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Spieleforschung: Für immer Kind sein? Warum auch für Erwachsene das Spielen wichtig ist

Spieleforschung

Für immer Kind sein? Warum auch für Erwachsene das Spielen wichtig ist

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    Prof. Rainer Buland leitet seit 2007 das Institut für Spielforschung an der Universität Mozarteum.
    Prof. Rainer Buland leitet seit 2007 das Institut für Spielforschung an der Universität Mozarteum. Foto: privat

    Herr Prof. Buland, ist Spielen für Erwachsene wichtig?

    Buland: Die Frage ist gefährlich. Erst muss geklärt werden, was wir unter „spielen“ verstehen. So genannte Gameshows oder auch Glücksspiele sind nicht wichtig. Aber alle anderen Spielformen, die mit Freude und in Gesellschaft betrieben werden, sind auch für Erwachsene sehr wichtig. Solche Spiele halten uns gesund. Der Fachbegriff dazu heißt Psychoimmunologie. Die Mediziner fragen: Was hält uns gesund? Die Antwort ist eindeutig: Gute Ernährung, viel Bewegung und alles, was mit Freude, Geselligkeit, Spiel zu tun hat.

    Erkennen Sie einen Trend: Ist Karteln heute noch so beliebt wie früher oder haben ihm aufwendige Gesellschaftsspiele, die nicht selten elektronisch unterstützt werden, längst den Rang abgelaufen?

    Buland: Ich bin kein Trendforscher. Und ich bin bei Trends immer sehr skeptisch. Denn bei Trendforschung geht es ja vor allem um die Vermarktung. Da kann schon eine Gruppe junger Menschen etwa in München von einem hochpreisigen, neuen Spiel begeistert sein und diese Gruppe puscht dann dieses Spiel hoch. Dennoch haben wir es hier mit einer Minderheit zu tun. Aber zu Ihrer Frage, ob Kartenspielen noch so beliebt ist: Ich bin überzeugt, Karteln bleibt.

    Warum?

    Buland: Ich beobachte erfreulicherweise, dass viele der klassischen Spiele nach wie vor beliebt sind. Das belegen ja auch die Verkaufszahlen. Und nicht wenige haben schon zu Hause mit dem Vater oder dem Großvater Karten gespielt, haben vielleicht sogar noch die Karten und behalten diese Tradition auch bei.

    Und sollte beim Karteln auch um Geld gespielt werden?

    Buland: Ja, um ganz kleine Beträge. Es gibt zwei Möglichkeiten, beim Spiel Spannung zu erzeugen: Entweder ist das Spiel selbst, also der Spielmechanismus extrem spannend, oder man erzeugt Spannung, indem man minimale Geldbeträge gewinnen kann.

    Spieleforscher: Ein bisschen Schummeln ist erlaubt

    Zu den Klassikern gehören auch Brettspiele. Erfreuen sie sich ebenfalls bleibender Beliebtheit?

    Buland: Große Zuwächse sind hier sicher nicht mehr zu erzielen. Aber wie beim Kartenspiel haben Brettspiele ihren festen Platz. Wir haben im deutschsprachigen Raum eine weltweit einzigartige Brettspielkultur. Die ist echt klasse. Entstanden ist sie übrigens ab den 50er Jahren als erste Spielekritiker auf den Plan traten. Zuerst war die Spielebranche entsetzt. Doch man erkannte, dass eine gute Kritik den Verkaufserfolg massiv beschleunigte. Ein wichtiges Kriterium ist heute auch die Nennung des Autors auf der Verpackung, also sogenannte Autorenspiele. Zum Beispiel bürgt der Name Klaus Teuber, der Erfinder von Spielen wie die „Siedler von Catan“, für Qualität.

    Ärgerlich ist allerdings, wenn Spieler wiederholt schummeln. Was steckt eigentlich hinter dieser Verhaltensweise?

    Buland: Die Ursache ist eindeutig in unserer Gesellschaft zu suchen. Medial werden bei uns vor allem Gewinner inszeniert. Und bei den Gewinnern fragt niemand genau nach, ob er wirklich durch ehrliche Arbeit zu seinem Reichtum gekommen ist. Meist wird die Frage, wie der einzelne zu seinem Vermögen kam, ausgeblendet. Daher ist Schummeln in unserer Gesellschaft erlaubt. Denn ein gewisses Maß an Schummeln ist schließlich einfach nötig, um reich zu werden.

