Dicksein allein macht nicht krank. Doch Übergewicht ist ein eindeutiger Risikofaktor, der das deutsche Gesundheitssystem teuer zu stehen kommt: 34 Milliarden Euro kosten Folgeerkrankungen jährlich, schätzt ein Experte.
Professor Günter Neubauer ist Direktor am Institur für Gesundheitsökonomik in München. Er ist so etwas wie der Mann der Zahlen, was den Gesundheitssektor betrifft. Neubauer schätzt, auf der Grundlage von Summen, die das Robert Koch Institut in den Jahren 2003/2004 erhoben hat, dass "von den gesamten Gesundheitskosten mindestens zehn Prozent" auf das Konto von Folgekrankheiten durch Übergewicht gehen. Konkret heißt das: Dicksein kostet das Gesundheitssystem jährlich rund 34 Milliarden Euro.
Diabetes, Bluthochdruck und Darmkrebs können die Folgen sein
"Dicksein an sich macht nicht krank", betont der Volkswirtschaftler, "aber es ist ein eindeutiger Risikofaktor." Demnach können Diabetes, Bluthochdruck, Gelenkprobleme, Stoffwechselerkrankungen und selbst Darmkrebs mit Übergewicht in Verbindung gebracht werden.
Das Ergebnis: Die Arbeitsunfähigkeit steigt. Kein Arzt schreibe auf die Arbeitsunfähigkeitserklärung "Hüfte kaputt wegen Übergewicht", sagt Neubauer. Es ist das ewige Problem, dass sich aus der medizinischen Diagnose nicht die Ursache ableiten lässt.
Die ewige Frage, ob Dicke höhere Beiträge zahlen sollen
Deshalb fällt es dem Experten auch schwer, Handlungsanweisungen zu geben. Schon oft wurde die Frage gestellt, ob dicke Menschen höhere Versicherungsbeiträge zahlen sollten. Es gebe sogar Vorschläge, berichtet Neubauer, laut denen sich Betroffene vierteljährlich bei ihrem Apotheker auf die Waage stellen müssten. Doch das sei "praktisch schlicht unmöglich".
Dass dieses Thema immer wieder aufkocht, ohne dass es Ergebnisse gibt, hält Neubauer auch für ein Problem der Politik: "Die Politiker, die über solche Themen entscheiden müssten, waren selbst übergewichtig. Denken Sie nur an Helmut Kohl, oder Franz Josef Strauss." In deren Ären sei Dicksein Tabuthema gewesen.
Außerdem müssen sich alle, die sich über die Kosten beschweren, die dicke Menschen verursachen, auch an ihre eigene Nase fassen. An die Frage nach höheren Beiträgen von Übergewichtigen schließt sich im Handumdrehen die gleiche Frage für Raucher, regelmäßige Trinker und Extremsportler an. "Die Bürokratie und der Eingriff in die Freiheitsrechte ist größer, als der Nutzen", sagt Neubauer.
Deshalb plädiert der Ökonom für Aufklärung und zwar speziell dort, wo mehrere Menschen gemeinsam Essen, wie beispielsweise in Schulen oder Kantinen. "Man sollte übergewichtige Menschen ansprechen", rät Neubauer. Und er gibt zu bedenken, dass fünf Prozent der Deutschen krankhaft dick sind.
Übergewicht fängt übrigens ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 an, eine Behandlung wird ab einem BMI von 30 notwendig. Der BMI errechnet sich aus dem Körpergewicht multipliziert mit der Körpergröße in Metern zum Quadrat.
Hier zeigt sich auch der Irrsinn im Gesundheitssystem: Wer einen BMI über 30 hat, dem bezahlt die Krankenkasse beispielsweise eine Magenverkleinerung. Es ist das Prinzip Nachsorge statt Vorsorge. Von