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Game of Thrones: "Tour of Thrones": Fans besuchen Drehorte der Fantasy-Serie in Nordirland

Game of Thrones

"Tour of Thrones": Fans besuchen Drehorte der Fantasy-Serie in Nordirland

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    In Nordirland tauchen Fantouristen in die Welt von der Serie "Game of Thrones" ein: Eine Scheinhinrichtung auf Burg Winterfell.
    In Nordirland tauchen Fantouristen in die Welt von der Serie "Game of Thrones" ein: Eine Scheinhinrichtung auf Burg Winterfell. Foto: Benjamin Reif

    Nach ein paar Sekunden fangen die Hartgesotteneren der Gruppe an, makabre Witze zu machen. Das sei ja ein passender Start zu einer Tour zu den Schauplätzen von Game of Thrones (GOT). Ein gutes Dutzend Fans der Serie steht auf einem Rastplatz zwischen Dublin und Belfast herum und betrachtet einen toten Raben, der an einem Metallzaun aufgespießt ist. Ein paar Meter weiter verläuft eine Hochspannungsleitung, vermutlich starb das Tier durch einen Stromschlag. Der Anblick ist doppelt gruselig, da Raben in der Serie eine wichtige Rolle spielen. Sie sagen in Visionen einer Hauptfigur die Zukunft voraus. Und überbringen Botschaften. Einer der Fans hat ein T-Shirt dabei mit der Aufschrift: „Send a raven“. Dee, die Leiterin der Tour, ist ein wenig bleich und muss schlucken.

    Alle 16 Reisende wollen von ihr die Drehorte von Game of Thrones gezeigt bekommen. Von Belfast aus wird es die Küste entlanggehen, zu Burgen, malerischen Dörfern und viel Natur. Die Serie basiert auf den Büchern des US-amerikanischen Autors George R.R. Martin. Sie behandelt eine äußerst komplexe Fantasywelt, auf der die vielen und vielschichtigen Charaktere auf den Kontinenten Westeros und Essos intrigieren, verhandeln und morden. Gemordet wird viel, besonders in Westeros. Und das Westeros aus der Serie ist hier – in Nordirland.

    Fans besuchen Drehorte von Erfolgsserie "Game of Thrones"

    Der kleine Reisebus, über und über mit Logos und Aufklebern von bekannten Gesichtern der Serie geschmückt, setzt sich wieder in Bewegung. Dee, eine resolute kleine Frau um die 50, ist ein Hardcore-Fan von Game of Thrones. Sie hat eine nachgemachte Anstecknadel aus der Serie an ihrer Jacke. Und auf ihrem Tablet befindet sich alles, was es über GOT zu wissen oder an Videoclips zu sehen gibt. Darauf legt Dee Wert, niemand ist besser über die Serie informiert als sie. Sie kennt jeden Nebendarsteller, jedes triviale Detail, und natürlich jeden Drehort – und natürlich weiß sie auch, was die Serie für ihr Land bedeutet. „Jeder hier in Nordirland schaut GOT. Jeder“, sagt sie mit Nachdruck und nickt. Viele Einheimische hätten auch eine Statistenrolle in der Verfilmung bekommen. Manche in der Gruppe schauen ein bisschen neidisch. Die meisten im Bus sind zwischen 30 und 40 Jahre alt, zu gleichen Teilen Männer und Frauen, viele vom Typ her tendenziell Nerd. Die Unterhaltungen drehen sich neben Game of Thrones vor allem um den kommenden Star-Wars-Film, obskure Underground-Bands und Comics.

    Die Begeisterung für Game of Thrones würde in Nordirland zuweilen skurrile Blüten treiben, erzählt Dee. Die Lehrer hier hätten die Serie sogar als Druckmittel gegenüber ihren Schülern entdeckt. Wenn eine Klasse nicht spurt, wird verraten, wer als Nächstes in der Serie stirbt. Das ist deren primäres Stilmittel, um für Spannung zu sorgen. Gestorben wird viel, auch Hauptcharaktere verschwinden zuweilen völlig unvermittelt. Ähnlich wie Neuseeland in der Folge von „Herr der Ringe“, der in dem abgelegenen Inselstaat gedreht wurde, erlebt Nordirland gerade das Phänomen der „Set-Jetter“ – Fans, die ausschließlich ins Land reisen, um die Drehorte der teuren Erfolgsserie zu besichtigen. Eine Folge kostet im Schnitt rund sechs Millionen Dollar. Nordirland lockte die Produktionsfirma auch mit großzügigen Steuererleichterungen ins Land.

