Matthias Burchardt ist Kulturphilosoph an der Universität Köln. Die Leidenschaft des 45-Jährigen aber gilt Monstern. Ein Gespräch über das Unheimliche, den Menschen und Katastrophen wie die von Fukushima.
Einmal grundsätzlich gefragt, was sind Monster?
Burchardt: Gemeinhin gelten Abweichungen von der Norm als Monster. Die, die am Rande einer Ordnung stehen und diese bedrohen, erschüttern oder aber stabilisieren. Entweder als Gegenspieler des Menschen oder als inneres Double des Menschen.
Stabilisieren? Ist das nicht umgekehrt?
Burchardt: Egal, um welche Ordnungen es geht, sie produzieren Feindbilder. Der Christ etwa braucht, vereinfacht gesagt, den Teufel. Die Bedrohung von außen stabilisiert die Gemeinschaft.
Sind Monster immer gleich oder haben sie sich über die Zeit geändert?
Burchardt: Monster gab es immer. Aber früher waren sie mythologisch verankert, heute funktionieren sie eher säkular nihilistisch.
Was hat Gott mit Monstern zu tun?
Burchardt: Monster sind Brüche in der Ordnung und die war von Gott gemacht. Man konnte also fragen: Wie konnte er das nur zulassen, dass es das Böse, Kranke, Hässliche gibt. Wenn aber seit der Moderne der Mensch die Ordnung macht, dann wird im Monster die Krise der menschlichen Vernunft und Schöpfungskraft sichtbar.
Monster machen uns also nicht nur Angst, sie zeigen uns auch etwas?
Burchardt: Ja, im wahrsten Sinne des Wortes: „Monster“ kommt von lateinisch „monstrare“, was „zeigen“ und „hinweisen“ bedeutet.
Fukushima jährt sich. Was zeigt uns das Monster Godzilla?
Burchardt: Godzilla spricht die japanische Seele mit ihrem Leid an: den Atomkatastrophen, Tsunamis, Erdbeben. Er steht für die unschuldige Natur und die Ambivalenz menschlicher Schöpfungskraft, die beherrschen will, aber die Natur letztlich nicht beherrschen kann. Godzilla führt uns die Konsequenzen des Eingreifens in die Natur bitter vor Augen. Es zeigt sich aber auch, dass die Menschen aus der Geschichte der friedlichen und kriegerischen Nutzung der Kernenergie, wie sie im Godzilla-Motiv erzählt wird, nichts gelernt hatten.
Trotzdem gelten solche Monsterfilme, gerade im Westen, als Trash. Warum?
Burchardt: Ich vermute, dass der heutige Mensch die Imagination nicht mehr selbst leisten will. Die Vorstellungswelt muss schon fertig daliegen. Ist die Tricktechnik nicht überzeugend, ist man nicht bereit, sich überhaupt auf die Konflikte des Films einzulassen. Das maximale Bild nimmt uns das bildschöpfende Sehen ab.
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