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Kommentar: Mordfall Emden: Warum die Unschuldsvermutung so wichtig ist

Kommentar

Mordfall Emden: Warum die Unschuldsvermutung so wichtig ist

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    Menschen gedenken in  Emden des ermordeten elfjährigen Mädchens. Ein 17-Jähriger, der unter Tatverdacht verhaftet wurde, ist nun wieder frei. Er könne als Täter ausgeschlossen werden, hieß es.
    Menschen gedenken in Emden des ermordeten elfjährigen Mädchens. Ein 17-Jähriger, der unter Tatverdacht verhaftet wurde, ist nun wieder frei. Er könne als Täter ausgeschlossen werden, hieß es. Foto: Ingo Wagner

    Im deutschen Rechtsstaat gibt es den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Ein Tatverdächtiger hat also so lange als unschuldig zu gelten, bis ihm das Gericht die Straftat nachgewiesen hat, bis die Richter überzeugt davon sind, dass er oder sie "es war". Dieser Grundsatz ist ein Stützpfeiler des Strafrechts. Und es sollte eigentlich auch gesellschaftlicher Konsens sein, dass kein Mensch vorverurteilt werden darf.

    Im Fall des 17-Jährigen, der nach dem Mord an der elfjährigen Lena in Emden unter Verdacht geriet, ist diese Unschuldvermutung von einigen Menschen sträflich missachtet worden. Der Berufsschüler wurde - unter anderem in sozialen Netzwerken im Internet - gebrandmarkt und bloß gestellt. Es gab sogar einen Aufruf zur Lynchjustiz und ein aufgebrachter Mob zog los, um die Polizei in

    Und jetzt? Der 17-Jährige wurde heute aus der Untersuchungshaft entlassen. Er könne als Täter ausgeschlossen werden, teilten die Ermittlungsbehörden mit. Das wirft natürlich Fragen auf. Haben Polizei und Staatsanwaltschaft wegen des hohen Drucks, der auf ihnen lastete, möglicherweise überreagiert? Und hat der Ermittlungsrichter, der am Mittwoch einen Anfangsverdacht bejahte und den Haftbefehl erließ, die vorliegenden Fakten angemessen gewürdigt und geprüft?

    Polizei und Justiz in Emden werden diese Fragen beantworten müssen - auch wenn sie, zugegeben, von Vorneherein ausdrücklich auf die Unschuldsvermutung hingewiesen hatten.

    Auch wir Medien stehen in der Pflicht

    Auch wir Medien müssen immer wieder daran arbeiten, die Grenze zwischen Tatverdacht und Täterschaft sehr sauber in unserer Berichterstattung zu ziehen. Zu schnell sind wir Journalisten bisweilen bereit, Verdachtsmomente als Tatsachen zu vermelden.  

    Ganz besonders aber sollte dieser Fall eine Lehre für alle diejenigen sein, die sich in den vergangenen Tagen im Internet und auf der Straße an der Hetzjagd auf den unschuldigen 17-Jährigen beteiligt hatten, die gar zur Lynchjustiz aufriefen. Eine solche moderne Hexenjagd ist unserer Gesellschaft nicht würdig.

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