Die zahlreichen Affären um Frankreichs früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy haben einen neuen Höhepunkt erreicht: Der 59-Jährige wurde am Dienstag wegen des Vorwurfs der Bestechung eines Top-Juristen vorläufig von der Polizei festgenommen und verhört. Es ist das erste Mal, dass in Frankreich ein früherer Staatschef im Polizeigewahrsam landet.
Nicolas Sarkozy darf 24 Stunden bei Polizei festgehalten werden
Sarkozy kam am Morgen gegen 08.00 Uhr in einem schwarzen Wagen mit verdunkelten Scheiben bei der Anti-Korruptionspolizei in der Pariser Vorstadt Nanterre an. Dort wurde er in Polizeigewahrsam genommen, wie es in Justizkreisen hieß. Der konservative Spitzenpolitiker darf 24 Stunden lang festgehalten und verhört werden; danach kann der Polizeigewahrsam um einen weiteren Tag verlängert werden. Dann wird entschieden, ob ein formelles Ermittlungsverfahren mit dem Ziel einer Anklageerhebung eingeleitet wird oder nicht.
Gerichtsverfahren: Wollte sich Sarkozy illegal Infos beschaffen?
Die Justiz geht dem Verdacht nach, dass Sarkozy zusammen mit seinem am Montag ebenfalls in Gewahrsam genommenen Anwalt Thierry Herzog versucht haben könnte, sich illegal Informationen aus einem laufenden Gerichtsverfahren zu beschaffen. Im Gegenzug soll der Ex-Präsident versprochen haben, dem leitenden Staatsanwalt beim Kassationsgerichtshof, Gilbert Azibert, einen Posten in Monaco zu beschaffen. Azibert und ein weiterer Staatsanwalt wurden am Montag ebenfalls in Polizeigewahrsam genommen.
Auf die Vorgänge waren die Ermittler gestoßen, als sie im Zusammenhang mit einer anderen Affäre um Sarkozy sein Telefon abhören ließen. Ende Februar wurden wegen der neuen Erkenntnisse zu Azibert zusätzlich Ermittlungen wegen Bestechung und Verletzung des Ermittlungsgeheimnisses eingeleitet.
Das ist Nicolas Sarkozy
Es ist der 28. Januar 1955, als Nicolas Paul Stéphane Sarkozy de Nagy-Bocsa in Paris auf die Welt kommt. Sein Vater kam als Emigrant von Ungarn nach Frankreich. Die Mutter stammt von sephardischer Juden aus Thessaloniki ab.
Sarkozy studierte Öffentliches Recht und Politikwissenschaft und wurde 1981 als Rechtsanwalt zugelassen. 1983 hat man ihn zum Bürgermeister von Neuilly gewählt. Im selben Jahr heiratet er seine erste Frau Marie-Dominique Culioli, mit der er zwei Söhne hat.
1988 wird Sarkozy Abgeordneter für die neogaullistische RPR unter Jacques Chirac. Von 1993 bis 1995 ist er Regierungssprecher und Haushaltsminister. Im anschließenden Präsidentschaftswahlkampf schlägt er sich auf die Seite von Edouard Balladur und agiert gegen Chirac. Dieser konnte die Wahl trotzdem für sich entscheiden.
Im Oktober 1996 heitatet Sarkozy zum zweiten Mal. Aus der Ehe mit Cécilia Ciganer-Albeniz geht ein Sohn hervor.
Als Innenminister nimmt er zwischen 2002 und 2004 den Kampf gegen die Kriminalität auf. Sein Engagement bringt ihm viele Anhänger.
2004 übernimmt er das Wirtschafts- und Finanzministerium, verlässt die Regierung aber bald, um den UMP-Vorsitz zu übernehmen. 2005 kehrt er schließlich als Innenminister ins Kabinett zurück. Er behält das Amt bis 2007. Im Zuge der Pariser Krawalle 2005 beschimpft er die Randalierer als "Gesindel" und verspielt dadurch viele Sympathien unter den jungen Franzosen.
Die Präsidentschaftswahl 2007 konnte er im zweiten Wahlgang für sich entscheiden. Er hat knapp gegen die Demokratin Ségolène Royal gewonnen. Seither hat es zahlreiche Skandale gegeben. Die Räumung einiger Roma-Wohnsiedlungen und die erbarmungslose Abschiebung der Bewohner nach Rumänien und Bulgarien 2010 brachte ihm viel negative Presse.
Im Februar 2008 heiratete Sarkozy zum dritten Mal. Neue First Lady wurde die italienisch-französische Sängerin Carla Bruni, der unter anderem eine Affäre mit der Rolling-Stone-Legende Mick Jagger nachgesagt wird. Die Verbindung hat ein enormes Medienecho provoziert. 2011 hat das Paar eine Tochter bekommen. Sie heißt Giulia.
2012 unterlag Sarkozy bei den Präsidentschaftswahlen seinem sozialistischen Widersacher François Hollande.
In dem Verfahren am Kassationsgerichtshof, das Sarkozy angeblich beeinflussen wollte, ging es um seine Terminplaner, die im Zuge von Ermittlungen zu einer weiteren Affäre beschlagnahmt worden waren. Sarkozy wollte die Kalender zurück, doch am Ende entschied der Kassationsgerichtshof im März, dass er darüber nicht befinden könne. Nun darf die französische Justiz die Terminplaner weiterhin auswerten, die Sarkozy auch in anderen Affären gefährlich werden könnten.
Affären erschweren Sarkozy ein politisches Comeback
Sarkozy, dem Ambitionen auf eine Rückkehr in die Politik nachgesagt werden, war zuletzt in seiner eigenen Partei UMP schwer unter Druck geraten. Dabei ging es um die Finanzierung seines - verlorenen - Präsidentschaftswahlkampfs im Jahr 2012. Sarkozy soll das gesetzlich vorgegebene Limit dafür um Millionen Euro überschritten und dies verdeckt über die Partei finanziert haben. Die Affäre kostete Parteichef Jean-François Copé Ende Mai den Posten. Nun soll im Herbst ein neuer Parteivorsitzender gewählt werden. Es wird nicht ausgeschlossen, dass sich Sarkozy zur Wahl stellen könnte.
Der Ex-Präsident ist aber noch in eine Reihe anderer Affären verwickelt, die ihm gefährlich werden könnten. So untersucht die Justiz den Vorwurf, dass der Konservative für seinen Wahlkampf im Jahr 2007 mindestens 50 Millionen Euro von dem damaligen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi erhalten haben könnte.
Es wird zudem vermutet, dass die Aufzeichnungen in Sarkozys Kalendern vor allem in der sogenannten Tapie-Affäre noch eine Rolle spielen könnten. Dabei geht es um den Vorwurf überhöhter staatlicher Schadensersatzzahlungen an den Unternehmer Bernard Tapie. Der einstige Minister unter den Sozialisten soll im Gegenzug Sarkozys Wahlkampf 2007 unterstützt haben. afp/AZ