    Ein bisschen schummeln ist also erlaubt. Aber was sollten Eltern tun, deren Kinder beim Spiel stets gewinnen wollen? Nicht selten wollen die Kleinen gar nicht mehr mitspielen, reagieren trotzig und aggressiv. Sollten Eltern ihre Kinder gewinnen lassen?

    Buland: Ich würde mit Kindern bis etwa zur Schulzeit überhaupt kein Spiel spielen, bei dem es um Gewinne geht. Vor der Schule haben solche Spiele nichts im Kinderzimmer verloren. Denn die Kinder können noch nicht zwischen Spiel und Realität unterscheiden. Das ist ein grundlegender Unterschied, und den können Kinder erst ab einem bestimmten Alter begreifen.

    Erkenntnis der Spieleforschung: Kinder lernen viel beim Spielen

    Wie wichtig ist überhaupt das gemeinsame Spiel zwischen Eltern und Kindern?

    Buland: Das ist ganz entscheidend. Denn das Spiel ist die einzige Begegnungsstätte, in der Kinder und Eltern auf Augenhöhe miteinander agieren können. Da darf beispielsweise die Tochter den Papa in die Pfanne hauen – und umgekehrt.

    Viele Eltern wollen aber mit dem Spiel auch konkrete Ziele erreichen, etwa naturwissenschaftliches Interesse wecken. Gelingt das?

    Buland: Eindeutig nein. Das wurde beispielsweise schon in den 1990er Jahren versucht. Damals waren Umweltspiele in Mode, die ein höheres Umweltbewusstsein zum Ziel hatten. Dahinter steckt zwar eine gute Absicht, aber es gelingt nicht. Mit Spielen lassen sich keine Ziele erreichen. Denn Kinder durchschauen die Absicht, sie sind nicht blöd. Das heißt aber nicht, dass Kinder beim Spielen nicht enorm viel lernen. Im Gegenteil. Die emotionalen und rationalen Fähigkeiten werden beim Spielen wunderbar geschult. Aber es wird eben nicht das Ziel erreicht, das die Eltern vorgeben.

    Immer mehr Spiele sind auch mit modernen Kommunikationsmedien wie dem Smartphone verknüpft. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

    Buland: Gegen diese Entwicklung ist grundsätzlich nichts zu sagen. Denn jedes neue Medium bietet auch viele neue Spielchancen. Das finde ich toll. Das Problem ist nur, dass ein Großteil der Produkte Schrott ist. Hier muss wie bei dem wachsenden Bücher- oder auch Fernsehmarkt gut ausgewählt werden und zum Beispiel auch auf die Qualität des Spielmaterials geachtet werden.

    Kaum Zuwachs bei Ego-Shooter-Spielen

    Wie beurteilen Sie Computerspiele?

    Buland: Auch hier sehe ich einen erfreulichen Trend: Denn mit Ego-Shooter-Spielen lassen sich keine Zuwächse mehr erzielen. Diese Spiele gibt es. Und gerade junge Männer sind in einem bestimmten Alter auch davon fasziniert. Das legt sich aber in der Regel spätestens etwa bis zum 30. Lebensjahr wieder. Bei erwachsenen Männern, die diese Ballerspiele mögen, muss man schon beinahe sagen, lieber sie schießen am Computer als in der Realität. Da aber auch immer mehr Mädchen am Computer spielen, gibt es auch hier immer mehr gute Angebote.

    Beantworten Sie uns noch eine letzte persönliche Frage: Was spielen Sie am liebsten?

    Buland: Ich bin ja Forscher an einer Kunst-Universität. Für mich ist Forschung auch ein Spiel, eine Art Detektiv-Spiel. Nur die Fragen sind anders. Nicht: „Wer war der Mörder?“ Sondern zum Beispiel in meinem letzten Buch: „Wer hat im Mai 1934 bei der Schach-Simultanpartie in München gegen den Weltmeister Aljechin gespielt?“ Das erstaunliche Ergebnis: Es waren ziemlich viele Frauen dabei, die noch dazu sehr gut gespielt haben. Dann stellte ich gleich die nächste Frage: Warum ist das so? Und dann bin ich drauf gekommen, dass es in München einen Damen-Schachclub gegeben hat und die damals zweitbeste Spielerin der Welt aus München kam. Forschung ist für mich das schönste Spiel. Aber auch die Musik ist ein Spiel. Ich spiele Klavier, meine 13-jährige Tochter Horn.

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