ab

    Wie es aus Koalitionskreisen verlautete, fielen in den Beratungen unter anderem die Namen des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) sowie des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle. Der 48 Jahre alte Voßkuhle, auf den sich die Spitzen von Union und FDP offenbar geeinigt hatten, soll jedoch nach einer Bedenkzeit abgesagt haben.

    Und auch Bundestagspräsident Norbert Lammert wurde seit Samstagnachmittag nicht mehr als Nachfolger des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff gehandelt. Aus CSU-Kreisen in München hieß es, Lammert habe abgesagt.

    Damit ist die Suche nach einem geeigneten Konsenskandidaten für das höchste Staatsamt weiterhin schwierig. Als ein möglicher Kandidat wurde noch der frühere evangelische Bischof Wolfgang Huber gehandelt. Auch gegen ihn gibt es aber Vorbehalte. SPD und Grüne wollen kein Mitglied des schwarz-gelben Kabinetts und möglichst auch keinen aktiven Politiker einer Partei für das Präsidentenamt.

    SPD und Grüne lehnen aktiven Parteipolitiker ab

    Nach Ansicht von SPD und Grünen sollte der neue Bundespräsident kein Mitglied des schwarz-gelben Kabinetts und möglichst auch kein aktiver Politiker einer Partei sein. Das erklärten SPD-Chef Sigmar Gabriel und der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir am Samstag in Berlin. Özdemir schränkte ein, dass Kandidaten aber ein Parteibuch haben dürften. Namen nannten die beiden Parteivorsitzenden nicht.

    Gabriel betonte, die SPD wolle mit der Regierung einen gemeinsamen Kandidaten finden. Die Politik müsse nun dafür sorgen, dass das Amt des Bundespräsidenten so schnell wie möglich die Reputation wiedererlange, die ihm gebühre. Es sei ein wichtiges Amt, das nicht nur repräsentative Pflichten habe, sondern auch Gesetze prüfen müsse, die der Bundestag verabschiedet. Gabriel sagte: "Wir hoffen, dass wir zügig zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen."

    Offen blieb, wie der Fahrplan der Suche nach einem neuen Bundespräsident weiter aussieht. In der Union wurde auch für möglich gehalten, dass es bereits am heutigen Samstag Kontakte mit SPD und Grünen gibt. Spätestens am Sonntag sollte jedoch eine Nachfolgelösung gefunden sein.

    Bundeskanzlerin will parteiübergreifenden Kandidaten finden

    Merkel will einen Kandidaten finden, der parteiübergreifend tragbar ist. SPD und Grüne sind zu ergebnisoffenen Gesprächen bereit, machen aber deutlich, dass sie kein schwarz-gelbes Regierungsmitglied akzeptieren.

    Der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU), warnte indes die beiden Oppositionsparteien im Deutschlandfunk davor, die Suche nach einem Kandidaten durch Vorbedingungen zu belasten.

    Sozialdemokraten machen sich erneut für Joachim Gauck stark

    SPD-Chef Sigmar Gabriel machte sich erneut für eine Kandidatur des ehemaligen DDR-Bürgerrechtlers Joachim Gauck stark. "Er ist nach wie vor unser Favorit", sagte er im Deutschlandfunk. Gauck war erster Chef der Stasiunterlagen-Behörde und hat auch bei Schwarz-Gelb hohes Ansehen. Gabriel betonte, auch Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) genieße bei den Sozialdemokraten viele Sympathien.

    Der schleswig-holsteinische FDP-Spitzenpolitiker Wolfgang Kubicki erklärte, auch er halte Gauck unverändert für eine gute Wahl. Merkel soll aber starke Vorbehalte gegen Gauck haben, der bereits 2010 als Gegenkandidat Wulffs angetreten war.

    Verteidigungsminister de Maizière will nicht kandidieren

    Als erster möglicher schwarz-gelber Kandidat hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière abgewunken. "Das ist in jeder Hinsicht abwegig", sagte der CDU-Politiker während seiner Amerika-Reise.

    Chronologie der Affäre Wulff

    25. Oktober 2008: Christian Wulff, damals Ministerpräsident von Niedersachsen, bekommt von der Unternehmergattin Edith Geerkens einen Privatkredit über 500.000 Euro zum Kauf eines Hauses.

    18. Februar 2010: Wulff antwortet auf eine mündliche Anfrage im niedersächsischen Landtag, dass es zwischen ihm und dem Unternehmer Egon Geerkens in den vergangenen zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben habe.

    12. Dezember 2011: Wulff versucht, Bild-Chefredakteur Kai Diekmann zu erreichen, um einen Bericht zur Finanzierung seines Privathauses zu verhindern oder zu verschieben. Auf der Mailbox droht er "Krieg" mit Springer an, falls die Geschichte erscheint.

