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RTL-Sendung "Team Wallraff": Team Wallraff im Pflegeheim: Betrug, Vertuschung, zu wenig Zeit

RTL-Sendung "Team Wallraff"

Team Wallraff im Pflegeheim: Betrug, Vertuschung, zu wenig Zeit

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    Enthüllungsjournalist Günter Wallraff hat sich den Pflegesektor vorgenommen.
    Enthüllungsjournalist Günter Wallraff hat sich den Pflegesektor vorgenommen. Foto: Caroline Seidel, dpa

    Es ist keine Neuheit, dass es im deutschen Pflegesektor viele Probleme gibt. "Team Wallraff" hatte sich in seiner neuesten Folge aber vorgenommen, die Menschen vor dem Fernseher erneut aufzuklären. Dabei agierten Wallraff und Schützling Osterhaus teilweise undercover.

    Im typischen dramatischen Dokumentationsstil mit teilweise wackelnden und verschwommenen Kamerabildern inszenierte Enthüllungsreporter Günter Wallraff, wo es im deutschen Pflegesystem hapert. Dabei kommen nicht nur Pflegeheime, sondern auch ambulante Pflegedienste schlecht davon. Betrug und Vertuschung scheinen aber sowohl beim Heim, als auch beim ambulanten Dienst nicht unüblich zu sein.

    Erschreckende Szenen in Pflegeheimen

    Pia Osterhaus gab sich als Praktikantin aus. In zwei Seniorenheimen bekam sie teilweise Aufgaben, denen sie nicht gewachsen war. Doch nicht nur die fehlende Einweisung und der teilweise unzumutbare Geruch nach Fäkalien erschweren ihr das angebliche Praktikum. Auch der Umgang ihrer Kollegen mit den Bewohnern der Heime erschreckt sie.

    Vor allem an Zeit mangelt es in den Pflegeheimen. Auch das ist keine große Neuheit, schließlich haben in den letzten Monaten sowohl Pfleger als auch die Bewohner von Seniorenheimen und deren Verwandte den Fachkräftemangel beklagt. Wie sich das auswirkt, wird bei "Team Wallraff" auch gezeigt. So wird eine Seniorin, die sich durch einen Sturz verrenkt hat, gefilmt. Eine andere Heimbewohnerin klagt: Sie sitze bereits seit drei Stunden im durchnässten Bett.

    Zu wenig Personal führt zu wenig Fürsorge und zu einer Behandlung wie am Fließband, stellt Osterhaus fest. Doch sie lobt die Pfleger, die sich trotzdem mit viel Geduld um die Senioren kümmern. Denn die wenigen Fachkräfte leiden selbst unter enormen Stress, sind häufig überfordert. "In diesem System sind alle Opfer", resümiert Osterhaus.

    Betrug mit Hilfe des ambulanten Pflegediensts

    Und Günter Wallraff? Der recherchiert im ambulanten Pflegedienst. Er verkleidet sich und gibt sich als sprachunfähiger russischer Renter aus. Verhandlungen mit Olga, einer Frau vom Pflegedienst, laufen daher über seine angebliche Tochter. Olga und Wallraff verabreden einen Betrug: Sie bringt ihm bei, besonders pflegebedürftig zu wirken. Zittern beim Trinken und wackeliges Laufen am Rollator wollen scheinbar geübt sein.

    Das Leben von Günter Wallraff

    Der Schriftsteller Günter Wallraff wurde am 1. Oktober 1942 in Burscheid (Nordrhein-Westfalen) geboren.

    Zwischen 1963 und 1965 war Wallraff als Arbeiter in Großbetrieben tätig, unter anderem in einem Stahlwerk von Thyssen. Er konnte seine Recherchen unerkannt fortsetzen, indem er stets eine andere Identität annahm.

    So erschienen 1969 „13 unerwünschte Reportagen“, für die er beispielsweise in die Rolle eines Alkoholikers in einer psychiatrischen Klinik, eines Obdachlosen oder eines Studenten auf Zimmersuche schlüpfte.

    1977 arbeitete Wallraff dreieinhalb Monate lang als Redakteur bei der „Bild“-Zeitung in Hannover.

    In dem Bestseller „Der Aufmacher. Der Mann, der bei ,Bild‘ Hans Esser war“, schilderte er seine Erfahrungen in der Lokalredaktion und wies der Zeitung schwere journalistische Versäumnisse nach.

    1979 erschien das Buch „Zeugen der Anklage. Die ,Bild‘-Beschreibung wird fortgesetzt“.

    Ab 1983 arbeitete Wallraff zwei Jahre lang als türkischer Gastarbeiter „Ali“ bei verschiedenen Unternehmen, unter anderem bei McDonald’s und Thyssen.

    Außerdem nahm er an klinischen Studien im Bereich der Pharmaforschung teil. Seine als äußerst negativ empfundenen Erfahrungen, vom Umgangston gegenüber Gastarbeitern bis hin zur Verletzung von Arbeitsschutzregeln, beschrieb er in dem Buch „Ganz unten“. (dmai)

    Als eine Frau vom Sozialamt kommt, um Renter Wallraffs Lage zu begutachten, zieht der Pflegedienst alle Register und kann einen hohen Pflegezuschuss ergattern. Wallraff sucht nach dem Vorfall die Gutachterin aus dem Sozialamt auf und weiht sie ein. Sie ist nicht überrascht: Man habe schon vermutet, dass manche ambulanten Dienste so arbeiten. Nachweisbar sei das für sie aber nicht, daher müsse das Amt meist zahlen.

    Wie kann die Pflege verbessert werden?

    Der Berliner Bezirksbürgermeister Stephan van Dassel findet: "Das lukrativste Verbrechen, das man sich derzeit in Deutschland vorstellen kann" sei es, dass die ambulanten Pflegedienste mit dieser Form des Betrugs 1.300 bis 1.600 Euro an Pflegezuschüssen organisieren können. Diese würden durch den Steuerzahler finanziert. "Das ist ein Verbrechensmarkt, der völlig risikofrei ist und dabei gewinnbringender als Drogenhandel", so van Dassel.

    Zuschauer von "Team Wallraff" wissen jetzt also, wie schlecht mit pflegebedürftigen Menschen in Deutschland umgegangen wird. Außerdem wurde ihnen gezeigt, wie leicht das Sozialamt um Leistungen betrogen werden kann.

    Was das Publikum der Sendung mit diesem Wissen nun anfangen soll, ist eine andere Frage - schließlich wurde immer wieder wiederholt, wie aussichtslos der Kampf gegen den Betrug sei und wie schlecht die Bedingungen für Fachkräfte im Pflegesektor sind. Da ist es kaum vorstellbar, dass sich nun viele Menschen zu Pflegepersonal ausbilden lassen. Doch nur dadurch könnte die Situation verbessert werden.  sh

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