Gleich zwei Hinrichtungen von Behinderten in den US-Bundesstaaten Texas und Georgia sorgen international für Aufruhr. In Texas ist trotz internationaler Proteste ein geistig behinderter Mann hingerichtet worden. Das Todesurteil an dem wegen Mordes verurteilten 34-jährigen Yokamon Hearn sei am Mittwoch (Ortszeit) durch eine Giftspritze vollstreckt worden, teilten die Gefängnisbehörden mit. Ungeachtet der Proteste lehnte der Oberste Gerichtshof einen Aufschub des Urteils kurz vor der Hinrichtung ab.
Verurteilter wurde mit Tierbetäubungsmittel hingerichtet
Der Afroamerikaner war 1998 für schuldig befunden worden, im Alter von 19 Jahren einen 26-Jährigen entführt und mit zwölf Schüssen getötet zu haben. Nach Angaben der US-Aktivistengruppe gegen die Todesstrafe Standdown wurde bei Hearn schon als Kind eine geistige Behinderung festgestellt, die auf den Alkoholkonsum seiner Mutter und schwere Vernachlässigung zurückzuführen sei. Laut Gefängnisbehörden wurde zum ersten Mal in Texas ein Gefangener mit dem Tierbetäubungsmittel Pentobarbital hingerichtet. Mehrere Staaten greifen inzwischen auf dieses Mittel zurück, seit einer der Wirkstoffe in der sonst üblichen Mischung aus drei Giftstoffen knapp geworden ist.
Der Oberste Gerichtshof lehnte am Mittwoch einen Aufschub der Hinrichtung ab, nachdem ein Appellationsgericht in Texas bereits am Montag Hearns Berufung wegen "unwirksamer Unterstützung" durch den Rechtsbeistand abgelehnt hatte. Hearns Anwälte hatten es nach Ansicht der Richter nicht geschafft, genügend Beweise für dessen Behinderung zu liefern.
Linke fordert schärfere Kontrolle beim Export
Die Todesstrafe in den USA
Die USA sind einer von weltweit 57 Staaten, in denen die Todesstrafe vollstreckt wird. Amnesty International registrierte 2011 nur in China, dem Iran, Saudi-Arabien und Irak mehr Hinrichtungen als in den Vereinigten Staaten.
In vielen der 50 US-Bundesstaaten sehen Gesetze die Todesstrafe für schwere Verbrechen vor. Darüber hinaus kann die Todesstrafe im ganzen Land nach Bundes- und Militärrecht verhängt werden.
Seit Wiederaufnahme der Hinrichtungen 1977 wurden nach Angaben des US-Death Penalty Information Centers (DPIC) 1300 Todesurteile vollstreckt.
Häufigste Hinrichtungsart ist die Giftspritze. Andere Straftäter starben auf dem elektrischen Stuhl, in der Gaskammer, wurden erschossen oder gehängt.
Laut Amnesty International wurden in den USA seit 1977 auch mindestens 44 Gefangene mit geistigen Behinderungen hingerichtet. Nach US-Recht besteht kein generelles Verbot für Hinrichtungen von Menschen mit geistigen und psychischen Erkrankungen.
Voraussetzung für den Vollzug eines Todesurteils ist, dass der Todeskandidat die Gründe für seine Strafe versteht, was als Beleg für seine Schuldfähigkeit gesehen wird.
Anfang 2012 saßen nach DPIC-Angaben 3189 Todeskandidaten hinter Gittern, die meisten in Kalifornien (723), Florida (402) und Texas (312).
Durch Anfechtungen des Urteils, Wiederaufnahmeverfahren oder andere Verzögerungen können Jahrzehnte vom Urteil bis zur Hinrichtung vergehen.
Seit 1973 wurden in den USA 140 Menschen wegen erwiesener Unschuld oder erheblicher Zweifel an ihrer Schuld wieder aus den Todeszellen entlassen.
Allein 2009 wurden neun Gefangene nach einem vorherigen Todesurteil freigesprochen. Bis zu ihren Entlassungen waren sie insgesamt 121 Jahre inhaftiert.
Die Linken-Fraktion im Bundestag forderte indes eine schärfere Kontrolle beim Export von Betäubungsmitteln, damit Wirkstoffe "aus deutscher Produktion nicht für Hinrichtungen verwendet werden". Die Bundesregierung solle sich innerhalb der EU dafür einsetzen, dass der Wirkstoff Propofol auf die Liste der Anti-Folter-Verordnung aufgenommen werde, erklärte Linken-Abgeordnete Kathrin Vogler, die auch stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses ist. Einige Bundesstaaten überlegten derzeit, auf diesen Wirkstoff auszuweichen, da die bisher bei Todesstrafen verwendeten Giftstoffe knapp würden, erklärte Vogler.
Auch Georgia plant Hinrichtung eines geistig Behinderten
Das UN-Menschenrechtskommissariat in Genf hatte sowohl Texas als auch den US-Bundestaat Georgia aufgefordert, die Hinrichtunge geistig Behinderter zu stoppen. In Georgia wurde die Vollstreckung des Todesurteils gegen den ebenfalls geistig behinderten Warren Hill wegen Änderung der Injektion von Mittwoch auf Montag verschoben. Der 52-jährige soll nun ebenfalls durch einen statt drei Giftstoffe sterben.
Frankreich verurteilte die Hinrichtung Hearns scharf und forderte eine sofortige Aussetzung der Todesstrafe in den USA. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte am Donnerstag vor Journalisten in Paris, dass diese Hinrichtung gegen international anerkannte Standards verstoße, wonach die Todesstrafe bei behinderten Menschen nicht angewendet werden dürfe. AFP/AZ