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Aktion: „Zeitungen sind keine Käsefabriken“

Aktion

„Zeitungen sind keine Käsefabriken“

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    Worte sind wertvoll.
    Worte sind wertvoll. Foto: Screenshot: AZ

    Worte wirken. Das weiß niemand besser als Günter Schabowski. Der SED-Funktionär sagte am 9. November 1989 in einer Pressekonferenz: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“ Gemeint hatte er eine neue Ausreiseregelung für DDR-Bürger, gedeutet wurden seine Worte als Fall der Berliner Mauer.

    Worte wirken. Das weiß jeder Student der Kommunikationswissenschaft, jeder Journalistenschüler, freie Journalist oder Redakteur. Er weiß, welche Folgen Berichte in Zeitungen, Rundfunk oder Internet haben können: Häufig sind es Diskussionen, gelegentlich Rücktritte.

    Journalisten wissen um den Wert von Worten. Darum feilen sie an jedem. Sie recherchieren in der Regel intensiv, bevor sie auch nur einen Satz veröffentlichen. Sicher, es gibt schwarze Schafe in der Medienbranche, die meisten deutschen Journalisten arbeiten jedoch seriös. Sie berichten unparteiisch über Missstände in Politik oder Wirtschaft.

    Am Donnerstagabend allerdings haben sie etwas für sie Ungewöhnliches getan. Journalisten aus Bayern und Baden-Württemberg sind auf die Straße gegangen, vor die Augsburger Basilika St. Ulrich und Afra. Nicht um zu streiken. Sondern um sich mit einer Präsentation, bei der unter anderem Videofilme gezeigt wurden, für Qualitätsjournalismus einzusetzen. Sie unterstützten die erste sogenannte Pro-Text-Aktion „Worte sind wertvoll“. Denn sie meinen, dass die Qualität leiden wird, wenn der seit Monaten ausgetragene Tarifkonflikt zwischen Zeitungsjournalisten und Verlegern nicht zu einem Ergebnis führt, mit dem beide Seiten leben können.

    Die Situation ist verfahren: Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) fordert etwa für Berufseinsteiger ein neues Tarifwerk, das nach Berechnungen der Gewerkschaften Einkommenseinbußen von bis zu 30 Prozent vorsieht.

    Ihre Überzeugung: Worte sind wertvoll

    Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und dju in ver.di riefen mehrfach zu Warnstreiks auf, an denen bundesweit Tausende Redakteure teilnahmen. Sie befürchten eine Abwertung ihres Berufsstandes: Erst könnte dem Journalismus durch eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen die Qualität und schließlich die Glaubwürdigkeit abhandenkommen.

    Die Aktion „Worte sind wertvoll“ wurde vor diesem Hintergrund von Augsburger Journalisten initiiert. Schnell schlossen sich ihnen Hunderte – nicht bloß Journalisten – an, indem sie sich im Netzwerk Facebook mit der Gruppe „Worte sind wertvoll“ anfreundeten. Sie verbindet die Überzeugung, dass Medienberichterstattung nur hochwertig und politisch unabhängig ist und bleibt, wenn sie, im Wortsinne, „Wertschätzung“ erfährt.

    Dass die Qualität stimmen muss und dass Verlage „keine Metzgereien oder Käsefabriken“ sind (Hans Leyendecker, Journalist) – darin sind sich Verleger und Redakteure eigentlich einig. Von Ende der 90er bis 2002 warben sie gemeinsam für Qualitätsjournalismus, mit der „Woche der Zeitung“. „Die Zeitung war und ist immer mehr als nur bedrucktes Papier“, sagte 1998 der damalige Verlegerpräsident. Die Zeitung müsse „selbstbewusst für sich und ihre großen Qualitäten werben“.

    Eine Regionalzeitung ließ den „längsten Leserbrief der Welt“ schreiben. Im Jahr 2000 entstand in Leipzig die weltgrößte Zeitungspyramide aus fast allen deutschen Zeitungstiteln. 174 Verlage beteiligten sich an der Aktion, verbaut wurden 3984 Zeitungspakete. Die „Woche der Zeitung“ sei leider eingeschlafen, sagt Anja Pasquay vom BDZV. „Es wäre schön, wenn es sie wieder gäbe, sie dürfte aber nicht zu viele Kräfte binden.“ Veranstaltungszeitraum könnte „rund um die Vergabe des Theodor-Wolff-Preises“ sein. Eine Wiederbelebung der „Woche der Zeitung“ scheint vor allem eine Frage der Finanzierung zu sein.

    Bleibt die Frage: Sollten Journalisten für die eigene Sache werben? Gibt es nicht den Lehrsatz: Ein guter Journalist macht sich nicht gemein mit einer Sache, „auch nicht mit einer guten Sache“.

    Das Signal: Die Zukunft ihres Berufsstandes ist ihnen wichtig

    Der Satz stammt von Hanns Joachim Friedrichs, der bis 1991 die „Tagesthemen“ im Ersten moderierte. Anne Will, eine seiner Nachfolgerinnen, sagte dazu: Sie sei davon überzeugt, dass Friedrichs „mit ,sich gemein‘ machen meint: Positionen ungefragt und unkritisch zu übernehmen, sie sich zu eigen zu machen, gar manipulativ zu vertreten. Das darf ein guter Journalist nicht.“ Gleichwohl dürfe sich ein Journalist für eine gute Sache einsetzen: „Denn darin zeigt sich Haltung!“

    Journalisten aus Presse, Rundfunk und mobilen Medien haben in Augsburg gezeigt: Die Zukunft ihres Berufsstandes ist ihnen wichtig. Worte sind wertvoll, ist ihre Haltung.

    Friedrichs übrigens berichtete am 9. November 1989: „Die DDR hat mitgeteilt, dass ihre Grenzen ab sofort für jedermann geöffnet sind.“

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