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Till Lindemann: Rammstein-Sänger als Lyriker

Till Lindemann

Rammstein-Sänger als Lyriker

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    Till Lindemann sucht regelmäßig die Stille.
    Till Lindemann sucht regelmäßig die Stille. Foto: dpa

    Er knackt ganz einfach

    Jede Nuß

    Und die nicht will

    Muß

    Dieses Gedicht hat tatsächlich Till Lindemann geschrieben, jener muskulöse Böse, düster Tönende und flammengrell Aufleuchtende, der auch politische Pyrotechniker und Erlkönig-Sänger, der, der auch Amerikaner „Du hasst mich!“ schreien macht, der Frontmann der weltweit erfolgreichsten deutschen Rockband eben? Dieser Till Lindemann, 50 Jahre alt und seit 20 Jahren Kopf von „Rammstein“? Der über Inzest und Kannibalismus textet, über Sextourismus und Sadomasochismus, bis auch mal die Bundesprüfstelle kommt und indiziert. Der in den Videos mit Leni-Riefenstahl-Ästhetik älteren oder mit Kopulationsszenen jüngeren Datums? Der, der bei „Rock im Park“ in Nürnberg auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände lächelnd zur Kenntnis nimmt, wie Zehntausende mit ihm „Links, zwo, drei“ brüllen und zu „vier“ die rechte Faust recken? Der auf 20 Millionen verkauften Tonträgern zu hören ist? Der und „Der Nußknacker“?

    Der schöne Mensch

    Ist nicht mehr schön

    Keine Haare, verbranntes Fleisch

    Nun häßlich anzusehen

    Wir fragen uns was ist geschehen

    Die Sache lief aus dem Ruder

    Weiße Weste schwarzes Puder

    Und dieses Gedicht soll von dem einst neunjährigen Till aus Bad Kleinen, Mecklenburg-Vorpommern, sein, Sohn des Kinderbuchautors und Lyrikers Werner Lindemann und Frau Gitta, Kulturjournalistin, eines pfiffig dichtenden Jünglings aus der DDR-Bildungsschicht? Beides stimmt, denn beides gehört zusammen. Till Lindemann war der eine, ist der andere und dazwischen auch noch Leistungsschwimmer samt Olympia-Qualifikation gewesen. Was ihm viele wohl genauso zutrauen wie die Handwerkervergangenheit und die tatsächliche abgeschlossene Ausbildung zum Pyrotechniker. Aber deutlich weniger wohl einen Gedichtband.

    Einen solchen aber gab es schon 2002 mit „Messer“ und gibt’s auch jetzt wieder mit „In stillen Nächten“ (KiWi, 160 S., 16,99 ¤). Dort liest man dann auch über den jungen Till im Vorwort eines jener Feuilleton-Journalisten, die Rammstein unermüdlich als Kunstprojekt deuten. Aber vor allem liest man viel von Till, auch das zuvor als „Lyrik eines großen Schiffbrüchigen unserer Tage“ belobigt. Ausgewählt Zartes:

    Ferien

    Tränen sieht man nicht im Wasser

    schmeckt man nicht wenn man ertrinkt

    mischen sich mit anderen Tränen wenn man zum Grund des Meeres sinkt

    Liebe

    In stillen Nächten weint ein Mann

    weil er sich erinnern kann (ws)

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