Das Explosionsunglück von Ostkanada mit mehr als einem Dutzend Toten ist offiziell zum Kriminalfall geworden. Die Polizei ermittele, ob die Entgleisung der mehr als 70 Kesselwagen am Samstagmorgen einen kriminellen Hintergrund habe, bestätigte ein Polizeisprecher gestern. Details wollte er nicht nennen, für Terrorismus gebe es aber keine Hinweise.
Lokführer und Ingenieur der Unglücksbahn vom Dienst suspendiert
Schwere Zugunglücke in Europa
Zugfahren ist relativ sicher. Aber Zusammenstöße auf den Schienen - so wie am 3. März 2012 in Polen - haben meist verheerende Folgen. Einige Unglücke in den vergangenen Jahren:
Januar 2011 - Deutschland: Zehn Menschen sterben, als ein Nahverkehrszug bei Oschersleben in Sachsen-Anhalt mit einem Güterzug zusammenstößt. Ein Lokführer soll ein Haltesignal überfahren haben.
Februar 2010 - Belgien: In Buizingen bei Brüssel übersieht ein Lokführer ein Stoppsignal, zwei voll besetzte Regionalzüge prallen zusammen. Mindestens 18 Menschen sterben, rund 80 werden verletzt.
Oktober 2009: Bei einer Feier zum 125-jährigen Bestehen der historischen Lößnitzgrundbahn in Sachsen stoßen zwei der historischen Züge zusammen. 52 Menschen werden verletzt, vier von ihnen schwer.
Januar 2005 - Italien: Auf der eingleisigen Strecke Bologna- Verona prallen ein Passagierzug und ein Güterzug zusammen. 17 Menschen sterben. Ein Lokführer hatte ein Haltesignal übersehen.
Juni 2003: Bei Schrozberg in Baden-Württemberg stoßen zwei Regionalzüge frontal zusammen. Sechs Menschen sterben, 25 werden verletzt.
September 2001: Beim Frontalzusammenstoß von zwei voll besetzten Regionalzügen werden im bayerischen Enzisweiler am Bodensee rund 80 Menschen verletzt.
Das US-Bahnunternehmen „The Montreal, Maine & Atlantic“ hat den verantwortlichen Lokführer und Ingenieur der Unglücksbahn vom Dienst suspendiert. Der Mann werde bis auf Weiteres nicht für sein Unternehmen arbeiten und auch kein Gehalt bekommen, sagte Bahnchef Edward Burkhardt. Der Lokführer habe erklärt, dass er an dem Unglückszug nach dem Abstellen elf Handbremsen gesetzt habe. „Wir haben jetzt das Gefühl, dass das nicht wahr ist“, so Burkhardt. Der Techniker arbeite bereits seit vielen Jahren für das Bahnunternehmen.
Mittlerweile 15 Tote nach Explosionsunglück
Die Zahl der Opfer in Lac-Mégantic stieg unterdessen auf 15 Tote. Etwa drei Dutzend Menschen werden noch vermisst. Bei dem Unglück waren am Morgen um ein Uhr die mit Rohöl beladenen Kesselwagen führerlos einen Berg hinabgerollt und mitten in der Kleinstadt entgleist und explodiert. Etwa 30 Gebäude wurden völlig zerstört. Nun freigegebene Polizeibilder zeigen, dass die Formulierung „wie in einem Kriegsgebiet“ keine Floskel ist. Die Gegend zwischen Bahngleis und See, einst ein Kneipenviertel, ist eingeebnet.
Ein unschönes Szenario vor Ort
Die Fotos zeigen völlig ausgebrannte Autowracks. Häuser sind einfach weg. Direkt an der Unglücksstelle liegen Dutzende Waggonachsen wie auf einem Schrottplatz, daneben die umgeworfenen Kesselwagen, die eingedellt sind, als wären sie Blechdosen. Und immer wieder sind Feuerwehrleute zu sehen, völlig erschöpft vom 24-Stunden-Einsatz.