Der Staatsanwalt hatte am Montag zu Beginn des Mordprozesses in Pretoria den Vorwurf vorgetragen, Pistorius habe am 14. Februar 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp mit Absicht und gezielt erschossen. Der 27-Jährige hatte eine Mordabsicht stets bestritten. Auch zu den anderen Vorwürfen im Zusammenhang mit Verstößen gegen das Waffengesetz erklärte sich
Während die Staatsanwaltschaft von vorsätzlichem Mord ausgeht, spricht die Verteidigung von einem tragischen Irrtum: Pistorius habe Steenkamp für einen Einbrecher gehalten.
In dem Prozess wird es voraussichtlich um drei zentrale Fragen gehen:
Gab es Streit zwischen den beiden?
In einer eidesstattlichen Erklärung betonte Pistorius, beide hätten am Valentinstag vergangenen Jahres einen ruhigen Abend zuhause verbracht. Nach dem gemeinsamen Abendessen habe er ferngesehen, während Steenkamp Yogaübungen gemacht habe, dann seien beide eingeschlafen. Die Staatsanwaltschaft wird dies in Frage stellen. Nachbarn sagten aus, sie hätten lautes Rufen und Schreie aus dem Haus des Paares gehört.
Auch die Mobilfunkdaten von Pistorius und Steenkamp könnten Indizien für eine Auseinandersetzung liefern. Steenkamp soll ihr Handy mit auf die Toilette genommen haben, als sie getötet wurde. Unklar ist, ob sie von dort aus jemanden anrief.
Die Behörden haben versucht, an die Daten von Pistorius' iPhone zu kommen. Er besteht darauf, er habe ihnen das korrekte Passwort gegeben, doch es funktionierte nicht. Es stellt sich die Frage, ob das Mobiltelefon Indizien für einen Streit liefern könnte, etwa in Form von Textnachrichten.
Sollte das Paar bereits tagsüber eine Auseinandersetzung gehabt haben, würde dies Pistorius' Darstellung der Ereignisse widersprechen und der Staatsanwaltschaft ein Motiv für vorsätzlichen Mord liefern.
Warum rief Pistorius nicht die Polizei?
Nach eigener Darstellung wählte Pistorius zwei Nummern, als er erkannte, dass er auf Steenkamp geschossen hatte: Die von Johan Stander von der Verwaltung des streng bewachten Wohnkomplexes, in dem sein Haus steht, außerdem die des privaten Gesundheitsdienstes Netcare. Die Anklage wird vermutlich Pistorius' Beziehung zu Stander untersuchen. Außerdem wird zu klären sein, warum Pistorius angeblich Sicherheitsleute abwimmelte, die nach den Schüssen bei ihm klingelten. Demnach schickte er sie weg und gab an, es sei alles in Ordnung. Die Staatsanwaltschaft könnte versuchen nachzuweisen, dass Pistorius Steenkamp tötete und dann versuchte, Beweise zu vertuschen.
Hat die Polizei Spuren verwischt?
In der Kautionsverhandlung räumte der damalige leitende Ermittler Hilton Botha Pannen bei der Spurensicherung ein. Demnach betrat er Pistorius' Haus ohne entsprechende Schutzschuhe, außerdem ging Munition vom Tatort verloren.
In dem Fall, in dem der Angeklagte gleichzeitig der einzige Zeuge ist, werden forensische Indizien und Beweismittel vermutlich eine Schlüsselrolle spielen. Die nachlässige Untersuchung des Tatorts könnte die Zuverlässigkeit dieser Indizien in Frage stellen.
Vertreter der Anklage räumten bereits ein, dass Pistorius von der Badezimmertür vermutlich weiter entfernt war als zunächst angenommen, und dass er seine Beinprothesen womöglich doch nicht getragen hat. Beides führte die Staatsanwaltschaft zunächst als Indizien dafür an, dass Pistorius nicht in Panik handelte, sondern vorsätzlich. afp/dpa