Finale im Fall Oscar Pistorius: Der Staatsanwalt Gerrie Nel hat am Donnerstag mit seinem abschließenden Plädoyer im spektakulären Prozess gegen den südafrikanischen Sprinter-Star begonnen. Er will das Gericht in Pretoria noch einmal davon überzeugen, dass der beinamputierte Sportler in der Nacht zum Valentinstag 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp vorsätzlich durch eine geschlossene Badezimmertür erschossen hatte.
Mord oder Versehen? Finale im Prozess gegen Pistorius
Der Fall Pistorius - eine Chronologie
14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.
15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.
19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.
22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.
März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.
April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.
30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.
11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.
12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.
21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.
10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.
19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.
3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes
3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.
3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.
6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.
Der heute 27-jährige Pistorius hat stets beteuert, dass es sich um einen tragischen Irrtum gehandelt habe; er habe hinter der Tür einen Einbrecher vermutet. Sein Verteidiger Barry Roux soll an diesem Freitag sein Plädoyer halten.
Im Gerichtssaal waren auch Steenkamps Eltern. Der Vater Barry Steenkamp war zum ersten Mal im Prozess dabei. Er hatte im Januar einen Schlaganfall erlitten. Pistorius beobachtete Nels Ausführungen mit ernstem und betroffenem Gesicht.
Pistorius-Prozess: Lebenslange Haft für beinamputierten Sprinter?
Das ist Oscar Pistorius
Geburtsdatum: 22. November 1986
Geburtsort: Sandton/Südafrika
Behinderung: Pistorius wird durch einen Gendefekt ohne Wadenbeine und äußere Fußseiten geboren. Im Alter von elf Monaten werden ihm beide Beine unterhalb der Knie amputiert.
Größte Erfolge: - Paralympics 2004 in Athen Gold über 200 m, Bronze über 100 m; - Paralympics 2008 in Peking Gold über 100, 200 und 400 m; - Paralympics 2012 in London Gold über 400 und 4 x 100 m, Silber über 200 m Weltmeisterschaften 2011 in Daegu Halbfinale über 400 m Olympische Spiele 2012 in London Halbfinale über 400 m
Wichtige Entscheidungen: 14. Januar 2008: Der Leichtathletik-Weltverband IAAF entscheidet, dass seine Karbon-Prothesen Pistorius Vorteile verschaffen und er deshalb nicht an den Olympischen Spielen in Peking teilnehmen darf.
16. Mai 2008: Der Internationale Sportgerichtshof CAS hebt die IAAF-Entscheidung wieder auf. Pistorius verpasst aber die sportliche Qualifikation für die Spiele in Peking.
8. August 2011: Pistorius wird zusammen mit dem Sprinter Jason Smyth als erster behinderter Sportler für eine Leichtathletik-WM nominiert.
4. August 2012: Pistorius startet als erster beinamputierter Sportler der olympischen Geschichte bei den Spielen in London.
Es wird erwartet, dass beide Juristen mit rhetorischer Finesse versuchen werden, Richterin Thokozile Masipa von ihrer jeweiligen Version zu überzeugen. 39 Prozesstage und 36 Zeugenverhöre konnten letztlich nicht klären, was in der Tatnacht in Pistorius' Villa in Pretoria wirklich geschah.
Bei ihrem für Ende August erwarteten Urteil muss sich die Richterin deshalb vor allem auf Indizien und die Glaubwürdigkeit der Zeugen verlassen. Wird Pistorius des Mordes schuldig befunden, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. AZ/dpa