Luz María konnte die Freudentränen kaum unterdrücken. "Ich möchte am liebsten die ganze Welt umarmen", stammelte die arbeitslose Frau in Madrid vor laufenden Fernsehkameras. Die fünffache Mutter ist eine von Dutzenden ärmerer und notleidender Menschen, die sich den fetten Hauptgewinn der spanischen Weihnachts-Megalotterie teilen dürfen. "El Gordo", der Dicke, wie der Hauptpreis genannt wird, entfiel am Donnerstag auf die Lose mit der Nummer 66 513, die alle von einer einzigen Lottostelle im Madrider Arbeiterviertel Arganzuela im ärmeren Süden der Hauptstadt verkauft wurden.
"El Gordo": Hauptgewinn beträgt vier Millionen Euro
Viele der Gewinner versammelten sich unmittelbar nach der Ziehung vor der Lottostelle, die - nomen est omen - am Paseo de la Esperanza, der "Promenade der Hoffnung", nahe dem Hauptbahnhof Atocha liegt. Fremde fielen sich in die Arme, Sektkorken knallten, es wurden gelacht und geheult, gesungen und getanzt. Man hatte allen Grund dazu: Für ein ganzes Los beträgt der Hauptgewinn vier Millionen Euro. Jede Losnummer wird aber 160 Mal verkauft. Der "Geldregen" über Arganzuela belief sich somit insgesamt auf 640 Millionen Euro - abzüglich knapp 20 Prozent an Steuern.
Tippgemeinschaften für Weihnachtslotterie im ganzen Land
Glück, Pech, Kurioses rund ums Thema Lotto
Beim Lotto gibt es jede Menge Gewinner, Verlierer - und allerhand Kurioses. Ein kleiner Überblick:
Zahlenkombinationen: Der Hang vieler Lottospieler zu besonderen Zahlenkombinationen oder Mustern auf ihren Tippscheinen hat den Spielern in der Vergangenheit zwar manchmal Glück, aber meist eine geringe Ausbeute gebracht.
Weil Tipps mit witzigen Zahlenanordnungen gehäuft vorkommen, teilen sich den Gewinn eben auch mehr Spieler als sonst. Beispiel: 1999 mussten sich die Tipper der Gewinnzahlen 2-3-4-5-6 (fünf Richtige) mit je 194 Euro begnügen. Mehr als 38 000 Tipper hatten diese Zahlenreihe angekreuzt.
Doppelte Gewinner: Anfang April 2015, wurde bekannt, dass ein britisches Ehepaar zum zweiten Mal eine Million Pfund (etwa 1,3 Millionen Euro) bei der National Lottery gewonnen hat. Beim zweiten Gewinn kam zum Geldsegen noch ein Auto dazu. Das Paar kaufte nach dem ersten Gewinn im Juli 2013 weiterhin Lottoscheine. «Ich wusste einfach, dass ich eines Tages noch einmal gewinnen würde», sagte David Long, ein Lkw-Fahrer im Ruhestand.
Geduld: Zwei Brüder aus dem US-Bundesstaat New York gewannen 2006 im Lotto 5 Millionen Dollar - lösten ihren Gewinn aber erst nach sechs Jahren ein. Der Gewinn wurde rund zehn Tage, bevor der Lottoschein ungültig geworden wäre, abgeholt.
Glück mit der Unglückszahl: Freitag der 13. gilt als Unglückstag - für einen Franzosen war jedoch im August 2010 das Gegenteil der Fall: Er gewann am Freitag dem 13. im Lotto und knackte den Jackpot. Kein Witz: darin waren ausgerechnet 13 Millionen Euro.
Riesenlotterie: In Spanien ist die Weihnachtslotterie ein wichtiges Ritual zum Fest. Die «Lotería de Navidad» gilt als die älteste und größte Lotterie der Welt. Verteilt werden Milliardensummen, die ganze Nation hofft auf den Hauptgewinn «El Gordo» (der Dicke).
Pech: Plötzlicher Reichtum kann den Glückspilz auch zum Pechvogel machen. Als prominentester Fall aus Deutschland gilt «Lotto-Lothar». Der Arbeitslose aus Hannover gewann 1994 umgerechnet zwei Millionen Euro. Er kaufte einen Lamborghini und widmete sich dann vor allem Alkohol, Partys und Frauen. Fünf Jahre nach seinem Millionengewinn war er tot. Witwe und Freundin stritten lange ums Erbe.
Pannen: Pannen bei der Ziehung der Glückszahlen sind selten, aber sorgen dann für viel Verunsicherung. Bei der bisher wohl größten Panne in Deutschland rollten beim Mittwochslotto am 3. April 2013 nicht alle Kugeln in die Trommel, zwei hingen fest. Die Zahlen wurden für ungültig erklärt, die Ziehung wiederholt.
