Früher, in der zweiten Hälfte der 80er Jahre, wurde im deutschen Fernsehen noch gegen einen Hamster gekämpft: "Vier gegen Willi" hieß die Samstagabendshow mit Mike Krüger. Und heute? Da treten statt eines Tierchens immer öfter große Nummern der Show-Branche gegen Kandidaten, Kinder oder gleich gegen das ganze Land an. Eine Flut von Promi-Quiz-Formaten wie "Schlag den Raab", "Alle auf den Kleinen", "Klein gegen Groß - Das unglaubliche Duell", "Die Show der unglaublichen Helden", "5 gegen Jauch" oder ab Montag auch "Die 2 - Gottschalk & Jauch gegen Alle" sollen nach Ansicht der Sender die Zuschauer beglücken. Der totale TV-Trend?
TV-Samstag: Promispielshows bei ARD, RTL und ProSieben
Deutsche Castingshows
Popstars: Im Jahr 2000 wurde auf RTL2 die erste Staffel von "Popstars" ausgestrahlt. Damit war der Casting-Trend im deutschen Fernsehen eingeleitet. Die "No Angels" waren die ersten Gewinner.
Deutschland sucht den Superstar (DSDS): Seit 2002 sendet RTL den Gesangswttbewerb "DSDS". Vor allem die flapsigen Sprüche von Dieter Bohlen, der bislang immer Teil der Jury war, sorgen für sehr hohe Einschaltquoten.
Germany’s Next Topmodel: Die von Heidi Klum moderierte Sendung läuft auf ProSieben. Die Kandidaten müssen verschiedene Aufgaben bestehen. Klums Umgang mit den potentiellen "Topmodels" wurde vielfach kritisiert.
The Voice of Germany: Auf Sat.1 und ProSieben versuchen Rea Garvey, The Bosshoss, Nena und Xavier Naidoo echte Gesangstalente aufzuspüren.
X Factor: Das Gesangstalent, das die Jury um Sarah Connor sucht, soll den sogenannten "X-Faktor" haben. Die Sendung läuft seit 2010 auf VOX. Es werden Solokünstler, Duette und Gruppen gecastet.
Let's Dance: Die Tanz-Show wird seit 2007 auf RTL gesendet. Prominente treten hier mit ihren Tanzpartnern gegeneinander an und werden von einer Jury beurteilt.
Das Supertalent: Dieter Bohlen, Thomas Gottschalk und Michelle Hunziker suchten bei RTL Menschen, die etwas Besonderes können.
Got to dance: Auf ProSieben sucht eine Jury überzeugende Tänzerinnen und Tänzer.
Es wirkt ein bisschen so, als hätten ProSieben, RTL, die ARD oder auch das ZDF eine neue Super-Idee gefunden, um ihr Programm zu füllen und die Leute zum Einschalten zu bewegen. Nach der Castingshow-Flut, die ein bisschen abzuebben scheint, ist eine Lawine von Spielshows der Machart "XYZ gegen wen auch immer" losgegangen, die in dieser Saison womöglich ihre ganze Wucht erreicht.
Vorläufiger Höhepunkt ist dieser Samstag: Dann laufen parallel im Hauptabendprogramm Oliver Pocher (35) und sein Spektakel "Alle auf den Kleinen" bei RTL und Stefan Raab (46) mit der inzwischen 42. Ausgabe von "Schlag den Raab" bei ProSieben. Zeitgleich setzt die ARD die Familienshow "Frag doch mal die Maus" mit Eckart von Hirschhausen (46) dagegen - auch sie ist mit einem prominenten Rateteam bestückt.
Bei "Schlag den Raab" geht es um zwei Millionen
Bei Raab geht es diesmal um einen Jackpot in Höhe von zwei Millionen Euro. Der Spaßvogel stellt sich wieder einem Herausforderer, der es wie alle seine Vorgänger in 15 Spielen schaffen muss, den Showmaster zu besiegen. Pocher hat es in dem recht ähnlichen Showformat mit drei Gegnern zu tun, die im Falle eines Sieges 100 000 Euro mit nach Hause nehmen können. "Alle auf den Kleinen" war bislang immer freitags zu sehen und steht jetzt erstmals an einem Samstag im Programm.
Zwei Tage nach dem Pocher/Raab-TV-Duell aus der Ferne startet bei RTL am Montag das Duo Günther Jauch (57) und Thomas Gottschalk (63) mit der neuen Show "Die 2 - Gottschalk & Jauch gegen Alle".
Kai Pflaume mit "Dalli Dalli"-Revival im Ersten
Die ARD lässt am 26. September und 3. Oktober den wiederbelebten Showklassiker "Dalli Dalli" unter dem Titel "Das ist Spitze!" mit Kai Pflaume (46) vom NDR Fernsehen ins Erste springen. Darin kämpfen wie früher beim ZDF-Star Hans Rosenthal (1925-1987) Promis in Zweier-Teams gegeneinander.
Für den 10. Oktober hat die ARD außerdem "Die Show der unglaublichen Helden" mit Promis im Generationenduell und dem Moderator Matthias Opdenhövel (43) angekündigt. Ein junger Kandidat tritt gegen eine lebende Legende wie zum Beispiel Olympia-Sieger Klaus Wolfermann oder Willi "Ente" Lippens an.
Kerner kehrt zum ZDF zurück - mit Promi-Spielshow
Das Zweite plant derweil nach Informationen des Branchendienstes "DWDL.de" mit dem ZDF-Rückkehrer Johannes B. Kerner (48) im Herbst eine Zeitreise-Show, in der Promi-Teams Fragen zu verschiedenen Epochen beantworten müssen.
Die Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher von der Universität Hamburg erklärt den Trend zur Star-Spielshow wie folgt: "Programmverantwortliche setzen Prominente zur Bewältigung von Quotenkrisen ein." Dazu zählten auch Promis als Gameshow-Kandidaten. "Das ist nicht neu, tritt aber derzeit gehäuft auf, weil sich die Sendeanstalten wechselseitig beobachten und kopieren."
Bleiben die Castingshows als Programmbestandteil?
Ein spannender Aspekt bei Spielshows sei immer das Prinzip des offenen Ausgangs, sagt Bleicher. "Schadenfreude stellt sich beim Scheitern natürlich auch ein. Gerade das Versagen von Prominenten kann zur Selbstbestätigung der Zuschauer beitragen."
Bleicher glaubt aber nicht, dass nur noch große Namen im Fernsehen zählen: "Es gibt immer noch viele Reality-Formate mit Laiendarstellern." Und auch Talentshows verschwinden nach Bleichers Einschätzung noch nicht ganz aus dem Fernsehen: "Castingshows haben sich ja mittlerweile stark ausdifferenziert und werden auch weiterhin ein Programmbestandteil bleiben." Dennoch ist sich die Medienwissenschaftlerin sicher: "Das Qualitätsniveau ist nach wie vor nach unten offen. Kindergeburtstage für Erwachsene mit Z-Prominenten werden uns wohl nicht erspart bleiben."
TV-Spielshows: "Entkopfung es Alltags"
Eine andere Analyse kommt von einem Fernsehmacher: In einem "DWDL.de"-Interview sagte kürzlich Marcus Wolter, der Deutschland-Chef des TV-Produzenten Endemol ("Wer wird Millionär?", "Promi Big Brother"), er halte Spielshows für "hochaktuell". "In einer Zeit, in der immer mehr Menschen immer weniger mit ihren Händen arbeiten, ist eine Game-Show für viele ein gelungener Ausgleich, eine Entkopfung des Alltags auf Zeit." dpa/AZ