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Gesundheit: Placebo: Lustige bunte Pillen

Gesundheit

Placebo: Lustige bunte Pillen

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    Ab morgen treffen sich Placebo-Forscher aus der ganzen Welt an der Uni Tübingen. Ein Gespräch mit Tagungspräsident Prof. Dr. Paul Enck über Geist, Körper und Einbildung.
    Ab morgen treffen sich Placebo-Forscher aus der ganzen Welt an der Uni Tübingen. Ein Gespräch mit Tagungspräsident Prof. Dr. Paul Enck über Geist, Körper und Einbildung. Foto: dpa

    Morgen beginnt in Tübingen der größte Placebo-Kongress der Welt. Herr Prof. Enck, unter Ihrer Leitung diskutieren dort mehr als hundert Mediziner aus der ganzen Welt drei Tage lang über lustige bunte Pillen, die keinerlei Wirkstoffe enthalten. Macht das Sinn?

    Enck: Ja, natürlich macht das Sinn. Denn wenn ein Patient plötzlich weniger Schmerzen hat als vorher, weil er solche lustigen bunten Pillen ohne Wirkstoff genommen hat, dann muss man sich doch mal darüber unterhalten, warum das so ist. Placebo hat mit Einbildung nichts zu tun. Da passiert tatsächlich etwas im Kopf. Und uns interessiert eben, was da genau passiert. Die Placebo-Forschung ist noch relativ jung, es gibt bisher insgesamt erst etwa 2500 Veröffentlichungen – und weltweit etwa 150 Mediziner, die wie ich auf diesem Gebiet forschen.

    Was passiert da im Kopf?

    Enck: Wenn ich etwa Placebo statt Schmerzmittel nehme, dann werden im Kopf Prozesse ausgelöst, die zu einer neurobiologischen Antwort führen – und die heißt in diesem Fall eben Schmerzhemmung.

    Und warum funktioniert das?

    Enck: Warum das genau funktioniert, kann bisher noch niemand beantworten. Aber das Prinzip ist klar: Der Körper lernt über die Jahre, wie Medikamente wirken. Und wenn er dann eine Pille bekommt, bereitet er sich darauf vor, dass es ihm besser geht. Das bedeutet, er fängt vorsorglich schon mal damit an, den Schmerz zu hemmen. Und dadurch geht es ihm dann auch besser.

    Bei welchen Beschwerden bringt Placebo denn am meisten?

    Enck: Bei Schmerzen. Placebo funktioniert insgesamt am allerbesten bei allen subjektiven Symptomen. Es hat natürlich auch Einfluss auf biochemische Prozesse, Entzündungsprozesse kann man sicher auch ein bisschen manipulieren. Aber alles, was mit dem persönlichen Empfinden zu tun hat, kann dadurch am besten beeinflusst werden. Man muss unterscheiden: Wenn jemand schlecht drauf ist, können Placebos seine Stimmung heben. Aber wenn jemand unter einer Depression leidet, dann hat er eine Stoffwechselstörung im Gehirn, und die muss medikamentös behandelt werden – das kriegt man mit Placebo nicht weg. Das gilt etwa auch für den Blutdruck: Sie können den Blutdruck mit Scheinpräparaten minimal nach unten treiben. Aber Sie können damit keinen Bluthochdruck senken, dazu braucht es schon richtige Medikamente.

    Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Wirksamkeit von Mitteln wie Globuli oder Bachblüten? Oder für irgendwelche Geistheiler?

    Enck: Globuli und Bachblüten helfen, Symptome zu bessern. Wenn das nicht so wäre, wären auch nicht so viele Menschen von solchen alternativen Methoden überzeugt. Das bedeutet: Das hilft gegen Beschwerden – aber es heilt keine Krankheiten. Und der große Unterschied zwischen uns Ärzten und irgendwelchen Geistheilern ist, dass wir nicht glauben, dass wir mithilfe von Placebo Krankheiten umkehren können. So etwas kann sehr gefährlich sein.

    Es gibt Studien, denen zufolge Placebos auch bei Tieren helfen. Wie ist diese Wirkung möglich?

    Enck: Bei Tierversuchen gibt es ja immer auch eine Testgruppe, bei der etwa ein Teil der Ratten nur eine Kochsalzlösung gespritzt bekommt – eben weil man um das „Weißkittelsyndrom“ weiß. Das bedeutet, dass allein der Kontakt zu einem Arzt eine Wirkung hat. Und das funktioniert sogar bei Tieren, wenn die darauf konditioniert sind.

    Wenn das alles so wunderbar klappt – würde es da nicht Sinn haben, dass Ärzte ihre Patienten gelegentlich mit Placebo behandeln?

    Enck: Es gibt anonyme Umfragen, bei denen herauskam, dass 80 Prozent der Ärzte in Deutschland das ein oder zwei Mal im Jahr machen. Etwa, wenn jemand unbedingt auf ein Medikament besteht, aber dem Arzt ist klar, dass er das nicht braucht – und er vielleicht sogar Angst hat, dass der Patient medikamentenabhängig werden könnte. Das sind die einzigen ethisch akzeptierten Fälle, in denen so etwas gemacht werden sollte. Das hat ja auch etwas mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zu tun, ein Arzt darf seinen Patienten ja nicht so täuschen. Einige Studien haben aber nachgewiesen, dass man dem Patienten sogar erklären kann, dass er ein Placebo bekommt – und es wirkt immer noch.

    Das sagt ja alles sehr viel über das Zusammenspiel zwischen Geist und Körper aus . . .

    Enck: . . . ja, natürlich. Das ist aber wirklich nicht neu. Nur, früher hat das kaum jemand geglaubt. Aber jetzt kann man schöne bunte Bilder zeigen, auf denen die Prozesse im Gehirn sichtbar werden. Und das scheint irgendwie überzeugend zu sein.

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