    Während der Bus sich dem Hotel in Belfast nähert, sieht man vor dem Fenster, was der blutige Bürgerkrieg hinterlassen hat: politische Graffitis, martialische Wahlplakate der radikalen Partei Sinn Fein, das klotzige Europa-Hotel. Auf kein Gebäude der Welt wurden mehr Bombenanschläge verübt, heute wirkt es wie zum Trotz besonders herausgeputzt. Dee erzählt ein paar düstere Anekdoten aus dem „Conflict“, sie hat ihn miterlebt – die Bombenanschläge, die Morde, die Propaganda, die Entführungen. Damals, in den 1970ern und 80ern. Mittlerweile hat die Gewalt zwischen Protestanten und Katholiken in Nordirland fast ganz aufgehört. Vielleicht, sinniert Dee, treffe eine so blutrünstige Serie wie GOT, in der im Schnitt pro Episode 13 Menschen auf teils grauenvolle Weise zu Tode kommen, auf eine besondere Art den Nerv ihres Volkes. Quasi als gesellschaftliche Traumabewältigung.

    Frühmorgens geht es los zum ersten Drehort, raus aus Belfast, rein in eine bemerkenswert dichte Nebelsuppe. Vermutlich geht es über eine hügelige Landschaft, noch kann man das nur am Auf und Ab des Busses und nicht am Blick aus dem Fenster ausmachen. In Nordirland haben die Einheimischen ein recht eigenwilliges Verhältnis zum Wetter: „Zwei Tage Sonnenschein gelten hier als Hitzewelle“, sagt Dee und grinst. Nach einer guten Stunde Fahrt kurvt der Bus unvermittelt auf einen Parkplatz, irgendwo zwischen den Dörfern Larne und Glenarm. Dee klatscht in die Hände und scheucht die schläfrigen Fans ins Freie, wo der Busfahrer bereits dabei ist, lebensgroße Pappaufsteller in die Gegend zu stellen. Das solle dazu dienen, sich in die Fantasywelt zu versetzen.

    Die Nachfrage nach Serienutensilien ist groß

    Die Produktionsfirma HBO wählte Nordirland als Drehort für „Den Norden“ des Kontinents Westeros. In der Serie geht es hier ruppig zu, es wird an einer Tour verraten, gemeuchelt und sogar gegen Zombies gekämpft. In der Serie wirken die nebelverhangenen Hügellandschaften Nordirlands besonders trostlos – oder, um es positiv auszudrücken, mystisch. Hier an diesem Ort wurde eine Szene gedreht, in der ein ungehorsamer Wachsoldat geköpft wird. Die Reisegruppe steht rauchend und Dosenkaffee trinkend um Aufsteller der Serienfiguren Tirion Lannister und Arya Stark herum, ein paar machen Selfies mit den Papp-Stars. Alles unter den Blicken einer Schafherde, die auf einem Hügel grast. Der Ausblick ist besser geworden, man sieht über grüne Hügel bis zum Meer, das ein paar Kilometer entfernt an das zerklüftete Ufer schwappt.

    „Wirkt schon sehr episch, diese Landschaft“, konstatiert ein Österreicher und schnippt seine Zigarette weg. Unter seiner grellroten Regenjacke wölbt sich ein Bierbauch. Man kann sich zwar wenige in mittelalterlicher Kampfmontur vorstellen, doch gedanklich scheinen einige der Gruppenmitglieder durchaus in ferne Fantasywelten abzudriften. Seite an Seite mit dem Helden Jon Snow gegen die untoten Horden oder etwas in dieser Art. Die Realität hat heute aber nur die Schafe zu bieten. Einige gehen zu den Tieren und streicheln sie. In Glenarm angekommen, darf nun auch Joffreys Pappaufsteller aus dem Kofferraum. Für Nicht-Kenner der Serie: König Joffrey ist die wahrscheinlich unsympathischste Figur der Bewegtbild-Geschichte, ein psychopathischer Halbstarker, der mit Wonne dem Hobby „grundlose Schikane“ frönt. Trotz mäßigem Werbeeffekt wird nun also Papp-Joffrey vor den Schmuckladen in Glenarm gestellt, der originalgetreue Nachbildungen sämtlicher in GOT verwendeter Schmuckstücke im Angebot hat.

