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Italien: Mafia-Boss verprügelt Journalisten vor laufender Kamera

Italien

Mafia-Boss verprügelt Journalisten vor laufender Kamera

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    Nachdem der Bruder eines inhaftierten Mafiamitglieds einen Reporter angegriffen hat, ist die Aufregung groß in Italien.
    Nachdem der Bruder eines inhaftierten Mafiamitglieds einen Reporter angegriffen hat, ist die Aufregung groß in Italien. Foto: F. Monteforte, afp

    Ostia ist Roms Zugang zum Mittelmeer. In „Ostia Antica“ bewundern Touristen die Ruinen der alten Hafenstadt. Im „neuen Ostia“ stehen die Häuser noch – es sind hässliche Wohntürme. 250000 Menschen leben hier, sozusagen im Vorhof der italienischen Hauptstadt. Ostia sei die „Kloake“ Roms. So hat die spanische Tageszeitung El Pais den Ort vor wenigen Tagen beschrieben. Ostia, das ist eine Art Versuchsanordnung, wie Politik, Gesellschaft und Mafia aufeinander reagieren. Eine explosive Mischung, wie sich kürzlich wieder zeigte, als ein Fernsehjournalist von einem mutmaßlichen Mafiaboss zusammengeschlagen wurde. Vor laufender Kamera. Gleich mehr dazu.

    Zunächst die Vorgeschichte: Der Dichter und Regisseur Pier Paolo Pasolini wurde 1975 in Ostia ermordet; seither hat der zehnte Bezirk der Stadt Rom das Image einer gefährlichen und abgehalfterten einstigen Schönheit. Viele Römer fahren schon lange nicht mehr an die verschmutzten, von zwielichtigen Gestalten bevölkerten Strände.

    Lange konnten hier auch drei Clans ungestört ihre Geschäfte betreiben: die Familien Fasciani, Spada und Triassi. Mit Drogen, Erpressungen und dem Betrieb der Strandanlagen. Römischer Alltag. Nun richtet sich der Fokus der Öffentlichkeit so stark auf Ostia wie seit Jahren nicht mehr. Denn 2015 wurde die Bezirksverwaltung wegen Unterwanderung durch die Mafia aufgelöst, ein Kommissar übernahm. Jetzt soll erstmals wieder eine legale Bezirksverwaltung gewählt werden. Bei der ersten Runde der Kommunalwahlen vor einer Woche erreichte die neofaschistische Partei Casa Pound neun Prozent der Stimmen, in einigen Bezirken sogar knapp 20 Prozent.

    Am kommenden Sonntag, 19. November, steht die Stichwahl an. Um den Sieg kämpfen die Kandidatin der 5-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo sowie das Mitte-Rechts-Lager. Aber die Frage, wie sehr die Neofaschisten und die Clans unter einer Decke stecken, beschäftigt bereits intensiv die Justiz und die Öffentlichkeit. Schließlich sollen Clanmitglieder vor den Wahllokalen Wache gestanden haben, um die Stimmabgabe der Wähler zu kontrollieren. Einer der mutmaßlich amtierenden Clanchefs hatte sich vor der Wahl für den Kandidaten von Casa Pound ausgesprochen.

    Nasenbein zertrümmert

    Als am vergangenen Dienstag der TV-Journalist Daniele Piervincenzi vom öffentlich-rechtlichen Sender Rai 2 dann bei Roberto Spada und in dessen Boxschule nachfragen wollte, welche Verbindung dieser mit Casa Pound habe, rastete Spada aus. Vor laufender Kamera zertrümmerte der 43-Jährige dem Journalisten per Kopfstoß erst das Nasenbein und prügelte anschließend auf ihn und den Kameramann mit einem Schlagstock ein. Das Video zeigten sämtliche italienische Sender, es verbreitete sich rasch im Internet.

    Wegen dieser Eskalation soll am Dienstag ein Sicherheitskomitee aus Polizei, Staatsanwaltschaft und Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi in Ostia zusammenkommen. In den vergangenen Tagen demonstrierten bereits Bürger und Journalisten in der Stadt gegen die Mafia.

    Denn der brutale Angriff ging vom Bruder des wegen Erpressung inhaftierten Mafiabosses Carmine Spada aus. Er gilt als derzeitiger Chef des Clans. Die Staatsanwaltschaft ließ ihn am Donnerstag festnehmen. Sie ist sich sicher, die Gewaltaktion sei Teil des mafiösen Selbstverständnisses der Bosse, die auf diese Weise ihre Macht demonstrieren wollen. Dafür spricht auch die Tatsache, dass Anwohner bei der Festnahme Spadas heftig protestierten. „Robertino“ habe vielen Leuten im Viertel geholfen, sagte einer.

    „Ostia ist wie Corleone, Scampia, Casal di Principe und San Luca“, erklärte der Schriftsteller und Mafiaexperte Roberto Saviano und nannte die 30 Kilometer von Rom entfernte Hafenstadt in einem Zug mit den Mafiahochburgen im Süden des Landes. Auch hier hätten die Clans die absolute Herrschaft.

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