Verkehrte Welt: Auf den Fashion Weeks präsentieren Designer derzeit rund um den Globus die Mode für die Frühjahr-/Sommer-Saison 2013. Allerdings stehen nicht immer die Modedesigner und Kollektionen im Mittelpunkt des Interesses, sondern vor allem die Gäste der Schauen. Oder wissen Sie, was für außergewöhnliche Modelle Hutdesigner Philip Treacy auf der London Fashion Week präsentiert hat?
Daran erinnern sich wohl die wenigsten – selbst unter denen, die bei der Schau anwesend waren. Augen hatten alle nämlich nur für eine: Lady Gaga. Die exzentrische Sängerin eröffnete als Model die Show – und saß dann in der ersten Reihe.
Lady Gaga mit einem Helm aus Blumen
Treacy sei der „großartigste Hutmacher aller Zeiten“, erklärte Lady Gaga, bevor sie in einen Burka-ähnlichen rosa Ganzkörperumhang gehüllt über den Laufsteg stakste. In der ersten Reihe trug sie eine seiner Kreationen, eine Art Helm aus Blumen. An das Blumenungetüm erinnern sich viele – nicht nur die, die anwesend waren. Kurz: Lady Gaga hat den professionellen Models auf dem Laufsteg im wahrsten Sinne des Wortes die Show gestohlen.
Unfair? Nein, wohl eher Kalkül vom Designer. Auf den Fashion Weeks in London oder New York geht es nicht nur um die Präsentation der neuesten Mode. Viel wichtiger scheint die Frage zu sein, wer sie bereits trägt und begutachtet.
„Front-Row-Stars" stehen im Mittelpunkt
Eigentlich sitzen in der ersten Reihe vor allem Modejournalisten und Einkäufer großer Kaufhäuser, doch mittlerweile werden die Modefachleute von immer mehr prominenten Gästen verdrängt. Die dünnen Beinchen artig nebeneinander aufgereiht, sitzen dort dutzende Schauspielerinnen, Sängerinnen und sogenannte It-Girls wie Poppy Delevigne und Alexa Chung, deren offizielle Aufgabe lautet: Schau dir die Show an.
Bevor die allerdings losgeht, posieren sie unermüdlich für die Kamera. Ein Großteil der Aufmerksamkeit gilt nicht mehr nur den Laufstegschauen selbst, sondern den sogenannten „Front-Row-Stars“, also den Stars aus der ersten Reihe.
Stars garantieren Aufmerksamkeit
Die Gäste tragen nämlich häufig bereits die neueste Kollektion – und die wandert so nicht nur in die Modeseiten der Magazine, sondern zusätzlich in die Klatschspalten. Offensichtlich scheint es für die Fotografen beinahe interessanter zu sein, zu welchen Schuhen Rocker-Tochter Kelly Osbourne das neue Marc-Jacobs-Kleid kombiniert, als die Objektive auf die eigentliche Präsentation von Marc Jacobs zu richten. Und so nutzen die Modedesigner Stars, deren Images zum Label passen, als Aufmerksamkeitsgarantie für ihre Kollektionen.
Auf der anderen Seite beschränkt sich die mediale Präsenz manch Prominenter vor allem auf ihr Dasein als „Front-Row-Star“ – wie Olivia Palermo, die einst Reality-TV-Sternchen war und seitdem nicht mehr im Fernsehen, sondern nur noch auf Modenschauen zu sehen ist – jedes Mal perfekt in den neuesten Designerkollektionen gekleidet, selbstverständlich.
Applaus für Victoria Beckham bei New Yorker Modewoche
Doch manchen reicht das bloße In-der-ersten-Reihe-Sitzen und Modelspielen nicht mehr aus. Sie wollen auf dem Laufsteg ihre eigenen Entwürfe präsentieren. So wie Victoria Beckham. Anfangs noch als Spielerfrau belächelt, die aus purer Langeweile mit Stoffen basteln will, hat sich die Engländerin in eine ernst zu nehmende Modedesignerin verwandelt: Im vergangenen Jahr wurde sie für ihre von Kritikern und Kunden hochgepriesenen Entwürfe mit dem „British Fashion Award 2011“ ausgezeichnet, heuer ist sie als Designerin des Jahres nominiert.
Bei der Präsentation ihrer Frühjahr-/Sommer-Kollektion 2013, die aus schicker Businessmode mit spitzen Krägen und ungewöhnlichen Silhouetten besteht, saß in New York neben ihrem Gatten David Beckham die wohl einflussreichste Modefachfrau der Welt, US-Vogue-Chefin Anna Wintour – ein Ritterschlag in der Branche.
Katie Holmes debütiert als Modedesignerin
Auch Schauspielerin Katie Holmes – früher gern gesehener Front-Row-Star – präsentierte auf der Fashion Week in New York zum ersten Mal ihr Modelabel „Holmes & Yang“.
Doch die 14 Outfits fielen beim Fachpublikum gnadenlos durch – damit bewies die Schauspielerin, dass nicht jeder prominente Pseudo-Designer mit der jahrelangen Ausbildung, dem Können und dem Fachwissen der wahren Modedesigner mithalten kann.