Mohamed Merah hat sieben Menschen in Frankreich erschossen. Bei einem über 30 Stunden langen Einsatz der Polizei wurde der 23 Jahre alte Attentäter mit einem Kopfschuss getötet. Nun will der Vater Mohamed Merahs Frankreich verklagen. Schließlich habe Frankreich seinen Sohn getötet - so sieht es der Vater des Serienmörders. Er kritisierte, dass die Sicherheitsbehörden seinen Sohn lebendig hätten fassen müssen. Zudem kündigte der Vater an, dass Mohamed Merah in Algerien bestatten werden solle.
Als einziger möglicher Mitwisser gilt bislang Merahs Bruder Abdelkader. Gegen ihn leitete die Justiz am Sonntagabend ein Anklageverfahren. Abdelkader Merah verurteile die Taten zutiefst und hoffe, "nicht zum Sündenbock für das zu werden, was sein Bruder getan hat", sagte Pflichtverteidigerin Anne-Sophie Laguens am Sonntagabend nach der Ausstellung des Haftbefehls.
Mord-Videos mit Musik und Koran-Versen unterlegt
Der 23 Jahre alte Mohamed Merah hatte bei drei Attentaten insgesamt sieben Menschen erschossen, darunter drei Kinder und einen Lehrer vor einer jüdischen Schule. Merah hatte seine Taten auch gefilmt. Die französische Polizei ist nun in den Besitz von Videoaufzeichnungen der tödlichen Anschläge des Serien-Attentäters gelangt. Der arabische Fernsehsender Al-Dschasira habe den Behörden Kopien der Videos zukommen lassen, hieß es am Montag aus Polizeikreisen in Paris. Den Angaben zufolge zeigen die Aufnahmen einen Zusammenschnitt mehrerer Morde des 23-jährigen Attentäters. Demnach ist das Video mit Musik unterlegt und mit Versen aus dem Koran besprochen.
Die Geschichte des Mohamed Merah
Die beiden Brüder und ihre Geschwister wuchsen bei der alleinerziehenden Mutter im südfranzösischen Toulouse auf, die völlig überfordert gewesen sein soll. Nachdem der Vater die Familie verlassen hatte, wurde Abdelkader nach und nach zu einem Art Familienoberhaupt. Den Ermittlern zufolge "spielte er eine wichtige Rolle" bei der Radikalisierung seines Bruders, der nach einer Serie von Delikten wie Diebstahl zwischen 2007 und 2009 im Gefängnis saß. Dort habe ihn Abdelkader regelmäßig besucht.
Radikalisierung begann im Gefängnis
Serienkiller hinterlässt blutige Spur in Südfrankreich
11. März: Ein Unbekannter auf einem Motorroller tötet in Toulouse einen Soldaten mit einem Kopfschuss. Das 30 Jahre alte Opfer mit nordafrikanischen Wurzeln saß nach Medienberichten in Zivilkleidung auf seinem privaten Motorrad. Der Täter soll mit ihm per E-Mail einen Treffpunkt vereinbart haben, angeblich um das Motorrad zu kaufen.
15. März: Im südwestfranzösischen Ort Montauban werden zwei Soldaten vor einem Geldautomaten erschossen. Ein dritter wird schwer verletzt. Zwei haben Wurzeln in Nordafrika, der dritte stammt aus der Karibik. Die Soldaten waren unbewaffnet. Überwachungskameras zeigen einen schwarz gekleideten Motorroller-Fahrer, der einen Helm mit getöntem Visier trägt.
19. März: Vor einer jüdischen Schule in Toulouse werden ein 30-jähriger Lehrer und Rabbiner, dessen zwei Söhne sowie ein Mädchen erschossen. Augenzeugen berichten, der Täter habe mit einer Minikamera gefilmt und sei auf einem Motorroller geflohen. Die Regierung ruft die höchste Terror-Alarmstufe für die Region aus
20. März: In einer Schweigeminute wird an allen französischen Schulen der Opfer gedacht. Die französische Justiz stuft die Anschläge als Terrorakte ein. Am Abend werden die Leichen der drei Schüler und des Lehrers nach Israel geflogen.
21. März: In Toulouse stellt die Polizei einen 24-jährigen Verdächtigen, der sich in einem Mehrfamilienhaus verschanzt und um sich schießt. Er sei der Täter, sagt Innenminister Claude Guéant.
In Jerusalem werden die getöteten Kinder und ihr Lehrer beerdigt. Auf einem Militärstützpunkt in Montauban war am Nachmittag eine Trauerfeier für die drei ermordeten Soldaten geplant, an der auch Präsident Nicolas Sarkozy teilnehmen wollte.
Im Gefängnis soll laut Staatsanwaltschaft die islamistische Radikalisierung des jungen Mohamed begonnen haben. Laut einem früheren Mitinsassen brachte Abdelkader seinem Bruder CDs mit - "mit islamischen Liedern, dem Geräusch von Explosionen, er hörte das bei voller Lautstärke von früh bis spät". Von durchgeschnittenen Kehlen und korrupten Ungläubigen, die in der Hölle enden würden, sei darauf die Rede gewesen.
Abdelkader führte ein unauffälliges Leben in seinem kleinen Haus im Städtchen Auterive rund 40 Kilometer südlich von Toulouse. Seine Frau, mit der er seit 2006 nach islamischen Recht verheiratet ist, nicht aber vor dem französischen Standesamt getraut wurde, trägt das religiöse Kopftuch. Er selbst "war europäisch gekleidet", erzählt Nachbarin Hélène Provenzano. In seinem Sportverein war er häufig im Trikot von Olympique Marseille zu sehen.
Früher soll Abdelkader aber sehr wohl in der traditionellen, nordafrikanischen Tunika unterwegs gewesen sein. Doch nach dem 2007 aufgenommenen Ermittlungsverfahren zur Rekrutierung von Irak-Kämpfern, in dem auch sein Name auftauchte, legte er laut Lokalpresse die äußeren Zeichen seines islamischen Glaubens ab. Abdelkader soll zusammen mit einem Hauptbeschuldigten des Falles nach Ägypten gereist sein. Acht Männer wurden schließlich 2009 zu Gefängnisstrafen verurteilt, Abdelkader kam ungeschoren davon.
Die Gruppe hatte Verbindungen zu einem Franzosen syrischer Abstammung, der in der kleinen Gemeinde Artigat in Südwestfrankreich lebt. Olivier Corel, der auch "der Scheich" genannt wird, empfängt dort junge Leute aus Toulouse, um mit ihnen über den Islam zu sprechen. Den Geheimdiensten ist der 65-Jährige als Salafist bekannt. Anfang 2012 kam auch Abdelkader nach Artigat, zusammen hätten sie Koran-Verse rezitiert, sagte Corel der Nachrichtenagentur AFP.
Klar ist laut Ermittlern, dass Abdelkader schon lange "Salafist und überzeugter Fundamentalist" ist. In der Moschee von Bellefontaine in Toulouse, in der die Brüder häufiger zusammen gewesen sein sollen, erinnern sich die Imame allerdings nicht an die beiden.