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„Storytelling“: Warum uns die Werbung neuerdings wieder Märchen erzählt

„Storytelling“

Warum uns die Werbung neuerdings wieder Märchen erzählt

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    Hornbach-Spot Gothic Girl der Werbeagentur „Heimat“: Dass der Clip bei der Internetzeitgeneration so gut ankam, hat selbst die kreativen Macher überrascht.
    Hornbach-Spot Gothic Girl der Werbeagentur „Heimat“: Dass der Clip bei der Internetzeitgeneration so gut ankam, hat selbst die kreativen Macher überrascht. Foto: Hornbach/Youtube (Screenshot)

    Augsburg Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen, ein modernes Märchen: Es war einmal eine Jugendliche, die nur schwarze Kleidung trug. Dadurch wurde sie zum Außenseiter, niemand wollte etwas mit ihr zu tun haben. Ihr Vater aber hielt zu ihr und zeigte das auf seine Weise: Er strich das Haus, in dem sie wohnten, komplett schwarz an.

    Gut möglich, dass Sie diese Geschichte bereits kennen, denn sie stammt aus dem 2014 veröffentlichten Werbespot „Gothic Girl“ für die Baumarkt-Kette Hornbach. Der Slogan dazu: „Sag es mit deinem Projekt“. Der Werbefilm wurde im Internet viele Male geteilt; auf Youtube wurde er bis dato über fünf Millionen Mal abgerufen.

    Es ist ein erfolgreiches Beispiel für eine sogenannte Storytelling-Kampagne. Beim Storytelling in der Werbung geht es darum, eine Geschichte rund um ein Produkt oder eine Marke zu erzählen, die den Kunden begeistert. Im besten Fall wird dieser sie dann weiter erzählen und weiterverbreiten.

    Werbung „Gothic Girl“ wird zum vollen Erfolg

    „Gothic Girl“ wurde sehr viel verbreitet. Das war selbst für die Werbeagentur „Heimat“, die den Spot entworfen hat, eine Überraschung – schließlich hatte sie das nicht explizit forciert. Für die Werbeagentur steht das Geschichtenerzählen im Fokus. Heimat-Chef Guido Heffels weiß genau um die Mechanismen: „Wird ein Werbeanliegen in eine Geschichte eingebunden, die auf den ersten Blick nicht als Werbung zu dechiffrieren ist, dann folgt eine stärkere Auseinandersetzung damit.“ Die Folge: ein höherer Erinnerungswert.

    Das war beim „Gothic Girl“ so. Aber auch beim Telekom-Spot „Bob und Linda“, in dem ein Mann Fotos von sich in einem rosa Tutu schießt, um seine kranke Frau aufzumuntern. Genauso beim Red-Bull-Film über Felix Baumgartners Stratosphärensprung. Oder im Edeka-Werbespot „Heimkommen“ mit einem einsamen Opa, der seinen Tod vorgibt, um seine Familie an seinem Tisch zu versammeln. Solche Kampagnen haben viele Menschen berührt.

    Und genau das ist laut Guido Heffels die Basis dafür, dass sie sich viral verbreiten – dass sie also einem Virus ähnlich Nutzer „anstecken“ und diese sie in sozialen Netzwerken teilen, sodass immer mehr Menschen sie zu Gesicht bekommen. Diese Kampagnen rufen Gefühle hervor. Oftmals sind die Geschichten aus dem Hier und Jetzt gegriffen, für jeden nachvollziehbar. „Das bewegt die Menschen dazu, aktiv zu werden.“ Wenn jemand solch ein Video zum Beispiel auf Facebook teilt, habe dies für seine Freunde und Follower den Wert einer Empfehlung und werde somit nicht als nervige Werbung wahrgenommen.

    In der Werbung steht aktuell das Stärken einer Marke mehr im Vordergrund als die Bewerbung eines Produktes. Das liegt laut Heffels daran, dass es heutzutage so viele austauschbare Produkte gibt. Nur die Marke mache da noch den Unterschied. „Der Absender ist immens wichtig geworden.“ Um ihn zu stärken, eignen sich Storytelling-Kampagnen besonders gut. Denn: „Jedes Unternehmen hat eine Geschichte zu erzählen“, sagt Werbeexperte Heffels. „Im Idealfall eine über sich selbst, die für bestimmte Werte und Ansichten steht.“

    Storytelling ist eigentlich kein neuer Werbe-Trend

    Storytelling ist eigentlich kein neuer Werbe-Trend. „Es war eigentlich immer schon da“, so Heffels. Die Vielzahl von Kanälen böte heutzutage aber mehr Möglichkeiten, um Geschichten zu erzählen. Dadurch müsse aber auch mehr geleistet werden, als nur eine Werbebotschaft zu versenden. Dieser Meinung ist auch Dieter Georg Herbst, Professor für digitale Kommunikation und Markenführung an der Universität der Künste in Berlin. Er sagt: „Storytelling ist eine Urform der Kommunikation.“ Schließlich haben sich die Menschen schon immer Geschichten erzählt. „Man erkennt jetzt, dass Storytelling alles hat, was Kommunikation wirkungsvoll macht.“ Emotionen zum Beispiel. Die spielen laut Herbst eine zentrale Rolle: „Je emotionaler die Begegnung, desto stärker wirkt sie im Gedächtnis.“

    Eine Werbung, die Emotionen hervorruft, bleibt bei uns Menschen also länger hängen. Das liege unter anderem daran, dass Emotionen im Lernprozess eine Rolle spielen. Welche Informationen in den Langzeitspeicher gelangen, hängt dann davon ab, wie stark emotional bedeutend sie vom Gehirn eingestuft werden.

    Eine solche emotionale Bedeutung kann in einer Geschichte vor allem Spannung hervorrufen. Aber auch Humorvolles, Ungewöhnliches, Neues, Spannendes und Überraschendes bleibt laut Herbst im Gedächtnis hängen. So wie die Geschichte von einem Vater, der seiner Tochter zuliebe das gesamte Haus schwarz anstreicht.

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