Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

"Vatileaks-Affäre": Ex-Kammerdiener hortete tausende persönliche Dokumente des Papstes

"Vatileaks-Affäre"

Ex-Kammerdiener hortete tausende persönliche Dokumente des Papstes

    • |
    Der Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, sitzt am 23.05.2012 vor Papst Benedikt XVI in Rom im Papamobil. In der Enthüllungsaffäre «Vatileaks» muss sich der beschuldigte Kammerdiener wegen schweren Diebstahls vor Gericht verantworten.
    Der Kammerdiener von Papst Benedikt XVI., Paolo Gabriele, sitzt am 23.05.2012 vor Papst Benedikt XVI in Rom im Papamobil. In der Enthüllungsaffäre «Vatileaks» muss sich der beschuldigte Kammerdiener wegen schweren Diebstahls vor Gericht verantworten. Foto: dpa

    Der wegen Diebstahls vor Gericht stehende ehemalige päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele  hat nach Aussagen von Zeugen mehr als tausend Dokumente des Kirchenoberhauptes gehortet. Die Kopien und Originale hätten 82  Kisten gefüllt, sagten Beamte der Vatikan-Polizei am Mittwoch im  Verfahren um die sogenannte Vatileaks-Affäre aus.

    Offenbar mehr als tausend Dokumente beschlagnahmt

    Einer der vatikanischen Polizisten sagte, in Gabrieles Wohnung  im Vatikan seien "mehr als tausend Dokumente von Bedeutung"  beschlagnahmt worden. Dazu gehörten Schriftstücke, die an Papst  Benedikt XVI. gerichtet oder von ihm unterschrieben gewesen seien.  Einige streng geheime Unterlagen habe der Papst selbst zur  Vernichtung gekennzeichnet.

    Gefunden wurden in Gabrieles Wohnung demnach auch Papiere über  Freimaurer in Italien, über Yoga und Bespitzelungstechnologien.  Unter den vom Ex-Kammerdiener entwendeten Briefen seien auch solche  von Kardinälen und Politikern gewesen. Kodierte Schreiben, wie sie  innerhalb der vatikanischen Diplomatie ausgetauscht werden, wurden  demnach ebenfalls gefunden.

    Dutzende Dokumente hätten "die absolute Intimsphäre und das  Familienleben des Heiligen Vaters" betroffen, sagte ein Polizist.  Neben den Dokumenten beschlagnahmte die Polizei den Angaben zufolge  auch Festplatten, Speicherkarten, Laptops und ein iPad. Diese  würden noch immer untersucht.

    Ex-Kammerdiener drohen bis zu vier Jahre Haft

    Gabriele wird in dem Prozess schwerer Diebstahl vorgeworfen. Er  soll über Monate hinweg vertrauliche Dokumente kopiert und dem italienischen Journalisten Gianluigi Nuzzi zugespielt zu haben. Die  Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung, die jeweiligen  Erwiderungen darauf und ein Schlusswort des Angeklagten seien für  Samstag vorgesehen, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am  Mittwoch. Noch am Samstag würden sich die drei Richter zurückziehen  und später das Urteil verkünden.

    Dem Ex-Kammerdiener drohen bis zu vier Jahre Haft. Allerdings  rechnen Beobachter damit, er könne begnadigt werden. Gabriele gibt  zwar zu, vertrauliche Dokumente gestohlen zu haben, hält sich aber  nicht für schuldig. Nach eigener Darstellung glaubte er, der Papst  werde im Vatikan manipuliert, da er nicht gut über Vorgänge in der  Kirche informiert gewesen sei. Bereits während der Ermittlungen  hatte der verheiratete Vater dreier Kinder gesagt, er habe "das  Böse und Korruption" im Vatikan bekämpfen wollen.

    Vor seinen Richtern sagte der 46-jährige Angeklagte am Dienstag,  er habe lediglich eine Schuld gegenüber Papst Benedikt XVI.  persönlich auf sich genommen: "Bezüglich des schweren Diebstahls  erkläre ich mich für unschuldig, aber ich fühle mich schuldig, das  Vertrauen des Heiligen Vaters, das er in mich gesetzt hat, verraten  zu haben."

    Gabriele: "Ohne Komplizen" gehandelt

    Kleines Kirchenlexikon

    Apostolische Reise: Die "Dienstreisen" des Papstes außerhalb Italiens werden als Apostolische Reisen bezeichnet. Bei offiziellen Reisen innerhalb Italiens spricht der Vatikan von Pastoralbesuchen. Der Deutschlandbesuch ist die 21. Auslandsreise Benedikts XVI.

