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Nachruf auf Johannes Heesters: Abschied vom Maxim

Nachruf auf Johannes Heesters

Abschied vom Maxim

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    Johannes Heesters wird am Freitag beerdigt. Foto: Fredrik von Erichsen dpa
    Johannes Heesters wird am Freitag beerdigt. Foto: Fredrik von Erichsen dpa

    Augsburg So ist das, wenn der eigene Beruf eine Berufung ist und einen ein Leben lang nicht mehr loslässt. Dann gibt es keinen Grund, in den Ruhestand zu treten, dann gibt es keinen Grund, mit dem eigenen Tun aufzuhören, dann hält einen das, was man macht, immer weiter im und vielleicht auch am Leben. Der Schauspieler und Sänger Johannes Heesters war so ein Berufener; einer, der nicht ins Charakterfach strebte, sondern sein Publikum unterhalten wollte; einer, der die Freude am Bühnenleben Auftritt für Auftritt ausstrahlte; einer, der die Mühsal, die damit verbunden ist, nie scheute. Vor seinem hundertsten Geburtstag sagte er noch: „Ich habe Freude an dem, was ich tue und bin gesund. Was will man mehr?“ An Heiligabend ist Johannes Heesters im Alter von 108 Jahren in seinem Wohnort Starnberg gestorben.

    Keine zwei Monate ist es her, da hatte der Mann seinen letzten großen Auftritt, beim Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen der Komödie im Bayerischen Hof in München. Der „Höhepunkt unserer Gala“ sei es gewesen, sagt Intendantin Margit Bönisch, „es war großartig“. Dann, zu seinem Geburtstag am 5. Dezember, sollte es eine große Gala zu seinen Ehren geben, mal wieder. Sie musste abgesagt werden, weil es Heesters schon da nicht mehr gut ging. Nach einem Schwächeanfall musste er ins Krankenhaus.

    Eine Woche vor Weihnachten wurde er wieder in die Klinik gebracht. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet, wegen eines Schlaganfalls. Schließlich teilte das Klinikum Starnberg mit: „Herr Heesters ist am Heiligen Abend, 24. Dezember 2011, um 10.15 Uhr im Beisein seiner Ehefrau Simone Rethel und seiner Enkelin Wiesje Herold friedlich verstorben.“ Am Freitag soll er auf dem Münchner Nordfriedhof beigesetzt werden.

    Erst hatte es ja so ausgesehen, als ob Johan Marius Nicolaas Heesters, so sein offizieller Name, in die Fußstapfen seiner Eltern treten würde. Der Kaufmannssohn aus dem niederländischen Amersfoort sollte Kaufmann werden. Aber seine Lehre brach er schon mit 16 Jahren ab, weil er diesen unwiderstehlichen Ruf der Bühne in sich hörte und ihm folgte. Die Schauspiel- und Gesangsausbildung in Amsterdam finanzierte er sich, indem er in einer Süßwarenfabrik arbeitete. „Schauspieler wollte ich werden und nichts anderes“, sagte er später einmal.

    Seine Eleganz, sein Charme und seine Stimme führten ihn dann schnell aus den Niederlanden heraus. Erst nach Wien, wo er als Tenor im Operettenfach auf sich aufmerksam machte; von dort nach Berlin, wo ihn die Ufa in Filmproduktionen wie „Der Bettelstudent“ (mit Marika Rökk) und „Das Hofkonzert“ (mit Marta Eggerth, beide 1936) zu einem Star aufbaute. Die Ufa war es, die den niederländischen Schauspieler eindeutschte und ihm den Vornamen Johannes gab.

    Hitler bezeichnete ihn als seinen „Lieblingsschauspieler“

    In den Jahren des Nationalsozialismus, als Deutschland zum Krieg rüstete und Uniformen das Männliche verkörperten, bot Heesters als Ufa-Star das Gegenmodell – den Typus des Zivilisten. Heesters trug Frack und Zylinder mit lässiger Eleganz, wo sonst dem Zackigen gehuldigt wurde.

    Mit dem Politischen beschäftigte sich der Künstler fürs leichte Fach in jenen Jahren nicht weiter, er wollte einfach auftreten. So wurde er auch nicht Mitglied bei der NSDAP. Entziehen konnte er sich der Diktatur trotzdem nicht. Adolf Hitler bezeichnete ihn als seinen Lieblingsschauspieler und den „besten Danilo aller Zeiten“, wie die Rolle des Grafen in Franz Lehárs Operette „Die lustige Witwe“ hieß. Dass ihn manche Kritiker als Opportunisten sahen, der vom System profitierte, damit musste er leben. Biograf Jürgen Trimborn schrieb dazu nur: „Man kann sich seine Verehrer nicht aussuchen.“

    Während eines Gastspiels im Münchner Gärtnerplatztheater im Mai 1941 lud die SS das Ensemble zu einem Besuch in das Konzentrationslager Dachau ein. Eine Einladung, die man als Order verstehen musste. Heesters folgte ihr. Sein Besuch ist bis heute nicht endgültig geklärt. Zeitlebens bestritt er Vorwürfe, dort für die SS gesungen zu haben. Heesters schrieb in seinen Memoiren: „Ich schämte mich, und ich habe bis heute nicht aufgehört, mich zu schämen.“ Ein klares Wort, wo andere in den Nationalsozialismus verstrickte Künstler wie Leni Riefenstahl ein Leben lang auswichen.

