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Ausstellung: Jan Böhmermann: Kunst, Kritik und Witz in eigener Ausstellung "Deuscthland"

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Jan Böhmermann: Kunst, Kritik und Witz in eigener Ausstellung "Deuscthland"

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    Ein Banner wirbt für die Austellung "Deuscthland" von Jan Böhmermann. Fotos in und von der Ausstellung sind nicht erlaubt.
    Ein Banner wirbt für die Austellung "Deuscthland" von Jan Böhmermann. Fotos in und von der Ausstellung sind nicht erlaubt. Foto: Henning Kaiser (dpa)

    Im August war Jan Böhmermanns Ausstellung ganz knapp angekündigt worden, seitdem herrschte im Großen und Ganzen Geheimniskrämerei, was der "Neo Magazin Royale"-Satiriker und seine Kölner Produktionsfirma Bildundtonfabrik (btf) im NRW-Forum in Düsseldorf zeigen wollen. Doch diese Frage klärt sich auch bei der Eröffnung nicht vollständig.

    Ausstellung zeigt Einblick in die Gedankenwelt von Jan Böhmermann

    Wer in die Ausstellung "Deuscthland" (mit bewusst verschobenem "t") will, muss an einer "Passkontrolle" bei wortkargen, graumänteligen Aufpassern mit schlecht sitzenden Krawatten sein Handy abgeben. Es sollen keine Fotos verbreitet werden. Auch das ist bemerkenswert. Sonst scheint Böhmermanns Strategie eher zu sein, seinen Nummern maximale Aufmerksamkeit im Internet zu bescheren. Offizielle Begründung: Man wolle, dass sich jeder "selbst ein Bild von der Ausstellung machen und diese völlig unvoreingenommen besuchen kann".

    Wer sie besucht, erlebt einen Ritt durch die Böhmermannsche Gedankenwelt, eine Art Kommentar zur Lage der Nation: Rechtspopulismus, Internethass, das Leben unter der Moderatorin Merkel. Ausgestellt sind Wanderklamotten, die man von den Urlaubsfotos der Kanzlerin kennt. Man kann sie anfassen. "Die Wanderkleidung finde ich von daher ganz schön, weil sie zum ersten Mal diese Form von Macht, mit der wir seit zwölf Jahren konfrontiert werden, greifbar macht", erklärt Böhmermann. Das sei sie sonst ja nie. "Dieses Beige, was in den Socken, in der Hose und in der Mütze eigentlich steckt: Das ist zumindest tröstlich, dass man es anfassen kann."

    Jan Böhmermanns Ausstellung: Schwarz-Weiß-Netz-Diskurs in der Selbsterfahrung

    Zudem kann man mit Virtual-Reality-Brillen eine fiktive Achterbahnfahrt im angeblichen "Reichspark", der die Zeit von 1933 bis 1945 zu Freizeiterlebnis erhebt, machen - inklusive Bücherverbrennung und Begegnung mit Hitler. Ein bitterer Kommentar zur Debatte um Erinnerungskultur. Per Knopfdruck kann an "Diskursautomaten" abgestimmt werden: schuldig oder unschuldig, Israel oder Palästina, Karriere oder Familie, Ost oder West. Wer mitmacht, soll fotografiert und auf Twitter geladen werden - ein Schwarz-Weiß-Netz-Diskurs in der Selbsterfahrung. "Invasiv" nennt Böhmermann selbst die Ausstellung.

    Bei aller Komik wird man dabei den Eindruck nicht los, dass da jemand zunehmend an Deutschland verzweifelt. Schon seit einiger Zeit ist zu beobachten, wie der Satiriker in guter deutscher Kabarett-Tradition auch mal den moralischen Zeigefinger ausfährt.