Anderer Fall: Am 19. November 2014 ging im ZDF der Beitrag mit den Zahlen der Vorwoche auf den Sender. Nach einer knappen halben Minute wurde die Ausstrahlung gestoppt. Es folgte ein Programmhinweis. In der anschließenden «Heute»-Sendung wurden dann die richtigen Zahlen verbreitet. (dpa)
Luz María hatte zusammen mit ihrer ebenfalls arbeitslosen Mutter Dominga für je 20 Euro drei Zehntellose erworben - die nun einen Gewinn von 1,2 Millionen abwerfen. "Das Geld haben wir uns vom Mund abgespart. Aber jetzt fliegen wir erstmal alle in die Dominikanische Republik, die Familie besuchen", sagte Luz dem Fernsehsender "RTVE". "Wir hatten das bitter nötig", sagte unterdessen eine andere Gewinnerin. Neben ihr feierte eine Rentnerin mit Sonnenbrille, die den zahlreich erschienen Journalisten mit erhobenem Zeigefinger verriet: "Ich habe Diabetes, aber heute gibt es leckeren Eintopf."
Doch nicht nur in Madrid wurde zwei Tage vor Heiligabend vorzeitige Bescherung gefeiert. Die 1812 ins Leben gerufene älteste und auch größte Tombola der Welt, die nicht einmal während des Bürgerkriegs zwischen 1936 und 1939 ausfiel, schüttete diesmal in vielen Regionen Spaniens insgesamt gut 2,3 Milliarden Euro aus. Im Badeort San Pedro de Pinatar in der östlichen Provinz Murcia feierten Gewinner, Angehörige, Freunde und Schaulustige mit einer Riesenpaella. Glücksspiel und Gastronomie passen offenbar zusammen. In Madrid verteilte ein Lottostellenbetreiber etwa Schinken und Oliven.
Es gab viele echte Weihnachtsmärchen, denn "El Gordo" ließ soziale Gerechtigkeit walten. Unter den Gewinnern, die vor den TV-Kameras defilierten, gab es nämlich auffällig viele ärmere Menschen. "Die nicht gezahlten Raten für die Wohnung begleichen", lautete sehr oft die Antwort auf die Frage, was man mit dem Gewinn denn machen wolle.
Obwohl die Chancen, den "Gordo" zu erwischen, bei 1:100 000 liegen, nehmen acht von zehn Spaniern an der "Lotería de Navidad" teil. Dabei sei es "Tausende Male wahrscheinlicher, bei einem Unfall ums Leben zu kommen", als den Hauptpreis zu holen, schrieb die Zeitung "El País" verwundert. Soziologe José Antonio Gómez Yáñez hat aber eine Erklärung: "Es geht um Neidvorbeugung". Niemand wolle der einzige in der Gruppe sein, der bei einem Gewinn nicht dabei ist.
"El Gordo" für Nummer 66 513 geht in Arbeiterviertel Madrids
Im Büro wird man schon mal schief angeguckt und als eine Art Sonderling betrachtet, wenn man sich der Tippgemeinschaft nicht anschließt. Auch Kneipenfreunde, Nachbarn, ganze Familien und sogar ganze Dörfer bezahlen und bangen zusammen. Jeder Teilnehmer gibt im Schnitt 50 bis 60 Euro aus. Die Ziehung der Glückszahlen legt dann das ganze Land lahm. Die vierstündige Zeremonie im Madrider Teatro Real, bei der Schüler des Internats San Ildefonso die gezogenen Nummern und die jeweilige Gewinnhöhe singend vorgetragen, wurde erneut von Millionen live vor den TV-Schirmen verfolgt.
Dieses Mal war es um Punkt 11.57 Uhr soweit: Nach mehreren größeren und kleineren Preisen rutschte endlich die Holzkügelchen mit dem Hauptgewinn aus einer der beiden Trommeln. Erstmals nach 204 Jahren entfiel "El Gordo" dabei auf eine Losnummer mit der Endziffer 13. Die Schülerinnen Lorena (13) und Nicol (11) sangen so laut wie nie, der Saal im Opernhaus tobte und Luz Maria fiel (wie sicher auch viele weitere Gewinner) vor dem Fernseher "fast in Ohnmacht".
Jubeln darf man aber eigentlich erst, wenn das Geld auf der Bank ist. Auf den Straßen werden nämlich oft gefälschte Lose feilgeboten - und gekauft. Ein ganz böses Erwachen gab es 1986 in Palencia: Der Verwalter eines Altenheimes hatte damals unter den Rentnern Lose verkauft, die er nicht besaß. Womit Jacinto Sánchez nicht gerechnet hatte: Die Nummer wurde als Hauptgewinn gezogen. Der Verwalter wurde zunächst jubelnd auf Händen getragen. Als die Menschen vom Betrug Wind bekamen, stellte er sich aber lieber schnell der Polizei.