Sexuelle Missbrauchsvorwürfe, ein überaus prominenter Angeklagter und der Verdacht des Rassismus bilden die explosive Mischung im spektakulärsten Strafprozess in den USA seit dem Verfahren gegen den Ex-Footballstar O. J. Simpson vor mehr als 20 Jahren. Am Montag also hat das Verfahren gegen Bill Cosby in Norristown im US-Bundesstaat Pennsylvania begonnen. Begleitet wurde der 79-jährige bei seiner Ankunft im Gericht von der Schauspielerin Keshia Knight Pulliam. Sie hatte in der Kult-Serie „Die Bill Cosby Show“ seine jüngste Tochter Rudy gespielt.
Cosby wird von rund 60 Frauen beschuldigt, sich in früheren Jahrzehnten an ihnen vergangen zu haben. Da die meisten Anschuldigungen verjährt sind, konzentriert sich der Prozess auf einen einzigen Fall aus dem Jahr 2004. Cosby wird vorgeworfen, eine heute 44-Jährige in seiner Villa in Philadelphia mit Tabletten und Wein betäubt und dann missbraucht zu haben. Nach Cosbys Darstellung soll der Sex hingegen einvernehmlich gewesen sein. Bill Cosby, der in der Rolle des Dr. Cliff Huxtable in den 1980er Jahren weltberühmt wurde, drohen bis zu 30 Jahre Haft.
Schon jetzt ist er tief gefallen. „America’s Dad“ wurde er einst wegen seiner TV-Rolle genannt. In der „Cosby Show“ war er das Oberhaupt einer afroamerikanischen Familie aus der oberen Mittelschicht. Der sympathische, verständnisvolle und witzige Dr. Huxtable mit seinen zum Markenzeichen gewordenen Pullovern und seine Familie bedienten die Sehnsucht der Zuschauer nach der heilen Welt. Zeitweise schalteten 30 Millionen Amerikaner ein – ein Marktanteil von 50 Prozent. Allein mit der Vermarktung der Sendung verdiente Cosby Millionen.
60 Frauen werfen Bill Cosby Missbrauch vor
Doch hinter der Fassade sah es anders aus. Bis heute haben sich fast 60 Frauen gemeldet, die Cosby sexuelle Übergriffe vorwerfen, bei denen meistens starke Betäubungsmittel im Spiel waren. Cosby spricht von einvernehmlichen sexuellen Kontakten, von harmlosen Entspannungsmittelchen und handelte mit vielen mutmaßlichen Opfern eine außergerichtliche Einigung mit Schweigepflicht aus. Dass er nun dennoch vor Gericht steht, liegt an Andrea Constand, die vor anderthalb Jahrzehnten als Chefin der Basketballabteilung der Temple University in Philadelphia arbeitete, an der auch Cosby einst studiert hatte.
Dass ihre Vorwürfe, die sich auf einen Vorfall im Februar 2004 beziehen, erst jetzt vor Gericht kommen, hat nicht zuletzt mit Constand selbst zu tun. Die Kanadierin ging erst ein knappes Jahr später zur Polizei; 2006 einigte sie sich mit Cosby zunächst außergerichtlich. Als Cosby sich im Jahr 2014 wachsenden Vorwürfen sexueller Übergriffe gegenüber sah, verlangte Constand dann die Offenlegung der ursprünglichen Aussagen von Cosby.
Darin hatte der Star zugegeben, Constand betäubt und anschließend sexuelle Kontakte mit ihr gehabt zu haben, und ein ähnliches Verhalten auch bei anderen Frauen eingeräumt. Für die Justiz in Philadelphia stellten diese Enthüllungen neue Beweismittel dar. Kurz vor der Verjährung wurde deshalb ein Strafverfahren gegen den TV-Star eingeleitet. Constand nannte noch 13 weitere mutmaßliche Opfer Cosbys, um ihre Vorwürfe gegen ihn zu untermauern. In dem Prozess in Norristown bei Philadelphia wird allerdings laut einer Anordnung des Gerichts neben Constand nur noch eine weitere Frau gegen Cosby aussagen.
Missbrauchsprozess: Bill Cosby will nicht aussagen
Bill Cosby selbst will vor Gericht nicht aussagen, sondern sich auf seine Anwälte verlassen. So setzt Anwältin Angela Agrusa wahrscheinlich auf eine Doppelstrategie. Zum einen dürfte sie vor Gericht versuchen, Constands Glaubwürdigkeit infrage zu stellen. Fest steht, dass Constand ihren mutmaßlichen Peiniger auch nach der Nacht in der Villa noch traf und ihm sogar ein Geschenk machte. Zudem wird Agrusa eine angebliche Vorverurteilung ihres Mandanten durch die Medien hervorheben.
Und dann gibt es noch Rassismus-Vorwürfe gegen die Justiz. Cosbys Tochter Ensa will Vorurteile und Benachteiligung gegenüber Afroamerikanern „in allen Aspekten dieses Skandals“ erkannt haben. Cosby stimmte dieser Aussage in einem Radiointerview zu.