Verständigungsprobleme auf der Brücke, Verstöße gegen Sicherheitsnormen und ein schlechtes Krisenmanagement: Das scheinen zusammenfassend die Hauptprobleme beim Untergang des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia gewesen zu sein. So zumindest ist es aus dem Gutachten zu lesen, um das es jetzt in der Anhörung geht. Es wurde in Teilen schon vorab bekannt und listet auch Leichtsinn und eine ungenügend vorbereitete Schiffsmannschaft als Mängel auf. Dafür wäre nicht nur der Kapitän Francesco Schettino (52) verantwortlich, sondern auch die Reederei.
Passagiere nicht gut auf Schettino zu sprechen
Diese versucht jedoch die alleinige Schuld dem 52-Jährigen zuzuschieben, der sich nach dem Unglück aus Sicht mancher Überlebender nicht gerade vorbildlich verhalten hatte. "Er hat zweifellos Anteil an der Schuld, er hätte den Kurs des Schiffes nicht verändern dürfen." Mit diesen Worten empörte sich ein überlebendes römisches Ehepaar darüber, dass sich der Ex-Kapitän in den Monaten danach eher frech und nicht demütig genug geäußert habe. Das Bild des braun gebrannten Italieners hinterließ nicht nur bei diesen Passagieren einen negativen Eindruck. Sein Verhalten machte weltweit Schlagzeilen. Schettino hatte den dramatischen Schiffbruch der "Costa Concordia" am Abend des 13. Januar erst heruntergespielt und hatte das Schiff dann noch während der Evakuierung verlassen.
Ort der Beweisaufnahme abgesperrt
Das moderne Theater der toskanischen Provinzhauptstadt, Schauplatz der ersten großen Beweisaufnahme neun Monate nach dem Schiffbruch, war weiträumig als "rote Zone" abgesperrt. Mitten im starken Andrang der Medien sollte niemand sich einschleichen können. Die Gutachter sollten hinter verschlossenen Türen offen reden können. Die Hotels rund um den abgesperrten Sicherheitsbereich waren derweil ausgebucht.
Zum offiziellen Beginn der Beweisaufnahme in Grosseto kam Schettino durch einen Nebeneingang, lange vor dem offiziellen Beginn. In einem dunklen Anzug und mit Schlips nahm der Unglückskapitän bei seinen Anwälten Platz. "Ich will mich offen zeigen", hatte er kurz vor der Anreise aus dem Neapolitanischen zu diesem Justiztermin gesagt. Es geht dabei vor allem um die gespeicherten Daten, die erklären sollen, was sich bei der Havarie seines Kreuzfahrtschiffes abgespielt hat, und um das erwähnte Gutachten.
Hunderte Anwälte in Grosseto
Der Beweissicherungstermin, eine wichtige Ermittlungsetappe, zieht Hunderte von Anwälten, Gutachtern und Vertretern von Zivilklägern über mehrere Tage hinweg in die Stadt. Dabei ist der richtige Prozess, bei dem es um den Tod von 32 Menschen und um ungeheuren Sachschaden geht, doch noch nicht absehbar. Italiens Justiz braucht für derartige Verfahren viel Zeit.
Zunächst galt die Aufmerksamkeit also dem damaligen Kapitän der Genueser Reederei Costa Crociere. Ihm hatten die Medien der Welt im Januar bescheinigt, alles andere als eine "bella figura" - eine gute Figur - gemacht zu haben. Jetzt wollte der Italiener aus Meta di Sorrento südlich von Neapel erstmals einigen Schiffbrüchigen vom Januar ins Auge sehen.
Schettino trifft auf Überlebende
Dazu bot sich ihm sofort die Gelegenheit: Noch vor Beginn des Termins kam ein Passagier der dramatischen Januar-Nacht auf ihn zu. Er schüttelte ihm die Hand und wechselte einige Wort mit ihm, wie die Nachrichtenagentur Ansa aus dem Teatro Moderno di Grosseto erfuhr. "Die Wahrheit muss ermittelt werden", soll er dem Überlebenden gesagt haben. In der Anhörung konzentriert und angespannt, zeigte sich der umstrittene Kapitän in einer Pause locker und lächelnd im Gespräch.
Auch Reederei unter Beschuss
Schifffahrt: Wie ein Ozeanriese gesteuert wird
Für die Führung eines Ozeanriesen in der Größe der «Costa Concordia» sind in der Regel mindestens fünf Nautiker verantwortlich.
Zu diesen erfahrenen Seemännern gehören: Kapitän, Staffkapitän (auch für die Verwaltung der Besatzung zuständig) und drei Wachoffiziere.
Nach Angaben des Präsidenten des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere, Christoph Wand, muss rund um die Uhr mindestens einer von ihnen die Fahrt überwachen.
Das letzte Wort hat stets der Kapitän.
Das Schiff kann auf dem offenen Meer per Autopilot gesteuert werden.
Dazu stellt der Schiffsführer einen bestimmten Kurs ein, der Ozeanriese fährt dann automatisch in die vorgegebene Himmelsrichtung.
Soll das Schiff selbstständig eine vorgegebene Route fahren, kommt Wand zufolge der sogenannte Trackpilot zum Einsatz.
Hilfe bei der Überwachung der Position gibt das Satelliten-Navigationssystem GPS. Das Radar zeigt aus dem Wasser ragende Felsen und bewegliche Hindernisse wie Schiffe oder Eisberge an.
Daneben sind elektronische Seekarten sowie Geräte zur Messung der Wassertiefe, Geschwindigkeit und des Windes wichtig.
Die Messinstrumente müssen ständig beobachtet werden. Auch der Blick in die Umgebung ist immer wieder notwendig.
Die Technik hilft lediglich zu erkennen, ob sich etwa ein anderes Fahrzeug nähert.
Um die Route zu ändern, sind Menschen nötig. Im Hafen werden Schiffe in der Regel manuell gesteuert.
Das 270 Seiten dicke Gutachten von vier Fachleuten weist auf einen Strauß von Mängeln auf dem Schiff hin, die beileibe nicht nur den Kapitän betreffen, auch wenn der eine schlechte Figur gemacht hatte. Von anderen Passagieren und Anwälten wird aber auch die Reederei genannt, wenn es darum geht, wer mitverantwortlich sein könnte. Immerhin ist in dem Gutachten von Schlamperei, Mängeln und Sprachverwirrung an Bord der "Costa" die Rede.
Setzt die Großveranstaltung in dieser Woche neue Akzente, gibt es neue Erkenntnisse über den Hergang? Der leitende Staatsanwalt Francesco Verusio möchte die Ermittlungen jedenfalls gerne bis zum Jahresende abschließen.
Damit wäre ein Prozess um das Desaster vor Giglio schon im Jahr 2013 möglich - mit bis zu neun oder zehn Angeklagten von der Leitung des Kreuzfahrtschiffes und der italienischen Reederei. Es ist auch das Jahr, in dem das 290-Meter-Wrack vom Unglücksort vor der Insel abtransportiert sein soll. dpa/AZ