In der Silvesternacht endet das Urheberrecht Adolf Hitlers Propagandaschrift "Mein Kampf". Wie soll man umgehen mit der Schrift, die die Basis für die nationalsozialistische Ideologie bildet? Da das Urheberrecht auf Bayern übergegangen war, hat das Münchner Institut für Zeitgeschichte für Januar eine kommentierte Fassung vorbereitet. In Israel, dem von den Überlebenden des Holocausts gegründeten Land, wurde über das Buch bereits vor 30 Jahren intensiv diskutiert.
Der Deutsche Lehrerverband will die kommentierte Fassung im Oberstufenunterricht einsetzen - und stößt auf Kritik. Ganz ähnlich verlief die Debatte bereits in den 80er Jahren in Israel, als der Holocaustüberlebende Dan Jaron aus pädagogischen Gründen eine hebräische Ausgabe der Hetzschrift forderte. Auch dort waren Publikation und Vertrieb von "Mein Kampf" bis dahin gänzlich verboten.
Der 1999 gestorbene Jaron sei tief davon überzeugt gewesen, dass alle Israelis das Buch lesen sollten, erinnert sich Dan Michman, der leitende Historiker der zentralen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. "Er meinte, die Leute müssten kennenlernen, was der Nazi-Führer dachte, um so etwas für die Zukunft auszuschließen", sagte Michman. Das Internationale Institut für Holocaust-Forschung, das er in Yad Vashem leitet, habe seinerzeit aber nicht das Geld gehabt, eine hebräische Version zu publizieren.
"Mein Kampf" ist in Israel nur in Uni-Bibliotheken erhältlich
Schließlich finanzierte die Hebräische Universität von Jerusalem eine gekürzte Ausgabe der im Original 720 Seiten umfassenden ideologischen Programmschrift Hitlers. Diese sind ausschließlich in Uni-Bibliotheken erhältlich. Eine weitere Verbreitung ist auch heute untersagt, bestätigt das israelische Kulturministerium auf Anfrage.
Doch selbst wenn der Vertrieb erlaubt wäre, bliebe er für jüdische Verleger ein absolutes Tabu. Murray Greenfield, Gründer des Gefen Publishing House, das sich der Geschichte des Judentums widmet, sagt, "für kein Geld der Welt" würde er "Mein Kampf" herausgeben. "Meine Frau ist eine Holocaustüberlebende. Und obwohl ich ein entschiedener Gegner von Zensur bin, ist sie bei diesem Buch tief in uns verankert."
Andere antisemitische Propagandawerke sind dagegen in Israel relativ breit im Angebot, sagt Meir Litvak, ein Experte für Holocaust-Literatur. Er verweist auf "Die Protokolle der Weisen von Zion2, ein auf Fälschungen beruhendes Pamphlet vom Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts, das auch Hitler beeinflusste. "Das Buch ist hier allgemein verbreitet, obwohl es die populärste antisemitische Hetzschrift des vergangenen Jahrhunderts war", sagt Litvak. Bei "Mein Kampf" dagegen gebe es "eine emotionale Sperre. Das wird hier keiner verlegen."
Historiker Michman berichtet, dass es im Prinzip immer möglich war, sich Hitlers Pamphlet zu beschaffen - auch in Israel: "Auf Deutsch hatte das Buch eine Druckauflage von zwölf Millionen. Viele Exemplare gibt es noch. Auch Online ist es heutzutage bestellbar."
Die in Deutschland vorbereitete Version, an deren Kommentierung er mitgewirkt hat, findet der Experte von Yad Vashem wichtig für ein breiteres Verständnis. Die 3500 Anmerkungen würden den Hasstiraden des Autors Kontext verleihen, sagt Michman: "Da wird vieles klar werden. Wo Hitler seine Ideen hernahm. Und es wird erklärt, ob und wie er diese in Taten umsetzte." afp