    Trotzdem verziehen die Niederländer ihrem Landsmann erst sehr spät, dass er sich von den Nazis vor den Propaganda-Karren hatte spannen lassen – als Mann der Unterhaltung und der Entspannung, um die Deutschen im Krieg bei Laune zu halten. So ging sein Herzenswunsch, einmal in seiner Geburtsstadt Amersfoort aufzutreten, erst 2008 in Erfüllung. Da war Heesters schon 104 Jahre alt. Und selbst da protestierte man draußen vor dem Konzertsaal noch gegen den „Nazi-Künstler“ Johannes Heesters.

    Die Anfeindungen in seiner Heimat führten dazu, dass Heesters auch nach 1945 seine Karriere in Deutschland fortsetzte. Allerdings konnte er als Kinostar nicht mehr an die einstigen Leinwanderfolge anknüpfen, auch wenn er von seinem Charme nichts eingebüßt hatte. Aber auf der Bühne, in seinen Paraderollen, glänzte er weiter – vor allem als Danilo in „Die lustige Witwe“. Mehr als 1600 Mal hat er den Grafen gespielt – und noch viel öfter das Pariser Restaurant „Maxim“ besungen, das bekannteste Stück aus der Operette.

    In dem desillusionierten Lebemann Honoré in Frederick Loewes Musical „Gigi“ fand er seine ideale Altersrolle. 1986 ging er in der Figur des greisen Frauenhelden auf Tournee in Karl Gassauers „Casanova auf Schloss Dux“. Er wurde berühmt mit Stücken wie „Man müsste Klavier spielen können“ oder „Ich knüpfte manche zarte Bande“. Und immer ging es noch ins „Maxim“.

    Das Charakterfach war seine Sache nicht

    Die Lust auf das Rampenlicht verließ ihn nicht. Sehr wohl aber hatte er eine Vorstellung davon, was er spielen wollte. Das Angebot aus Wien, in die Rolle von Shakespeares König Lear zu schlüpfen, lehnte Heesters ab. Er war ein Mann der Unterhaltung und wechselte auch im Alter nicht ins Charakterfach.

    Seine erstaunliche Präsenz im öffentlichen Bewusstsein verdankte er nicht zuletzt dem Fernsehen. Regelmäßig trat er in Serien und Shows auf. Unvergessen zum Beispiel seine Ankündigung als 95-Jähriger bei „Wetten, dass..?“: „Ich werde 100 Jahre alt.“

    Jahre später war er wieder Gast bei Gottschalk. Da entschuldigte er sich öffentlich, dass er kurz vor seinem 105. Geburtstag in einem niederländischen TV-Interview gesagt hatte, Adolf Hitler sei „ein guter Kerl“ gewesen. Als seine Frau bei der Aufzeichnung sofort eingriff, schob Heesters hinterher: „Na ja, das war er nicht, aber zu mir war er nett.“ Später empörte sich Simone Rethel, ihr Mann sei beim Interview „hereingelegt“ worden. Daran sei auch das hohe Alter von Heesters schuld. Dieser habe die „perfide Frage“ nicht verstanden.

    Von dem Unbill des Alters ließ sich Heesters nicht einschüchtern. Nach zwei schweren Knieoperationen kehrte er schnell auf die Bühne zurück. In den letzten Jahren verlor er außerdem seine Sehkraft. Zuletzt musste ihn Simone Rethel bei seinen Auftritten auf die Bühne begleiten, weil er blind war.

    Auch wenn Heesters bei den Fernsehauftritten in Frack, weißem Hemd und Zylinder noch eine gute Figur machte: Auf der Bühne stand er am Ende nicht mehr wegen seiner Stimme und seinem Können, sondern wegen seines Alters. Ein Hochbetagter wurde öffentlich vorgeführt. Und hinter jedem seiner Auftritte stand unausgesprochen, dass es sein letzter sein könnte. Eingeladen wurde er, weil er als Schauspieler mit biblischem Alter zu einem Phänomen geworden war, ein Mann aus einer anderen Zeit, der immer und immer weiter lebte.

    So rankten sich gegen Ende seines langen Lebens auch die Superlative um seine Person. Wechselweise wurde er als dienstältester Schauspieler oder Sänger bezeichnet. Das Internet-Lexikon Wikipedia führte den 108-Jährigen zum Beispiel als zweitältesten in Deutschland lebenden Mann.

    Sosehr Heesters in seinen Bühnenrollen das Image als formvollendeter Charmeur und Gigolo pflegte, im Privaten hielt er an den beiden Frauen seines Lebens fest. Mehr als 50 Jahre war er mit der belgischen Schauspielerin und Operettensängerin Louisa Ghijs verheiratet, bis sie im Jahr 1985 starb. Seine zweite Frau, die 46 Jahre jüngere Schauspielerin Simone Rethel, heiratete er 1992. Er hinterlässt zwei Töchter aus erster Ehe, die Schauspielerin Nicole Heesters (74) und die Pianistin Wiesje Herold-Heesters (80).

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