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Nach Fukushima: Japan nimmt zwei Atomreaktoren wieder ans Netz

Nach Fukushima

Japan nimmt zwei Atomreaktoren wieder ans Netz

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    Chronologie der Katastrophe von Fukushima

    Die Havarie nach dem verheerenden Erdbeben und Tsunami im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi war die schwerste Atomkatastrophe seit dem Tschernobyl-Unglück 1986. Ein Überblick:

    11. März 2011: Ein Erdbeben der Stärke 9,0 erschüttert den Nordosten Japans und löst einen verheerenden Tsunami aus.

    11. März 2011: Auch die Stromversorgung und das Kühlungssystem des an der Küste gelegenen Atomkraftwerks Fukushima Daiichi werden beschädigt. Die Brennstäbe im Inneren der Reaktoren überhitzen und beginnen zu schmelzen.

    12. März: Im Reaktorgebäude Nummer eins kommt es zu einer Wasserstoffexplosion, doch der Reaktor selbst bleibt intakt. Das Kühlwassersystem funktioniert nicht mehr, das Team auf dem Gelände beginnt daraufhin, die Reaktoren mit Meerwasser zu kühlen. Die Regierung erweitert die Evakuierung auf einen Umkreis von 20 Kilometern.

    14./15. März: In den Gebäuden der Reaktoren drei und vier kommt es zu weiteren Explosionen. Die Reaktoren bleiben laut Behörden intakt.

    25. März - 4. April: In vier beschädigten Reaktorgebäuden wird eine große Menge radioaktiv verseuchten Wassers entdeckt. Es behindert die Arbeit zur Kühlung der überhitzten Brennstäbe. Die Behörden beschließen, 11.500 Tonnen radioaktiven Wassers in den Pazifik zu leiten.

    12. April: Japan stuft die Schwere des Atomunglücks hinauf. Es hat nun Höchststufe 7 und wird damit als genauso verheerend eingestuft wie die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl.

    6. Juni: Die Regierung bestätigt, dass es bereits kurz nach Beginn der Katastrophe in drei Reaktoren zu Kernschmelzen gekommen war. Die in den ersten Tagen freigesetzte Radioaktivität sei zudem doppelt so hoch gewesen wie zunächst geschätzt.

    30. August: Ministerpräsident Naoto Kan und sein Kabinett treten zurück. Finanzminister Yoshihiko Noda wird Japans sechster Regierungschef innerhalb von fünf Jahren.

    3. Oktober: Eine Regierungskommission schätzt die Kosten für Stilllegung und Abbau der Atomreaktoren auf umgerechnet 10,6 Milliarden Euro.

    17. und 29. November: Aufgrund radioaktiv verseuchter Stichproben verbietet Japan den Verkauf von Reis aus der Region Fukushima.

    16. Dezember: Die japanische Regierung verkündet, Fukushima Daiichi sei wieder unter Kontrolle, die Reaktoren seien im Zustand der «Kaltabschaltung».

    21. Dezember: Die Betreibergesellschaft Tepco schätzt, dass die Stilllegung der Reaktoren bis zu 40 Jahre dauern wird.

    22. Februar 2012: Um die Kontaminierung des Ozeans vor dem havarierten Atomkraftwerk einzudämmen, kündigt Tepco an, den Meeresboden mit einer 73.000 Quadratmeter großen Betondecke zu versiegeln.

    4. April 2013: Bis zu 120 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser treten aus einem Tank aus und dringen in den Boden ein.

    19. Juni 2013: Im Grundwasser nahe dem havarierten Atomkraftwerk werden hohe radioaktive Werte gemessen. Werte der radioaktiven Substanz Strontium-90 lagen dreißigmal höher als zulässig.

    21. August 2013: Weitere 300 Tonnen radioaktiv verseuchtes Wasser treten in Fukushima aus.

    10. März 2015: An den Folgen der Flucht vor der Strahlung sind mehr als 1200 Menschen gestorben. Das Leben in Behelfsunterkünften hat viele krank gemacht. Andere begingen Selbstmord.

    Regierungschef Yoshihiko Noda ordnete am Samstag die  Wiederaufnahme des Betriebs von zwei Reaktoren in Oi in der  Zentralprovinz Fuki an, wie japanische Medien berichteten. Japan  befürchtete während der heißen Sommermonate Energieengpässe.

    Nach Katastrophe in Fukushima: Alle 50 japanischen Akw vom Netz genommen

    Der Entscheidung vom Samstagmorgen war eine Sitzung mit den zuständigen Ministern vorausgegangen, in deren Verlauf Noda von den örtlichen Behörden der Provinz Fuki grünes Licht erhalten hatte.  Die Vorbereitungen für einen Netzbetrieb seien im Gange, sagte  Industrieminister Yukio Edano. Die Reaktoren des Akw Oi gehören zum Unternehmen Kansai Electric Power (KEPCO). Die staatliche Atomaufsicht hatte das Atomkraftwerk zuvor als sicher eingestuft.

