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Türkei: Mann muss Gericht beweisen, dass er noch lebt

Türkei

Mann muss Gericht beweisen, dass er noch lebt

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    Ein 46-jähriger Türke musste zehn Jahre lang Akten sammeln, um vor einem Gericht zu beweisen, dass er lebt.
    Ein 46-jähriger Türke musste zehn Jahre lang Akten sammeln, um vor einem Gericht zu beweisen, dass er lebt. Foto: Symbolbild, Peter Bauer

    Sinan Avci fühlt sich wie neu geboren – denn der Türke aus dem ostanatolischen Erzurum hat die Behörden nach einem zehnjährigen Rechtsstreit endlich davon überzeugen können, dass er nicht tot ist. Der absurd erscheinende Kampf gegen die Bürokratie bringt den „toten Sinan“, wie Avci von seinen Nachbarn genannt wird, derzeit in der Türkei in die Schlagzeilen. „Der tote Sinan ist auferstanden“, titelte eine Zeitung.

    Behördenfehler: Sinan Avci seit 2004 verstorben gemeldet

    So richtig genießen kann Avci sein neues Leben aber nicht. Avci, 46, ist quicklebendig, wenn er auch an Epilepsie leidet. Doch bei der staatlichen Sozialversicherung wurde er seit dem Jahr 2004 als verstorben geführt und erhielt deshalb keine Berufsunfähigkeitsrente mehr. Nachbarn, Familie und Freunde halfen ihm in der schweren Zeit finanziell über die Runden und bedachten den früheren Gemeindearbeiter aus dem Landkreis Pasinler bei Erzurum mit seinem markanten Spitznamen, unter dem er jetzt in der ganzen Türkei bekannt wurde.

    Vor zwölf Jahren musste Avci seinen Job aufgeben und in Frührente gehen, weil seine Epilepsie immer stärker wurde. Der Sozialversicherer SGK zahlte ihm eine kleine Rente – allerdings nur einige Monate bis zum Januar 2004. Dann blieb die Zahlung plötzlich aus.

    "Toter Sinan" beweist zehn Jahre lang seine Lebendigkeit

    Als sich Avci nach dem Grund erkundigte, erfuhr er, dass er bei der SGK neuerdings als verstorben geführt wurde. „Sie sagten mir, ich sei tot“, sagte Avci. „Dabei war ich sehr lebendig.“ Damit begann für Avci der lange Weg durch die Gerichte. Da er krank und dazu auch noch offiziell tot war, fand er keinen Job und war auf Almosen seiner Verwandten und Bekannten angewiesen.

    Unterdessen trat er vor der Justiz mit ärztlichen Attesten den Beweis an, dass er entgegen der Eintragung bei der Sozialversicherung trotz seiner Erkrankung sehr wohl noch unter den Lebenden weilte. Was eigentlich wie eine eindeutige Angelegenheit aussieht, dauerte zehn Jahre. Bei einem Besuch von Reportern der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zeigte Avci den Journalisten jetzt seine Aktensammlung.

    Erst in der vergangenen Woche fiel die endgültige Entscheidung: Der tote Sinan lebt. Von den Behörden will Avci nun vor allem Klarheit. Entweder solle man ihn als Frührentner einstufen und in Ruhe lassen oder aber für gesund erklären und ihn wieder auf seinem früheren Posten einstellen, sagte er.

    Auf sein Geld aus der Sozialversicherung, das ihm in den vergangenen zehn Jahren als Invalide zugestanden hätte, wartet er immer noch, obwohl er jetzt immerhin die offizielle Bestätigung besitzt, dass er existiert. Wahrscheinlich muss er einen neuen Rechtsstreit beginnen.

    Denn bei der SGK sieht man die Sache mit dem toten Sinan ganz anders. Nicht ein Versehen oder Schlamperei beim Todesvermerk sei für das Ende der Rentenzahlung verantwortlich gewesen. Vielmehr habe eine nachträgliche Untersuchung schon im Jahr 2003 bei Avci ergeben, dass er überhaupt nicht berufsunfähig sei, erklärte die Behörde.

    Das wiederum wird vom toten Sinan bestritten. Er fragt: „Soll ich mir etwa Arm und Bein absägen, um zu beweisen, dass ich arbeitsunfähig bin?“

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