    Eucharistiefeier: Höhepunkt einer Eucharistiefeier (von griech. eucharistía = Danksagung) ist die Wandlung von Brot und Wein zu Leib und Blut Christi. Da die Protestanten diese Glaubensüberzeugung nicht teilen, untersagt ihnen die katholische Kirche die Teilnahme an der Heiligen Kommunion, bei der gewandelte Leib Christi meist in Form einer Hostie ausgegeben wird. Papst Benedikt XVI. plant auf seiner Reise öffentliche Eucharistiefeiern in Berlin (Olympiastadion), Erfurt (Domplatz) und Freiburg (Flughafengelände).

    Ökumene: Der Begriff Ökumene stammt aus dem Griechischen (oikouméne = das Bewohnte, die bewohnte Erde) und wird in erster Linie für das Ringen um die Einheit der Christen verwendet. Die moderne ökumenische Bewegung entstand an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Papst Benedikt XVI. trifft sich auf seiner Deutschlandreise im evangelischen Augustinerkloster Erfurt mit Vertretern der Evangelischen Kirche in Deutschland zu einem Gespräch und einem ökumenischen Gottesdienst. In Freiburg steht ein Treffen mit Vertretern der orthodoxen Kirche auf dem Programm.

    Orthodoxe Kirche: Die orthodoxen Kirchen (von altgriech. orthós = richtig, geradlinig und dóxa = Verehrung, Glaube) haben ihre Wurzeln im östlichen Mittelmeerraum und in Süd- und Osteuropa. Mit der römisch-katholischen Kirche besteht eine weitgehende Übereinstimmung in Glaubensfragen. Derzeit gibt es weltweit rund 300.000 Millionen Orthodoxe, in Deutschland rund 1,5 Millionen. Der Papst trifft in Freiburg Vertreter der orthodoxen Kirchen in Deutschland.

    Angelusgebet: "Der Engel des Herrn" (Angelus) ist ein katholisches Gebet, das morgens, mittags und abends gesprochen wird. Der Papst will auf seiner Deutschland-Reise am Samstagnachmittag im Freiburger Münster ein Angelus-Gebet halten.

    Vesper: Die Vesper (von lat. vespera = Abend) ist der abendliche Teil des Stundengebetes der katholischen Kirche und wird in der Regel gegen 18.00 Uhr gebetet. Wichtige Elemente sind die alttestamentarischen Psalmen sowie Gesänge und Lesungen aus dem Neuen Testament. Bei einer Marianischen Vesper, wie sie im Marien-Wallfahrtsort Etzelsbach in Thüringen gefeiert wird, schließt das Gebet mit einem Mariengesang ab.

    Vigil: Die Vigil (von lat. vigilia = Nachtwache) ist ein Teil des katholischen Stundengebets und bezeichnet eine Gebetszeit in der Nacht oder am frühen Morgen. Papst Benedikt XVI. feiert auf seiner Deutschlandreise eine Vigil mit Jugendlichen auf dem Messegelände in Freiburg. Auf den Weltjugendtagen hat der Papst in den vergangenen Jahren regelmäßig die Vigil mit Jugendlichen gebetet, zuletzt am 20. August in Madrid.

    Die Apostolische Nuntiatur: Nuntius ist lateinisch und bedeutet Botschafter. Der Apostolische Nuntius ist der Botschafter des Papstes im jeweiligen Land, in Deutschland ist seit 2007 Nuntius Erzbischof Jean-Claude Périsset. Der Standort ist in Neukölln, Lilienthalstraße, neben St. Johannes-Basilika und Hasenheide.

    Gabriele gab am Dienstag an, "ohne Komplizen" gehandelt zu  haben, jedoch über zahlreiche "Kontakte" im Vatikan zu verfügen. Er  sei außerdem nicht der einzige gewesen, der "im Laufe der Jahre vertrauliche Informationen an die Medien weitergegeben" habe. Für die Papiere habe er kein Geld bekommen.

    Vor Gericht kritisierte Gabriele auch die Bedingungen seiner  Haft im Vatikan. Zunächst sei er in einer Zelle gewesen, in der  rund um die Uhr das Licht gebrannt habe und er nicht einmal seine  Arme habe ausstrecken können. Er sprach von "psychologischem  Druck". Die Polizei erklärte dazu, die Vorschriften für die Zelle  entsprächen denen in anderen Ländern. afp/AZ

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden