Zwischen den Bäumen, direkt vor dem Eingang zum Nobelhotel Bayerischer Hof, ist die Welt ein bisschen besser. Für Kathrin Kerlikowski zumindest. Deshalb hat sie zwei Wochen Urlaub genommen, sieben Tage vor seinem Todestag, sieben Tage danach.
Von Bad Tölz aus, wo sie als Bürokauffrau arbeitet, ist sie nach München gefahren. Um ihre Mutter zu besuchen, sagt sie. Aber bevor sie das sagt, nennt sie zuerst einen anderen Grund: "Um ihm nah zu sein." Kathrin spricht den Namen selten aus.
Denn wenn sie von "ihm" erzählt und davon, wie wundervoll "er" war, meint sie immer nur den einen: Michael Jackson. Viele Stunden im Leben der 25-Jährigen sind dem "King of Pop" gewidmet, an jedem Tag, seit mehr als zehn Jahren. Es sind nicht weniger geworden, seit Jackson starb, heute vor genau einem Jahr.Seither kommt die Bürokauffrau, wann immer sie kann, nach München. Dort, auf dem Promenadenplatz, haben die Fans ihrem Star ein Denkmal gestaltet.
Direkt vor dem Eingang zum Hotel Bayerischer Hof, in dem Michael Jackson ein paar Mal übernachtete, haben sie die Orlando-di-Lasso-Statue zu einer Pilgerstätte für den King of Pop umgewandelt.Plakate, Zeichnungen und Fotos von Michael Jackson verhüllen den Sockel des Komponisten-Denkmals. An seinem Fuß reihen sich Kerzen, Blumen und Engelsfiguren aus Porzellan.
"Die Welt braucht Dich mehr als Gott da oben", steht auf einer Karte, "Miss you so much" auf einem Stein-Herz. Immer wieder fasst Kathrin Kerlikowski Kerzen und Blumenvasen an, schaut bedächtig darauf und stellt sie dann sorgsam wieder ab. Mehrere Stunden verbringt sie manchmal so. "Das ist wie Liebe", sagt sie. "Man kann es nicht erklären."Auch Diana und "Zimmi" sind, so oft es geht, beim Denkmal am Promenadenplatz. Sie sind skeptisch gegenüber Fremden, die Vorwürfe, die Michael Jackson gemacht wurden, die Gerüchte um Drogen und Kindesmissbrauch, all das nimmt die beiden noch immer mit.
Deshalb wollen sie nicht, dass ihre vollen Namen in der Zeitung stehen, und wahrscheinlich auch deshalb wirkt jeder Satz gut durchdacht."Seine Menschlichkeit, seine Weisheit und seine positive Einstellung - einfach sein gesamtes Wirken", sagt Zimmi, hätten Michael Jackson zu "so einem besonderen Menschen" gemacht. Woher er das weiß? "Das ist fast eine spirituelle Verbindung. Michael und wir haben uns nie als Fremde gefühlt.""Michael war immer für seine Fans da", sagt auch Diana. Einmal, 2007 in der Lobby eines Hotels in London, habe sie es sogar geschafft, ihm über das Haar zu streicheln.Wie Kathrin Kerlikowski haben auch die beiden Münchner die Nachricht vom Tod ihres Stars bis heute nicht verwunden. "Wir trauern jeden Tag", sagt Zimmi, "und jeden Tag ist es so schlimm, als wenn's erst gestern passiert wäre."
Gleich am Tag, nachdem Michael Jacksons Herz aufhörte zu schlagen, ist Zimmi deshalb zum Promenadenplatz gefahren. Zwei der ersten Poster, die am Orlando-di-Lasso-Denkmal klebten, seien von ihm gewesen, erzählt er. Dass da, fast 10 000 Kilometer von Jacksons Todesort Los Angeles entfernt, eine Pilgerstätte entstand, sprach sich in der Fangemeinde schnell herum. Mehr Bilder und Kerzen kamen dazu, bis der Sockel der eigentlichen Statue kaum noch zu sehen war.Das Bauamt, das für die Pflege des Denkmals zuständig ist, sieht dessen Umwidmung gelassen. "Das wird stillschweigend geduldet", sagt der zuständige Bereichsleiter Albrecht Grundmann. Der Stein werde "nicht beschädigt", die provisorische Gedenkstätte sei "immer gut gepflegt" und zudem handle es sich ja nur um "eine temporäre Angelegenheit".
Denn die Fangemeinde hofft, Michael Jackson in München irgendwann ein eigenes Denkmal errichten zu können.Mehr als 1500 Unterschriften haben sie dafür schon gesammelt. Der Münchner Stadtrat zeigt sich davon bisher aber unbeeindruckt. "Das Thema hängt bei uns so niedrig, dass sich noch nicht mal die Fraktion damit beschäftigt", sagt Peter Scheifele, der Sprecher der SPD-Stadtratsfraktion. Doch die Fans lassen sich nicht entmutigen."Er hat so viel Gutes gegeben, deshalb hat er ein Denkmal verdient", sagt Kathrin Kerlikowski. Heute, an Michael Jacksons Todestag, will sie gemeinsam mit anderen Fans am Promenadenplatz Luftballons steigen lassen. An jedem der Ballons soll ein Zettel hängen, mit einer Botschaft für den toten Star. Was sie geschrieben hat, will Kathrin aber auf keinen Fall verraten. Das geht nur sie etwas an. Und ihn. Von Karin Seibold