    Nach der Atomkatastrophe von Fukushima waren alle 50 japanischen  Akw für Sicherheitschecks heruntergefahren. Bis zu dem Unglück  bezog Japan etwa ein Drittel seines Stroms aus der Atomkraft.  Infolge des Atomunglücks, durch das weite Gebiete im Umkreis  radioaktiv verseucht worden waren, wächst in Japan die Ablehnung  der Atomkraft. Bislang war keines der Akw wieder ans Netz gegangen.

    Im Sommer drohte Stromknappheit

    Noda begründete seine Entscheidung mit drohenden negativen Auswirkungen auf die japanische Wirtschaft und die Bevölkerung.  "Der Stopp der Reaktoren schneidet das Land von 30 Prozent seiner  Stromerzeugung ab", sagte der Regierungschef. Es drohe nicht nur  Stromknappheit im Sommer, sondern Japans Wirtschaft könne erlahmen.  Atomkraft sei insofern eine "wesentliche Energiequelle".

    Atomkatastrophen und Beinahe-Katastrophen

    Dezember 1952: Der erste atomare Störfall ereignete sich in Kanada. In einem Reaktor der Chalk River Laboratories in der Nähe von Ottawa wird durch eine Explosion eine partiellen Kernschmelze ausgelöst. Ursache für den Unfall war ein Bedienungsfehler. Zwei Jahre später wird der Unglücksreaktor wieder in Betrieb genommen.

    September 1957: In der sowjetischen Plutoniumfabrik Majak kam es in einem unterirdischer Betontank, der mit flüssigen, radioaktiven Abfällen gefüllt war, zu einer schweren Explosion. Rund 1000 Menschen verlieren dabei ihr Leben. Weite Teile der Umgebung sind noch heute stark kontaminiert. Erst viele Jahre später machte ein emigrierter Wissenschaftler die katastrohalen Ereignisse publik.

    Oktober 1957: Im englischen Ort Windscale (heute: Sellafield) wütet ein Feuer in einem Reaktor, der zur Herstellung von Plutonium für Bomben dient. Es sterben mindestens 39 Menschen. Außerdem wird ein mehrere hundert Quadratkilometer großes Gebiet durch entweichende radioaktive Gase langfristig verseucht.

    Juli 1973: Erneut ereignet sich ein Störfall in Windscale. Eine Explosion kontaminiert einen großen Teil der Wiederaufarbeitungsanlage.

    Januar 1977: Der erste aromare Störfall auf deutschem Boden ereignet sich im bayerischen Atomkraftwerk Gundremmingen. Mehrere Kurzschlüsse an zwei stromabführenden Hochspannungsleitungen verursachen einen Totalschaden des Reaktorgebäudes.

    März 1979: Im nordamerikanischen Atomkraftwerk Three Mile Island in der Nähe von Harrisburg fällt aufgrund von Maschinen- und Bedienungsfehlern die Kühlung der Kernreaktoren aus. Es folgt eine partielle Kernschmelze. Weil die Umgebung dadurch stark kontaminiert wird, müssen 200.000 Menschen evakuiert werden.

    April 1986: Der große Störfall von Tschernobil in der Ukraine hat die Gefahr, die von Atomkraftwerken ausgeht, ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Als der Leichtwasser-Graphit-Reaktor infolge eines Bedienungsfehlers explodiert, kommen 32 Menschen noch an Ort und Stelle ums Leben. Eine radioaktive Wolke gelangt bis nach Westeuropa und versetzt die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Insgesamt sterben tausende an den Spätfolgen.

    September 1999: Im japanischen Tokaimura wird radioaktive Strahlung frei, als sich infolge der unsachgemäßigen Befüllung eines Vorbereitungstanks eine unkontrollierte Kettenreaktion ereignet. Ein Arbeiter hatte anstatt der vorgeschriebenen 2,3 Kilo Urangemisch mehr als die siebenfache Menge in den Tank gefüllt. Etwa 150 Personen wurden verstrahlt.

    Oktober 2000: In Tschechien geht das Kernkraftwerk Temelin ans Netz. Bis heute hat es an die 100 Störfälle gegeben. Viele Menschen in Tschechien, Bayern und Österreich fürchten sich vor den Folgen einer großen Katastrophe.

    Dezember 2001: Im Atomkraftwerk Brunsbüttel in Schleswig-Holstein ereignet sich eine Wasserstoffexplosion. Erst im Februar des darauffolgenden Jahres wird der Reaktor vom Netz genommen, weil die Kontrollbehörde eine grundlegende Inspektion fordert.

    Juli 2009: Beinahe kommt es im Kernkraftwerk Krümmel in Schleswig-Holstein zu einem schlimmen Unfall. In der Vergangenheit hatte es bereits mehrfach Probleme mit dem Reaktor gegeben. Obwohl er gerade erst inspiziert worden war, gab es einen Kurzschluss im Maschinentransformator. Daraufhin wurde der Reaktor erneut abgeschaltet.

    März 2011: Die Welt hält den Atem an, als ein Tsunami schwere Schäden im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi anrichtet. In drei Reaktoren kommt es zur Kernschmelze. Radioaktivität tritt aus und macht das Umland unbewohnbar. Tausende verlieren Ihre Existenzgrundlage.