    13. Dezember: Die "Bild"-Zeitung berichtet erstmals über Wulffs Hauskauf-Finanzierung.

    14. Dezember 2011: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Wulff ihr Vertrauen aus.

    15. Dezember 2011: Der Bundespräsident bricht sein Schweigen: "Ich erkenne an, dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte. Ich bedauere das", heißt es in einer Mitteilung. In der Sache habe er nichts zu verbergen.

    19. Dezember 2011: Wulffs Anwalt legt Unterlagen zum Kredit und eine Liste mit Urlauben vor, die sein Mandant als Regierungschef bei befreundeten Unternehmern verbracht hat. Zudem wird bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer 2007 im niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Anzeigenkampagne für ein Interview-Buch mit Wulff bezahlt hat.

    20. Dezember 2011: Wulffs Anwalt betont, sein Mandant habe von den Zahlungen nichts gewusst.

    22. Dezember: Der Bundespräsident entschuldigt sich öffentlich für die entstandenen Irritationen. Zugleich entlässt er seinen Sprecher Olaf Glaeseker.

    2. Januar 2012: Bei der Staatsanwaltschaft in Hannover gehen elf weitere Strafanzeigen gegen Wulff ein. Die Zahl der Strafanzeigen gegen Wulff liegt nun bei insgesamt 20.

    4. Januar 2012: Wulff gibt ARD und ZDF ein Interview, in dem er den Anruf bei Diekmann als «schweren Fehler» bezeichnet und volle Transparenz bei allen Fragen ankündigt. Am Folgetag veröffentlicht sein Anwalt aber nur eine zusammenfassende Stellungnahme.

    19. Januar 2012: Wegen Korruptionsverdachts lässt die Staatsanwaltschaft Haus und Büros von Wulffs entlassenem Sprecher Olaf Glaeseker durchsuchen. Die Fahnder verschaffen sich auch Zugang zu Räumlichkeiten des Eventmanagers Manfred Schmidt, der zu Wulffs Zeit in Niedersachsen enge Kontakte zur Staatskanzlei in Hannover gehabt haben soll.

    16. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, um gegen ihn ermitteln zu können.

    17. Februar 2012: Christian Wulff tritt zurück.

    18. Februar 2012: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen gegen Wulff wegen des Verdachts der Vorteilsnahme, bzw. Vorteilsgewährung auf.

    29. Februar 2012: Das Bundespräsidialamt teilt mit, dass Christian Wulff den Ehrensold bekomme - jährlich rund 200.000 Euro bis an sein Lebensende.

    9. März 2012: Wulff wird mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr in Berlin verabschiedet. Die Feier wird von Protest begleitet.

    9. Oktober 2012: Die Flitterwochen des damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dessen Frau Bettina im italienischen Haus eines Versicherungsmanagers rechtfertigen keine Ermittlungen wegen Vorteilsnahme im Amt. Das teilt die Staatsanwaltschaft Hannover mit.

    9. April 2013: Wulff lehnt ein Angebot der Staatsanwaltschaft ab, die Korruptionsermittlungen gegen Zahlung von 20 000 Euro einzustellen.

    12. April 2013: Die Staatsanwaltschaft Hannover erhebt gegen Wulff Anklage. Auch der Filmmanager David Groenewold wird angeklagt.

    14. November 2013: Der Prozess gegen Wulff wegen Vorteilsnahme beginnt. Es geht um rund 700 Euro, die Groenewold für Wulff gezahlt haben soll - angeblich, damit dieser sich im Gegenzug für ein Filmprojekt Groenewolds engagiert.

    9. Dezember: Der Prozess gegen Wulffs ehemaligen Pressesprecher, Olaf Glaeseker, beginnt ebenfalls in Hannover. Glaeseker geht auf Distanz zu seinem ehemaligen Chef.

    19. Dezember: Der Richter Frank Rosenow regt an, den Wulff-Prozess im Januar einzustellen. Der Grund: Mangelnde strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe. Wulff selbst ist aber gegen die Einstellung des Verfahrens.

    27. Februar 2014: Christian Wulff wird in seinem Korruptionsprozess freigesprochen und damit vom Vorwurf der Vorteilsannahme entlastet. (dpa)

    Wulff hatte am Freitag mit sofortiger Wirkung sein Amt aufgegeben. Der 52-Jährige zog damit die Konsequenzen aus der Affäre um mögliche Vergünstigungen von befreundeten Unternehmern, die sich schon seit Mitte Dezember hinzog.

    Bis zur Wahl des neuen Staatsoberhaupts, die spätestens am 18. März erfolgen muss, nimmt Bayerns Ministerpräsident Seehofer als amtierender Präsident des Bundesrats die Aufgaben des Staatsoberhaupts wahr. In der Bundesversammlung, die den neuen Präsidenten wählt, hat Schwarz-Gelb nur eine knappe absolute Mehrheit von derzeit maximal vier Stimmen beziehungsweise in einem eventuellen dritten Wahlgang eine knappe relative Mehrheit von maximal acht Stimmen. dpa/AZ

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