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Interview mit früherem Benediktinermönch: Anselm Bilgri fordert: Werte statt Rendite

Interview mit früherem Benediktinermönch

Anselm Bilgri fordert: Werte statt Rendite

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    Anselm Bilgri
    Anselm Bilgri

    Die Schuldenkrise ist vor allem auch eine Vertrauenskrise. Daher führt für Anselm Bilgri, den ehemaligen Benediktinermönch und heutigen Unternehmensberater und Buchautor, an einer Rückbesinnung auf eine an Werten wie Ehrlichkeit und Transparenz orientierten Wirtschaft kein Weg vorbei. Wir sprachen mit dem 58-Jährigen über Wege aus der Krise.

    Die Schuldenkrise birgt kaum zu kalkulierende Gefahren für die Wirtschaft. Gehören Sie zu den Pessimisten, die einen Zusammenbruch befürchten, oder eher zu den Optimisten, die fest an eine Lösung glauben?

    Bilgri: Ich gehöre zu den Optimisten.

    Was macht Sie so sicher?

    Bilgri: Ich bin davon überzeugt, dass sich die Politiker, so schwierig es bei 27 Staaten auch ist, am Ende zusammenraufen werden. Die Politiker verspüren den großen Druck, und ich glaube, sie können diesen Druck auch produktiv umsetzen. Vor allem freut es mich, dass bei den Lösungsbemühungen gerade die beiden Länder, die über Jahrhunderte verfeindet waren, nämlich Frankreich und Deutschland, jetzt gemeinsam vorangehen.

    Halten Sie dann den Vorstoß des französischen Präsidenten, eine Finanztransaktionssteuer auch im Alleingang durchzusetzen, für klug?

    Bilgri: Ich glaube nicht, dass das im Alleingang etwas bringt. Sinn macht eine Finanztransaktionssteuer nur, wenn sie von allen gemeinsam getragen wird, da ansonsten wieder Schlupflöcher entstehen, das Geld abzuziehen. Grundsätzlich bin ich aber sehr für eine Finanztransaktionssteuer, weil sie doch eine Möglichkeit zur Abschöpfung von Spekulationsgewinnen bietet.

    Nun verspricht eine gemeinsame Wirtschaftsregierung in Europa auch ein einheitlicheres Vorgehen bei neuen Steuern. Aber muss Deutschland nicht fürchten, dass es bei einer Fiskalunion noch stärker für die Fehler der anderen bezahlen muss?

    Bilgri: Wir fordern immer wieder eine gerechtere Verteilung der Vermögen. Dieser Wunsch darf nicht an unserer Landesgrenze haltmachen. Wir Deutschen sitzen auf einem sehr hohen Ross. Uns geht es insgesamt sehr gut. Warum fördern wir andere nicht ganz bewusst, damit es ihnen auch besser geht?

    Aber geht das nicht auf Kosten von Deutschland?

    Bilgri: Wir profitieren aber langfristig sehr von einem starken Europa. Das war auch die Idee der Gründungsväter der Europäischen Union: Aus einer gemeinsamen Währungsunion sollte eine richtige Wirtschaftsgemeinschaft werden. Ich bin überzeugt davon, dass wir langfristig zu den Vereinigten Staaten von Europa zusammenwachsen werden. Und das ist auch für Deutschland gut. Denn allein haben wir gegen Weltmächte wie die USA, Russland, China keine Chance. Wir sollten hier als Vorbild agieren. Schließlich beweisen wir doch mit unserem föderalen System bereits, dass es klappt.

    Die Krisen kommen immer schneller: Im Jahr 2000 brach der Neue Markt zusammen, 2008 führte die Finanzmarktkrise zu schweren wirtschaftlichen Einbrüchen, jetzt droht aufgrund der Schuldenkrise eine Rezession. Das Vertrauen zwischen den wirtschaftlichen Akteuren ist schwer beschädigt. Lernen wir nichts aus den Krisen?

    Bilgri: Wir haben eine Vertrauenskrise. Und das hat mit dem Verlust von Werten in der Wirtschaft zu tun.

    Welche Werte gingen verloren?

    Bilgri: Die Wirtschaft muss sich wieder darauf besinnen, dass sie den Menschen dient.

    Wo liegt aus Ihrer Sicht die Gefahr?

    Bilgri: Das fängt bei der Grundlage von Wirtschaft an, dem Kunden-Nutzen-Verhältnis. Heute erleben wir zum Beispiel auf dem Finanzmarkt, dass nicht mehr der Kunde Vorrang hat, sondern das Produkt. Da wird ein neues Produkt konstruiert und das muss dann mit allen Mitteln verkauft werden. Der Nutzen für den Kunden ist nicht mehr wichtig, nur der Verkaufserfolg, die Gewinnmarge und die Prämie.

    Sie kritisieren damit das einseitige Renditedenken in der Wirtschaft.

    Bilgri: Ja, aber die Gier ist nicht nur Sache der Manager. Sie treibt auch ganz normale Leute an. Mein Vater, der Wirt war, hat immer zu mir gesagt: Wenn dir einer mehr als fünf Prozent verspricht, dann sei misstrauisch.

    Wie könnte eine Rückbesinnung auf die von Ihnen angesprochenen Werte wie Ehrlichkeit, Vertrauen gelingen?

    Bilgri: Das fängt schon in der Ausbildung an. Der Umgang mit Menschen wird vernachlässigt. Ich mache in meinen Seminaren den jungen Leuten klar, dass sie es künftig in ihren Berufen in erster Linie mit Menschen zu tun haben. Das virtuelle Unternehmen gibt es nicht. Interview: Daniela Hungbaur

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