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Armutsbericht: Armutsbericht: Arm trotz Arbeit in Vollzeit

Armutsbericht

Armutsbericht: Arm trotz Arbeit in Vollzeit

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    Auch Arbeitsministerin von der Leyen muss Kritik einstecken wegen des Bildungspakets für bedürftige Kinder.
    Auch Arbeitsministerin von der Leyen muss Kritik einstecken wegen des Bildungspakets für bedürftige Kinder. Foto: Maurizio Gambarini dpa

    „Armut ist politisch gewollt.“ Michaela Hofmann, die stellvertretende Sprecherin der „Nationalen Armutskonferenz“ (nak), wählt deutliche Worte.

    Und dann lässt sie bei der Vorlage ihres „Schattenberichts“ am Dienstag in Berlin, dem Gegenentwurf der nak zum geplanten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, den das Kabinett voraussichtlich im Januar verabschieden wird, ganze Kolonnen von Zahlen sprechen, die dies belegen sollen: Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs der letzten Jahre gebe es eine Tendenz zur Verfestigung der Armut in Deutschland, von der unverändert 14 bis 16 Prozent der Bevölkerung betroffen seien, also zwischen 11,4 und 13,1 Millionen Bundesbürger.

    350 000 Vollzeitbeschäftigte brauchen Hartz IV

    Jeder vierte Beschäftigte arbeite mittlerweile für einen Niedriglohn, der in Westdeutschland unter 9,54 Euro brutto die Stunde und in Ostdeutschland unter 7,04 Euro die Stunde liege, 1,4 Millionen Deutsche erhielten sogar weniger als fünf Euro pro Stunde.

    Und 350 000 Vollzeitbeschäftigte in Deutschland würden so wenig verdienen, dass sie ergänzend zu ihrem Lohn noch Hartz IV beantragen müssen, um überhaupt auf das staatlich festgelegte Existenzminimum zu kommen. Insgesamt 7,6 Millionen Menschen, das sind 9,3 Prozent der Bevölkerung, seien auf staatliche Leistungen zur Sicherung ihres Existenzminimums angewiesen.

    Armutsverhältnisse ein "Skandal"

    Für die „Nationale Armutskonferenz“, ein 1991 gegründetes Aktionsbündnis von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden wie der Caritas, der Diakonie und der Arbeiterwohlfahrt sowie dem DGB, ist es nach den Worten Hofmanns schlicht ein „Skandal“, dass sich die Zahl der von Armut Betroffenen „auf so hohem Niveau einpendelt“. Die Spaltung des Arbeitsmarktes in prekäre und regulär-sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bleibe nicht ohne Folge für die Gesellschaft.

    Entgegen den Behauptungen der Wirtschaft, wonach Niedriglohnjobs einen Einstieg in den regulären Arbeitsmarkt darstellten, zeige sich in der Realität, dass die Aufstiegsmöglichkeiten äußerst begrenzt seien. „Viel häufiger wechseln sich kurze Zeiten prekärer Beschäftigung mit Zeiten von Arbeitslosigkeit ab.“ Damit sind die sogenannten „arbeitenden Armen“ („working poor“) nach den Worten des Darmstädter Wissenschaftlers Walter Hanesch längst zu einer wachsenden sozialpolitischen Größe geworden.

    Auch Arbeitsministerium muss Kritik einstecken

    Scharf kritisieren die Sozial- und Wohlfahrtsverbände wie die Gewerkschaften auch das von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erfundene Bildungs- und Teilhabepaket für bedürftige Kinder. Auch dieses trage nur dazu bei, die Armut zu verfestigen, es biete den Kindern keine Chance, aus der Spirale von Bedürftigkeit und Fürsorge herauszukommen, kritisiert Hofmann, die hauptberuflich beim Caritasverband Köln arbeitet.

    Konkret fordert die Armutskonferenz den Ausbau der sozialen Infrastruktur sowie der schulischen Ganztagesbetreuung, kostenlose Schulmittagessen, eine unentgeltliche Förderung schwächerer Schüler sowie freien Eintritt in Museen.

    Altersarmut noch kein Problem

    Dann müsste auch der Hartz-IV-Regelsatz von derzeit 374 Euro im Monat weniger stark angehoben werden, Hofmann nennt als unverbindlichen Eckwert 420 Euro. Zudem drängt die nak auf die flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen, gleiche Lohn- und Arbeitsbedingungen für Leiharbeiter und die Sozialversicherungspflicht aller Beschäftigungsverhältnisse.

    Altersarmut ist hingegen nach einer Studie des Wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums derzeit kein Problem in Deutschland. Durchaus armutsgefährdet sei allerdings die junge Generation, eine wesentliche Ursache hierfür seien unzureichende und gebrochene Erwerbsbiografien.

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