    "Deuscthland": Auch Böhmermanns Schmähgedicht wird thematisiert

    Die große Zäsur seiner Karriere findet man natürlich auch: der Rechtsstreit um sein "Schmähgedicht" auf den türkischen Präsidenten Erdogan. In einem Séparée, das als "Rechtsfreier Raum" bezeichnet wird, kann man öffentlich zugängliche Dokumente im Netz aufrufen - darunter auch jene Mitteilung des Landgerichts Hamburg, in der auseinanderdividiert wurde, welche Verse verboten sind und welche nicht. In einer ganz anderen Ecke findet man einen Pappaufsteller mit der Abbildung eines Mannes. Es handelt sich um den Anwalt von Erdogan. Ansonsten bleibt der Moderator bei dem Thema aus guten Gründen recht schmallippig.

    Die Böhmermann-Affäre im Überblick

    Jan Böhmermanns Gedicht über den türkischen Präsidenten hat hohe Wellen geschlagen. Was bisher geschah:

    31. März: Der Satiriker benutzt in seiner ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" im Gedicht «Schmähkritik» über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Formulierungen, die unter die Gürtellinie zielen. Er will damit nach eigenen Angaben den Unterschied zwischen erlaubter und verbotener Satire zeigen.

    1. April: Das ZDF gibt bekannt, dass der Beitrag aus der Mediathek gelöscht und nicht wie vorgesehen wiederholt wird.

    3. April: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert das Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als "bewusst verletzend".

    10. April: Es wird bekannt, dass die Türkei in einer Verbalnote an das Auswärtige Amt rechtliche Schritte gegen Böhmermann verlangt.

    15. April: Die Bundesregierung gibt den Weg für ein Strafverfahren gegen Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs nach Paragraf 103 Strafgesetzbuch frei.

    16. April: Böhmermann kündigt "eine kleine Fernsehpause" an.

    22. April: Merkel bezeichnet ihre Äußerung, Böhmermanns Gedicht sei "bewusst verletzend", als Fehler. Dadurch sei der Eindruck entstanden, dass ihre persönliche Bewertung etwas zähle.

    3. Mai: Böhmermann kritisiert in der Wochenzeitung Zeit Angela Merkel: "Die Bundeskanzlerin darf nicht wackeln, wenn es um die Meinungsfreiheit geht." Erdogan nennt darin er einen "nervenkranken Despoten".

    12. Mai: Der Moderator kehrt mit seiner Sendung "Neo Magazin Royale" zurück.

    17. Mai: Das Landgericht Hamburg erlässt auf Antrag Erdogans eine einstweilige Verfügung gegen Böhmermann. Der Moderator darf seine "Schmähkritik" zu großen Teilen nicht öffentlich wiederholen. Böhmermann will die einstweilige Verfügung nicht akzeptieren.

    27. Mai: Ein Satz aus "Neo Magazin 4Royale" löst Spekulationen über Böhmermanns Zukunft beim ZDF aus. Zu seinem Gast Steven Gätjen sagt er: "Du hast gerade den Sprung geschafft vom Privatfernsehen zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ich hab' ja demnächst vor, das andersrum zu machen." Doch schiebt er nach: "Nein, ist ein Spaß."

    2. Juli: Erdogan will das Gedicht komplett verbieten lassen. Erdogans Anwalt reicht daher eine Privatklage beim Hamburger Landgericht ein. Die Verhandlung ist für den 2. November dieses Jahres vorgesehen.

    30. Juli: Erdogan kündigt an, seine Strafanzeigen wegen Beleidigung des Staatspräsidenten zurückzuziehen. Später wird allerdings klargestellt, dass dies für die Klagen in Deutschland nicht gilt.

    4. Oktober: Die Staatsanwaltschaft Mainz gibt die Einstellung der Ermittlungen gegen Böhmermann bekannt. Es seien "strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen".

    10. Oktober: Wie die Staatsanwaltschaft in Mainz offiziell erklärt, hat der Anwalt Erdogans Beschwerde gegen die Einstellung der Ermittlungen gegen Böhmermann eingelegt. Diese wird in Koblenz geprüft.

    Doch warum das alles?, fragt man sich. "Wir haben in den letzten Jahren viele Sachen gehabt, die im Fernsehen nicht funktionieren, die so links und rechts runtergefallen sind auf der Hobelbank", erklärt Böhmermann. Diese sollten nun umgesetzt werden. "Wir kommen ja vom Witz. Und da gehen wir auch wieder hin." dpa/ AZ

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