    Die Gruppe stöbert ein wenig im Laden, begutachtet die Anstecknadeln, Amulette und Ringe. Die Stücke sind verschnörkelt, viele mit Edelsteinen besetzt und ziemlich teuer. Die Verkäuferin legt derweil los, die Macher von GOT zu preisen: Was der Schmuckmacher nun für Umsätze mache! Und wie viele Menschen jetzt in ihr verschlafenes Heimatdorf Glenarm kommen würden! Das Dorf ist zwar hübsch, hat ansonsten aber tatsächlich nicht viel Spektakuläres zu bieten. Zwei Deutsche können mit Schmuck nichts anfangen. Sie machen draußen Bilder von einem etwas wirr mit Seefahrerutensilien dekorierten Bootshaus. Die Gruppe verlässt den Juwelier, keiner hat etwas gekauft. Dee wirkt nervös, so richtig scheint der Funke der Begeisterung noch nicht auf die Fans übergesprungen zu sein. Mit lauter Stimme verkündet sie: „Morgen geht es nach Winterfell. Dann werden wir sehen, wer in der Serie überlebt hätte und wer nicht.“

    Serie "Game of Thrones" trift den Nerv der Nordiren

    Das südlich von Belfast gelegene Castle Ward ist tatsächlich das, was sich Fantasy-Begeisterte unter einer perfekten Burg vorstellen würden. Majestätisch auf einem Hügel gelegen, umringt von idyllischen Wäldern und Gartenanlagen. Das Schloss selbst ist mächtig und im gotischen Stil erbaut, in der Serie dient es als die Burg Winterfell. Hier haben die Sympathieträger der Serie ihren Familiensitz – die Starks. Die Gruppe wird von einem mittelalten und mittelalterlich gekleideten Herrn empfangen, der zunächst ein wenig mit seinem Schwert herumfuchtelt und die Gruppe dann zur Garderobe bugsiert. „Selbstverständlich gibt es hier einen Dresscode“, verkündet er. Heißt: Jeder holt sich ein Wams und einen Umhang („Originalrequisiten“), dann geht es zum Mittagessen. Ins Tipi.

    Der Stilbruch scheint niemand zu stören, ein mittelalterliches Mahl wird verzehrt, dann wird zum Bogenschießen angetreten. Am selben Platz, an dem in der Serie die kleine Arya Pfeile in eine Zielscheibe sausen lässt, dürfen ihr die Fans nun nacheifern. Es kommt zu einem verbissenen Wettkampf. Nachdem alle der Reihe nach viele Pfeile versenkt haben, pickt sich der Burgherr noch ein paar der Gruppenmitglieder heraus. Zwei sollen seine Henkersgehilfen werden, der dritte, ein schmächtiger Belgier japanischer Abstammung, solle jetzt bitte geköpft werden. So schlechtes Bogenschießen könne ja nur derart drastisch geahndet werden, sagt der Burgherr. Das makabere Spektakel wird zelebriert, der „Verurteilte“ stößt Bitten um Gnade und Schmerzensschreie aus. Dafür gibt es von den Fans Applaus. Eine GOT-gerechte Hinrichtung.

    Danach geht es in der Abenddämmerung zurück ins Hotel. Während die meisten die Fotos auf ihren Mobilgeräten durchschauen, zieht zur Rechten ein mächtiger Weißdorn-Busch vorbei. Dee lenkt die Aufmerksamkeit der Gruppe auf den Baum. Das sei ein „Fairytree“, ein Feenbaum. Als ihr ratlose Gesichter entgegenschauen, erklärt sie: „In diesen Bäumen leben der irischen Legende nach Feen. Diese Bäume werden niemals gefällt. Das bringt großes Unglück.“ Als einige anfangen, verhalten zu lachen, verzieht Dee keine Miene. Manche Dinge würden sie hier in Nordirland sehr ernst nehmen. Vermutlich hat Game of Thrones wirklich den Nerv der Nordiren getroffen. Auf mehreren Ebenen.

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