    Laut KEPCO, das die Großstädte Osaka, Kyoto und Kobe versorgt,  könnte aufgrund des hohen Strombedarfs für Klimaanlagen im Sommer  der Bedarf das Angebot um bis zu 15 Prozent übersteigen. Der  verstärkte Einsatz von Kohle, Gas und Erdöl zur Stromproduktion  erhöht den Kohlendioxidausstoß und die Abhängigkeit des  ressourcenarmen Landes von der Kraftstoffeinfuhr. Für die  Verbraucher steigen die Preise, zudem sind sie angehalten, ihren  Verbrauch zu drosseln.

    Opposition kritisiert Rückkehr zur Atomenergie

    Noda bekräftigte, alles zu tun, um einen Atomunfall wie Fukushima  künftig zu verhindern. Bis August will die Regierung einen  nationalen Energie-Plan bis zum Jahr 2030 vorlegen, der eine  möglichst umfassende Abkehr von der Atomkraft beschreiben soll. Die  Opposition kritisierte die Rückkehr zur Atomenergie. Die Regierung  habe "schreckliche Entscheidungen" getroffen, indem sie die  Reaktoren von Oi wieder hochfahre, sagte der Oppositionspolitiker  Nobuteru Ishihara.

    Gefahrenquellen für Atomkraftwerke

    In Japan stand ein Erdbeben mit anschließendem Tsunami am Anfang der Ereignisse, die zur Atomkatastrophe in Fukushima führten. Auch in Europa gibt es Meiler in seismisch aktiven Zonen, etwa im französischen Fessenheim direkt an der deutschen Grenze.

    Ein Tsunami wie in Japan ist in Europa eher unwahrscheinlich. Allerdings sind auch hierzulande Überflutungen denkbar. Wasser ist für Atomanlagen gefährlich, weil es die aus Dieselgeneratoren und Batterien bestehende Notstromversorgung lahmlegen kann. Deiche gehörten zum wichtigsten Schutz gegen diese Gefahr, heißt es in einem aktuellen Arbeitspapier der Vereinigung der Westeuropäischen Atomaufsichtsbehörden (WENRA).

    Das WENRA-Papier zählt als Risiken auch Sturm und starke Regenfälle sowie die Kombination mehrerer Extremwetterlagen auf. Atomexperte Heinz Smital von Greenpeace sieht auch in Waldbränden eine Gefahr, die sich beispielsweise im vergangenen Sommer bei den Großfeuern in Russland gezeigt habe. Denn der dichte Rauch könne dazu führen, dass Notstromdiesel-Generatoren wegen Sauerstoffmangels nicht ansprängen.

    Terrorangriffe sind deshalb so brisant, weil sich Täter gezielt den Kern einer Atomanlage, den Reaktordruckbehälter, vornehmen könnten. Dadurch ist nach den Worten von Atomexperten Smital «eine Zerstörung möglich, die sonst nicht erreicht werden kann». Bei einem Angriff könnten in kürzester Zeit riesige Mengen Strahlung frei werden, während sich die Freisetzungen in Tschernobyl und Fukushima vergleichsweise begrenzt und langsam abgespielt hätten.

    Das Risiko von Cyberattacken auf Atomkraftwerke geriet 2010 durch den Computerwurm Stuxnet ins Rampenlicht. Stuxnet wurde laut «New York Times» von den USA und Israel entwickelt, um das iranische Atomprogramm zu sabotieren. Dass private Hacker einen atomaren GAU auslösen können, hält Frank Rieger vom deutschen Chaos Computer Club für «ziemlich unwahrscheinlich». Bislang seien solche Risiken aber offenbar noch nicht detailliert erforscht, meint Rieger.

    Die Wahrscheinlichkeit eines Flugzeugabsturzes auf ein Atomkraftwerk lässt sich zumindest annähernd vorhersagen, indem Flugrouten, allgemeine Unfall-Zahlen sowie die potentielle Trefferfläche ins Kalkül gezogen werden. Die kuppelartige Form des Betonmantels vieler Reaktorgebäude sorgt dafür, dass die Trefferfläche für einen möglichen Frontalaufprall gering ausfällt.

    Die Höhe eines Risiko bemisst sich nach zwei Dingen: der Wahrscheinlichkeit, dass das befürchtete Ereignis eintritt, und dessen Schwere. Das Risiko kann also auch dann hoch sein, wenn das Ereignis sehr unwahrscheinlich ist, aber die Folgen immens wären. Ob allerdings auch extrem unwahrscheinliche Ereignisse - wie beispielsweise ein Satellitenabsturz - bei den europäischen Akw-Tests eine Rolle spielen sollten, sei letztlich keine wissenschaftliche, sondern eine gesellschaftspolitische Frage, hieß es aus deutschen Fachkreisen.

    In Japan war das Atomkraftwerk Fukushima bei dem schweren Erdbeben  vom 11. März 2011 und dem anschließenden Tsunami schwer beschädigt  worden. Durch den Ausfall der Kühlsysteme kam es zur Kernschmelze,  es war der schwerste Atomunfall seit der Tschernobyl-Katastrophe  von 1986. afp/AZ

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