Dass die Abteilung Unterhaltung im ZDF so darniederliegt, dass der Mainzer Sender das Risiko scheut, vor der Konkurrenz einknickt und Feigheit für eine Tugend hält – da glaubt man nicht, dass mal einer wie Dietmar Schönherr fürs ZDF gearbeitet hat. Man kann sich heute kaum mehr vorstellen, dass zu Beginn der 70er Jahre eine Sendung wie „Wünsch Dir was“ den Samstagabend prägte.
Ehefrau Vivi Bach assistierte Dietmar Schönherr
Da wurde einmal ein Auto in einem Pool versenkt, sodass die Familienmutter gerade noch gerettet werden konnte. Eine junge Dame trug eine hauchdünne Bluse ohne BH darunter, und eine andere junge Frau hängte sich locker eine Riesenschlange um die Schultern. Zwischendurch gab es sogar so etwas wie politische Gespräche. Moderator war der Tiroler Schauspieler Dietmar Schönherr, assistiert von seiner Ehefrau Vivi Bach – dem einstigen Filmsternchen mit dem süßen dänischen Akzent.
Die Popularität von Dietmar Schönherr machte aus, dass er nicht nur Schauspieler und Gastgeber für den Samstagabend war. Er war der erste Talkshow-Moderator („Je später der Abend“) und einer, der sich gerne dem Regelwerk des Showgeschäfts entzog.
Schönherr entzog sich gerne dem Regelwerk des TV-Geschäfts
Jetzt ist er im Alter von 88 Jahren in der Nacht zum Freitag auf Ibiza gestorben, sagte ein Sprecher von Schönherrs Hilfsorganisation Pan y Arte (Brot und Kunst) in Münster.
Als junger Mann hatte Schönherr leichte bis seichte alpenländische Streifen gedreht. Sein Blick zurück, zynisch, aber ohne Zorn: „Wenn man mit irgendeinem blonden Mädchen in Schwarzwälder Tracht auf der Wiese sitzt und sagt ,Ich liebe dich‘, da wäre auch Humphrey Bogart nicht gut gewesen.“
Aber dann kam das Fernsehen und mit ihm Commander Cliff Allister McLane, der Held der Science-Fiction-Serie „Raumpatrouille“ (Raumschiff Orion). Die 1966 ausgestrahlten Folgen wurden im Lauf der Jahrzehnte immer populärer, sind auch deshalb in die TV-Geschichte eingegangen, weil aus Geldmangel selbst Bügeleisen zweckentfremdet wurden. Dennoch war die siebenteilige Serie ein Straßenfeger. „Trash-Charme“ würde man heute sagen.
Dietmar Schönherr nicht nur als Schauspieler und Entertainer gewürdigt
ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler würdigte Schönherr nicht nur als Schauspieler und Entertainer. „Vor allen Dingen aber geht mit ihm ein Unbeugsamer und Aufrechter, der, wenn es darauf ankam, kein Blatt vor den Mund nahm, einer, der sich sozial engagierte und für die Gesellschaft Verantwortung übernahm.“ Als Theatermann stand Schönherr unter anderem in Salzburg, Berlin und Zürich auf der Bühne. Und er war trotz seines Mittelamerika-Engagements der Heimat verbunden. Die Tiroler Volksschauspiele in Telfs hat er mitbegründet.
Als Friedensaktivist und Entwicklungshelfer war Schönherr zeit seines Lebens auch ein politischer Kopf. Den US-Präsidenten Ronald Reagan nannte er einen „Verbrecher“. Schönherr beteiligte sich 1983 auch an der Blockade des US-Raketenstützpunktes in Mutlangen. Hätte es damals schon soziale Netzwerke gegeben, hätte Schönherr Stürme der Entrüstung wie der Zustimmung entfacht.
Schönherr und Vivi Bach lebten auf Ibiza
In Deutschland und Österreich fühlte er sich auf Dauer nicht mehr wohl. Zusammen mit seiner 2013 gestorbenen Frau Vivi war er 1990 nach Ibiza gezogen. Seine letzten Lebensjahre bescherten ihm viele schöne Momente: „Die meiste Zeit verbringe ich auf meiner Terrasse und schaue stundenlang aufs Meer. Das ist wunderbar.“
Die Hauptrolle spielte für ihn aber Nicaragua. Schönherr engagierte sich immer wieder in dem zentralamerikanischen Land, wo er auch gerne den verschmitzten Grandseigneur gab.
Erste Rolle im Nazi-Propagandafilm
Was trieb Schönherr an? Es sei wohl auch „Wiedergutmachung“ räumte der Schauspieler ein, und sprach über seine Jugendzeit unter den Nazis. Er war Pimpfenführer in der Hitlerjugend, wo er 1943 für den Film entdeckt wurde. Seine erste Rolle spielte er in dem Nazi-Propagandafilm „Junge Adler“.
Als Erwachsener dann Schönherr, der Unbeugsame. Dabei hasste er alle Etiketten. Wichtiger war ihm, in allem, was er unternahm, glaubwürdig zu sein.
Programmänderungen In der Nacht zum Sonntag: 0.10 Uhr, NDR: „Tatort“-Krimi „Passion“ (1999) mit Sophie Rois und Harald Krassnitzer.
Sonntag, 14.45 Uhr, ARD: „Brücke zum Herzen“ (2005). Vater-Tochter-Film mit Simone Thomalla.