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Ulm: Haftstrafen im Prozess um totgeprügelten Raphael

Ulm

Haftstrafen im Prozess um totgeprügelten Raphael

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    Eigentlich sollte am Montag vor dem Landgericht Ulm das Urteil im Fall um den totgeprügelten Raphael gesprochen werden. Ein Tagebuch brachte nun eine unerwartete Wendung.
    Eigentlich sollte am Montag vor dem Landgericht Ulm das Urteil im Fall um den totgeprügelten Raphael gesprochen werden. Ein Tagebuch brachte nun eine unerwartete Wendung. Foto: Stefan Puchner, dpa (Archiv)

    Die Eltern des totgeprügelten kleinen Raphael aus Geislingen (Kreis Göppingen) sind am Montag zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Das Landgericht Ulm befand die 29 Jahre alte Mutter und ihren ehemaligen Lebensgefährten der Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig. Obwohl bis zum Schluss nicht klar war, wer von beiden das Kind totgeschlagen hatte, verhängte das Landgericht Ulm über beide Angeklagten  jeweils fünf Jahre Haft. Aufgrund der Verzögerung des Verfahrens würden neun Monate davon als bereits vollstreckt gelten, urteilte der Richter. Die Staatsanwaltschaft hatte für beide siebeneinhalb Jahre Haft gefordert. Der Anwalt der Mutter will Revision gegen das Urteil einlegen.

    Der vierjährige Raphael hatte vor fünf Jahren durch Schläge in seiner Familie schwere Hirnverletzungen und Hirnblutungen erlitten. Er starb in einer Klinik in Tübingen. Wer ihm die tödlichen Schläge auf den Kopf versetzte, blieb bis zuletzt unklar. Die Angeklagten hatten sich über den ganzen Prozess hinweg gegenseitig beschuldigt. "Er verstarb durch rohe Gewalt, durch massive Gewalteinwirkung auf den Schädel", sagte Richter Gerd Gugenhan. Der Prozess sei von vielen Lügen bestimmt gewesen. Erst die Vernehmung von 65 Zeugen und die Verlesung langer Chatprotokolle habe die eine oder andere Lüge aufgedeckt.

    Der Fall erinnert an den gewaltsamen Tod des kleinen Alessio im Schwarzwald: Der Dreijährige war Mitte Januar vergangenen Jahres in Lenzkirch im Schwarzwald zu Tode geprügelt worden. Der Stiefvater des Jungen wurde für die Tat verurteilt. In Deutschland sind laut Polizeilicher Kriminalstatistik im vergangenen Jahr 130 Kinder getötet worden, also im Durchschnitt fast drei pro Woche.

    Vor dem Tod wurde das Kind immer wieder geschlagen, von Ohrfeigen bis zu Tritten gegen den Kopf, daheim, in der Kneipe. Keiner der beiden Angeklagten hätte den anderen zur Mäßigung angehalten. "Ganz im Gegenteil", sagte Gugenhan. Beide hätten die massive Gewalt gegen den kleinen Jungen als Mittäter zumindest billigend in Kauf genommen, den anderen gedeckt und gelogen, wenn es um Raphaels blaue Flecken ging oder um seine abgebrochenen Zähne.

    Die Angeklagten mussten nach Raphaels Tod im März 2011 bereits für knapp sechs Monate in Untersuchungshaft, seitdem waren sie aber wieder auf freiem Fuß. Das Verfahren wurde so lange verzögert, weil das Landgericht nach eigenen Angaben mit der Abarbeitung von Haftsachen lange überlastet gewesen sei. Das gemeinsame Kind der Angeklagten ist seit der Tat in der Obhut einer Pflegefamilie. Die angeklagte Mutter ist erneut hochschwanger. 

    Für Aufsehen sorgte kurz vor der Urteilsverkündung am Montag noch ein ominöses Tagebuch, dass der Anwalt der Mutter dem Gericht vorlegte. Das Tagebuch beweise, dass der 30-jährige Ex-Freund und nicht die Mutter den Jungen misshandelte und tötete. Der Richter äußerte Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Inhalts und lehnte mehrere Beweisanträge ab. "Das war der letzte Versuch, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen", sagte der Anwalt des Nebenklägers, des leiblichen Vaters von Raphael. dpa/lsw

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