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Limburg: Veganer Wahnsinn rund ums Rathaus

Limburg

Veganer Wahnsinn rund ums Rathaus

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    Sieben Mal am Tag erklingt das Glockenspiel im Rathausturm der Stadt Limburg. Das alte Kinderlied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ ist momentan jedoch nicht mehr zu hören.
    Sieben Mal am Tag erklingt das Glockenspiel im Rathausturm der Stadt Limburg. Das alte Kinderlied „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ ist momentan jedoch nicht mehr zu hören. Foto: Thomas Frey, dpa

    Die Stimme am anderen Ende der Leitung klingt etwas genervt. „Ich rufe zurück“, sagt Johannes Laubach. Seit dem Wochenende klingelt sein Telefon ununterbrochen. Fernsehen, Radio, Printmedien aus dem In- und Ausland – alle wollen den Pressesprecher der Stadt Limburg sprechen. Doch nicht etwa wegen der Kinderporno-Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter der Diözese. Nein, der Fokus der Öffentlichkeit liegt auf dem Gebimmel der Glocken des Rathauses.

    Vor Kurzem also, erklärt Laubach, habe sich eine Veganerin über das Glockenspiel des Rathausturms beschwert. Das spielte unter anderem die Melodie des Kinderlied-Klassikers „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“. Doch nicht der Gans-diebstahl war es, der die Veganerin ärgerte. Sie störte sich an der Liedzeile: „Sonst wird dich der Jäger holen, mit dem Schießgewehr.“ Diese Worte freilich sind in Limburg gar nicht zu hören. Was die erste Zutat einer herrlichen Posse ist.

    Die zweite Zutat: Die Frau schrieb Mario Hahn (SPD), dem Bürgermeister der Stadt, eine Mail mit der Bitte, das Kinderlied aus dem Jahr 1824 aus dem Repertoire zu nehmen. Und seitdem spielt das Glockenspiel das Lied vom Fuchs, dem Jäger und der Gans auch nicht mehr. Die Folge: Ein Sturm der Entrüstung fegt mittels der sozialen Netzwerke über die hessische Stadt.

    Kann Glockenläuten vegan sein?

    Eigentlich gibt es ja kaum ein Standard-Produkt mehr ohne veganes Pendant dazu. Im Supermarkt findet sich veganer Käse neben fleischlosen Grillwürsten, Veggie-Schinken neben Sojaschnitzel. Es gibt vegane Handtaschen, Pullover oder Schuhe. Aber Musik? Nicht nur mancher Fleischesser versteht da keinen Spaß mehr. „Geht’s noch? Eine Minderheit zwingt der Mehrheit ihren Willen auf“, lautet etwa der Kommentar eines Mannes auf Facebook, der für eine ganze Reihe gleichlautender Kommentare steht. Hinzu kommen wüste Beschimpfungen.

    „Die Reaktionen sind vollkommen überzogen“, sagt Johannes Laubach. Die Mails, die sich in seinem Postfach sammeln, seien voll mit Beleidigungen und Hass. „Einige fordern sogar den Rücktritt unseres Bürgermeisters“, sagt Laubach. Damit habe die Stadt nicht gerechnet: „Wir haben von Anfang an versucht, dem Ganzen eine humoristische Note zu geben.“ Was offensichtlich misslang.

    Nachdem sich die Veganerin, die in der Nähe des Rathausturms arbeitet, über das Lied beschwert hatte, verarbeitete jedenfalls Bürgermeister Hahn die Anregung der Limburgerin zunächst in Form einer Büttenrede: „Der Hahn, der ist nicht vegan und sagt ganz unverhohlen: Der Fuchs hat die Gans gestohlen.“ Erst danach habe der Bürgermeister entschieden, das alte Kinderlied aus dem Programm zu nehmen, betont Laubach: „Es war als nette Geste gemeint.“

    Wie es nun weitergeht? Keineswegs habe Hahn vorgehabt, das umstrittene Lied dauerhaft zu streichen, sagt sein Sprecher, und erklärt: Das Lied sei eines von 33 Stücken, die im Wechsel aus der Turmuhr klingen. Sieben davon werden in Limburg täglich gespielt – etwa eine Minute lang, ohne Text. Im Repertoire finden sich Weihnachts- und Volkslieder sowie Nationalhymnen, die bei hohem Besuch aus dem Ausland erklingen. „Ansonsten sind unsere Hausmeister für die Wahl der Lieder verantwortlich“, sagt Laubach. Welche Lieder gespielt werden, entscheiden die vier Angestellten der Stadt „aus dem Bauch heraus“.

    Nächste Woche gibt es wieder „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“

    Während die meisten der Kommentatoren im Internet nur Häme und Spott für den Vorfall übrig hatten, äußerte die Tierrechtsorganisation Peta vollstes Verständnis für die Bitte der Veganerin: „Wir können das Anliegen der Anwohnerin nachvollziehen und bitten den Bürgermeister, das Lied dauerhaft aus dem Programm zu nehmen“, heißt es in einer Pressemitteilung. Altertümliche Lieder wie dieses oder auch Märchen wie Rotkäppchen und der böse Wolf seien „leider noch immer weit verbreitet und senden vor allem an Kinder ein falsches Zeichen“.

    Der Forderung, das Lied dauerhaft aus dem Programm zu nehmen, werde die Stadt nicht nachkommen, sagt Laubach. „Beim nächsten Turnuswechsel in den kommenden Wochen wird auch dieses Lied wieder gespielt werden.“ Er hoffe, dass sich die Lage im beschaulichen Limbach schnell wieder beruhige. Er spricht von einer „Lose-lose-lose“-Situation für die Stadt, den Bürgermeister und auch für die Veganerin. Jeder habe verloren.

    „Auf Minderheiten wird immer gerne raufgehauen“, sagt Laubach dann noch. Es sei leicht, sich über die Veganerin lustig zu machen. Hätte sich ein anderer Bürger der Stadt aus „welchen Gründen auch immer“ mit einer ähnlichen Bitte an die Stadt gewandt, wären die Reaktionen wahrscheinlich positiver ausgefallen. In der momentanen Diskussion hingegen, gehe es den allermeisten Kritikern längst nicht mehr um die Melodie des Glockenspiels.

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