Immer mehr Tier- und Pflanzenarten sterben aus, weil ihr Lebensraum verschwindet, weil sie illegal gejagt oder durch die Übernutzung der Meere dezimiert werden. Und in einigen Fällen können auch wir etwas dagegen tun. Der putzige Koboldmaki zum Beispiel, ein südostasiatischer Halbaffe, der Insekten frisst, steht auf der Roten Liste, weil der Regenwald, in dem er lebt, großflächig gerodet wird.
Jedes vierte Säugetier auf der Welt gilt mittlerweile als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Das ist eines der erschreckenden Ergebnisse der am Donnerstag im schweizerischen Gland veröffentlichten Aktualisierung der internationalen Roten Liste. Von den insgesamt 61900 wissenschaftlich beschriebenen Tier- und Pflanzenarten auf der Welt hat die Weltnaturschutzunion (IUCN) 3879 als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft – 300 mehr als vor einem Jahr. Darüber hinaus gelten 5689 Arten als „stark gefährdet“ und 10002 als „gefährdet“. All das ist nur die Spitze eines Eisbergs. Denn von der Wissenschaft erfasst ist nur ein kleiner Teil der vermuteten zehn Millionen Arten weltweit, sagt Stefan Ziegler vom World Wildlife Fund (WWF) in Berlin. Die Rote Liste sei aber „so etwas wie die Fieberkurve unserer Artenvielfalt und sie zeigt, dass es dem Patienten immer schlechter geht“.
Ein unverbindliches Papier ohne Anspruch auf Vollständigkeit
Anders als die nationale Rote Liste in Deutschland, die amtlichen Charakter und Konsequenzen im Naturschutzrecht hat, sei die internationale Rote Liste ein unverbindliches Papier ohne Anspruch auf Vollständigkeit, sagt Ziegler. Wissenschaftler haben sie in der Hoffnung erstellt, dass die verantwortlichen Regierungen darauf reagieren.
Doch manchmal sind andere Kräfte stärker. Den Nashörnern in Afrika etwa wird ihr Horn zum Verhängnis, weil es in der traditionellen Medizin als heilkräftig gilt. Das westliche Spitzmaulnashorn ist jetzt offiziell als ausgestorben erklärt worden, das nördliche Breitmaulnashorn könnte folgen. Vor etwa 15 Jahren habe man das letzte Exemplar in Ostafrika gesehen.
Keine guten Überlebenschancen haben auch die Irawadidelfine. Denn der Mekong und andere Flüsse in Burma und Borneo, in denen die Süßwassersäuger noch vorkommen, sind stark verschmutzt. Alarmierend sei auch die Situation bei den Reptilien. Auf Madagaskar gelten 40 Prozent der an Land lebenden Reptilienarten als gefährdet, 22 Arten sind vom Aussterben bedroht, darunter Chamäleons, Geckos und Schlangen.
Beim Kauf von Thunfisch auf Zertifizierung achten
Möglichkeiten, das Artensterben abzumildern, haben auch die Konsumenten hierzulande. Von den acht Thunfischarten, die es gibt, sind fünf wegen der Überfischung der Meere gefährdet, sagt Ziegler. Beim Kauf sollte deshalb auf die Zertifizierung des Marine Stewardship Council (MSC) geachtet werden, rät er. Das Logo ist ein blaues Oval mit einem weißen Fischsymbol. Eine kritische Haltung sollten die Verbraucher auch zum Import von billigem Palmöl für die Produktion von Nahrungsmitteln – etwa Margarine – und zur Energiegewinnung haben. Es gebe zwar auch nachhaltig erzeugtes Palmöl, aber in vielen Fällen werde zum Anbau einfach „Regenwald plattgemacht“.
Eine heile Welt existiert allerdings auch in unseren Breiten nicht: In etwa zwei Wochen sei die neue europäische Rote Liste zu erwarten, heißt es beim WWF. Etliche gefährdete Tiere aus der deutschen Roten Liste haben es bereits in die internationale geschafft: Fledermausarten sind darunter, der Garten- und der Siebenschläfer sowie ein Nagetier, das nur noch um Garmisch-Partenkirchen vorkommt: die Bayerische Kurzohrmaus (Microtus bavaricus).
Der Wolf dagegen, der auf unserer Roten Liste steht, fehlt auf der internationalen. Er ist weltweit so verbreitet, dass von Gefährdung keine Rede sein kann. Gute Nachrichten gibt es auch: Das Przewalski-Pferd, das vom Aussterben bedroht war, hat sich in freier Wildbahn wieder auf 300 Tiere vermehrt. Vier weiden im Augsburger Stadtwald – allerdings im Gehege. AZ