Im Mordprozess gegen den angeklagten Paralympics-Sportler Oscar Pistorius gab es gestern einen Zwischenfall. Pistorius hat sich im Gerichtssaal übergeben. Der Grund war die Aussage des Gerichtsmediziners Gert Saayman. Er hatte Details aus dem Obduktionsergebnis vorgetragen. Dabei ging es um den Zustand der Leiche von Reeva Steenkamp und darum, wie ihr Todeskampf verlaufen sein könnte.
Auf Bitte des Experten hatte die Richterin vor Saaymans Aussage die Liveübertragung aus dem Saal verboten.
Pistorius verlor die Fassung während der Aussagen des Patholgen
Während Saaymans Ausführungen wurde Pistorius zusehends unruhig. Er verbarg seinen Kopf in den Armen, wischte sich mit einem Tuch über die Augen, fing an zu weinen. Als der Experte Steenkamps Verletzungen in allen Einzelheiten beschrieb, verlor Pistorius völlig die Fassung: Er würgte, übergab sich mehrmals in eine Plastikschüssel, schluchzte herzzerreißend und schnappte so heftig nach Luft, dass er Schluckauf bekam.
Nachdem Richterin Thokozile Masipa die Verhandlung auf Dienstag vertagte, blieb Pistorius noch minutenlang auf seiner Bank sitzen, bevor er am Arm seiner Schwester Aimée den Saal verließ.
Hat Pistorius Reeva Steenkamp vorsätzlich getötet?
Der am Unterschenkel amputierte Sprintstar hat seine Freundin vor rund einem Jahr in der Nacht zum Valentinstag durch die geschlossene Badezimmertür seines Hauses erschossen. Er beteuert, das 29-jährige Model für einen Einbrecher gehalten zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm dagegen vor, Steenkamp nach einem Streit vorsätzlich getötet zu haben.
Das ist Oscar Pistorius
Geburtsdatum: 22. November 1986
Geburtsort: Sandton/Südafrika
Behinderung: Pistorius wird durch einen Gendefekt ohne Wadenbeine und äußere Fußseiten geboren. Im Alter von elf Monaten werden ihm beide Beine unterhalb der Knie amputiert.
Größte Erfolge: - Paralympics 2004 in Athen Gold über 200 m, Bronze über 100 m; - Paralympics 2008 in Peking Gold über 100, 200 und 400 m; - Paralympics 2012 in London Gold über 400 und 4 x 100 m, Silber über 200 m Weltmeisterschaften 2011 in Daegu Halbfinale über 400 m Olympische Spiele 2012 in London Halbfinale über 400 m
Wichtige Entscheidungen: 14. Januar 2008: Der Leichtathletik-Weltverband IAAF entscheidet, dass seine Karbon-Prothesen Pistorius Vorteile verschaffen und er deshalb nicht an den Olympischen Spielen in Peking teilnehmen darf.
16. Mai 2008: Der Internationale Sportgerichtshof CAS hebt die IAAF-Entscheidung wieder auf. Pistorius verpasst aber die sportliche Qualifikation für die Spiele in Peking.
8. August 2011: Pistorius wird zusammen mit dem Sprinter Jason Smyth als erster behinderter Sportler für eine Leichtathletik-WM nominiert.
4. August 2012: Pistorius startet als erster beinamputierter Sportler der olympischen Geschichte bei den Spielen in London.
Nach den Ausführungen des Pathologen wurde Steenkamp insgesamt viermal von drei Kugeln getroffen: Eine traf sie rechts oben am Kopf, die restlichen trafen sie am rechten Ellbogen, der rechten Hüfte sowie am rechten Handteller. Kugel-, Holz- und Knochensplitter sorgten demnach für weitere Verletzungen. Laut Saayman setzte Pistorius eine tödliche Munition ein, die besonders großen Gewebeschaden anrichtet. Jede der Verletzungen an Kopf, Ellbogen und Hüfte war demnach tödlich.
"Der Tod ist ein Prozess, er kann mehrere Minuten dauern"
Doch bedeute dies nicht, dass das Opfer zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach tot sei, sagte der Gerichtsmediziner: "Der Tod ist ein Prozess, er kann mehrere Minuten dauern". Wie Saayman zudem enthüllte, hatte Pistorius' Freundin vermutlich zwei Stunden vor den tödlichen Schüssen kurz nach 03.00 Uhr morgens (Ortszeit) Gemüse und Käse gegessen. Davon hatte Pistorius in seinen Ausführungen während der Voranhörungen vor einem Jahr nichts berichtet: Nach seinen Angaben waren er und seine Freundin gegen 22. 00 Uhr ins Bett gegangen.
Im Laufe des Verfahrens hatten schon mehrere Zeugen den Sportler schwer belastet. afp/AZ