Shakespeare-Alarm? Statt eines betulichen Kostümschinkens präsentiert sich der Film „Lady Macbeth“ als clever konstruierter Krimi der Königsklasse – nach einer wahren Begebenheit. Basierend auf der russischen Novelle „Lady Macbeth von Mzensk“ von Nikolaj Leskow inszeniert der britische Theaterregisseur William Oldroyd die perfekte Mord-Intrige. Um endlich Erben zu bekommen, fädelt der reiche Minenbesitzer Boris 1856 die Heirat seines Sohnes Alexander mit der sehr viel jüngeren, mittellosen Katherine ein. Schon in der Hochzeitsnacht zeigt der neurotische Gatte sein garstiges Gesicht. Katherine darf das Haus nicht mehr verlassen.
Aber kaum ist der Ehemann auf Dienstreise, nutzt die rebellische Lady ihre Chance. Rigoros entsorgt sie den Schwiegervater. Selbstbewusst schnappt sie sich den hübschen Stallburschen Sebastian als Liebhaber. Als der gehörnte Gatte bei seiner Rückkehr das turtelnde Pärchen im Schlafzimmer ertappt, nützt es freilich nur noch wenig, abermals den Macho zu mimen. Die Zeit der Patriarchen und Bonzen ist abgelaufen, zumindest in diesem vornehmen Herrenhaus.
"Lady Macbeth" im Kino: Spannung souverän unter Strom gehalten
Mit wenigen, sehr präzisen Federstrichen werden in diesem außergewöhnlich starken Kino-Debüt die Figuren gezeichnet. Überraschende Wendungen halten die Spannung souverän unter Strom. Oldroyd verzichtet auf jede Musik als Geschmacksverstärker und setzt lieber auf den unterschätzten Spezialeffekt von Pausen. Visuell bietet er hübsch komponierte Tableaus statt genreüblicher Ausstattungsorgien. Ein blaues Kleid vor grauer Kulisse, mehr braucht es nicht. Als gelernter Theatermacher bringt der Regisseur seine Akteure eindrucksvoll zu Hochform. Insbesondere für die 21-jährige Florence Pugh wird das zum Karrierekick. Sie wird bereits als neue Kate Winslet gehandelt.
Die Kinostarts der Woche
Wertung: 5 / 5
Lady Macbeth (1 Std. 29 Min.), Drama, Großbritannien 2016