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Vor dem Urteil: Die fünf wichtigsten Fragen zum Pistorius-Prozess

Vor dem Urteil

Die fünf wichtigsten Fragen zum Pistorius-Prozess

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    Sprint-Star Oscar Pistorius auf der Anklagebank. Am Donnerstag fällt voraussichtlich das Urteil in dem aufsehenerregenden Prozess.
    Sprint-Star Oscar Pistorius auf der Anklagebank. Am Donnerstag fällt voraussichtlich das Urteil in dem aufsehenerregenden Prozess. Foto: Chris Collingridge, dpa

    Rund 19 Monate nach den tödlichen Schüssen von Oscar Pistorius auf seine Lebensgefährtin Reeva Steenkamp wird in dem aufsehenerregenden Prozess das Urteil gefällt. Voraussichtlich am Donnerstag soll im Gericht der Hauptstadt Pretoria verkündet werden, ob Südafrikas ehemalige Sportikone ins Gefängnis muss. Dem 27-jährigen Pistorius drohen bis zu 25 Jahre Haft. Die folgenden Fragen werden wohl über sein Schicksal entscheiden:

    Wer entscheidet über Pistorius' Schuld oder Unschuld?

    In Südafrikas Justiz gibt es nicht wie etwa in den USA Geschworenengerichte. Richterin Thokozile Masipa wird das Urteil weitgehend allein fällen. Ihr sind zwei Beisitzer zur Seite gestellt, Themba Mazibuko und Janet Henzen-du Toit. Nur wenn beide zu einem anderen Schluss kommen als Masipa können sie die Richterin überstimmen.

    Hat der Prozess einen eindeutigen Beweis erbracht?

    Der Fall Pistorius - eine Chronologie

    14. Februar 2013: Steenkamps Leiche wird in Pistorius' Wohnung gefunden. Der Sportler hatte die 29-Jährige durch die geschlossene Toilettentür mit vier Schüssen aus einer seiner Schusswaffen getötet. Er wird festgenommen.

    15. Februar 2013: Bei einem ersten Gerichtstermin, bei dem Pistorius Mord an seiner Freundin zur Last gelegt wird, bestreitet er den Mordvorwurf.

    19. Februar 2013: Pistorius macht geltend, er habe hinter der Toilettentür einen Einbrecher vermutet und "furchtbare Angst" gehabt.

    22. Februar 2013: Pistorius wird gegen eine Kaution von umgerechnet 75.000 Euro freigelassen.

    März 2014: Zum Prozessauftakt sagt eine Zeugin aus, sie habe in der Tatnacht "schreckliche Schreie" einer Frau und Schüsse gehört. Pistorius übergibt sich bei der Verlesung des Autopsieberichts.

    April 2014: Pistorius beginnt seine Aussage mit einer Entschuldigung bei Steenkamps Familie. Immer wieder bricht er im Kreuzverhör in Tränen aus und verwickelt sich auch in Widersprüche.

    30. Juni 2014: Nach sechswöchiger Pause, in der sich Pistorius psychiatrischen Untersuchungen unterziehen muss, erklären drei Psychiater und ein Psychologe, dass der Angeklagte zur Tatzeit voll schuldfähig war.

    11. September 2014: Richterin Thokozile Masipa spricht Pistorius von den Vorwürfen des Mordes und des Totschlages frei.

    12. September 2014: Pistorius wird wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässigen Waffengebrauchs in einem Fall schuldig gesprochen.

    21. Oktober 2014: Das Strafmaß wird verkündet: maximal fünf Jahre Gefängnis. Pistorius muss seine Haft sofort antreten.

    10. Dezember 2014: Die Berufung wird zugelassen.

    19. Oktober 2015: Pistorius wird auf Bewährung und unter Auflagen vorzeitig aus der Haft in den Hausarrest entlassen.

    3. November 2015: Im Berufungsverfahren fordert die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Mordes

    3. Dezember 2015: Pistorius wird wegen Mordes schuldig gesprochen, der Fall wird an die Vorinstanz zurückverwiesen.

    3. März 2016: Das Verfassungsgericht weist eine Beschwerde des Sportlers gegen den Schuldspruch zurück.

    6. Juli 2016: Pistorius wird zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Er tritt seine Strafe sofort an. Sowohl Anklage als auch Verteidigung können Berufung gegen das Strafmaß einlegen.

    Nicht wirklich. Anklage und Verteidigung waren besser darin, die Argumentation der Gegenseite auseinander zu nehmen als eine eigene schlüssige Version der Ereignisse in der Tatnacht zu präsentieren. Allerdings hat Pistorius im laufenden Prozess offenbar seine Argumentation abgeändert. Anfangs sagte er, er habe Steenkamp erschossen, weil er sie für einen Einbrecher hielt. Später sagte er, er habe die Schüsse auf die Person hinter der Badezimmertür "unabsichtlich" abgegeben.

    Nach Einschätzung des südafrikanischen Anwalts David Dadic schwächte Pistorius mit dieser Abänderung seine Position. Hinzu kommen die weiteren Anklagen im Zusammenhang mit früheren Waffenvergehen. Diese vergleichsweise unbedeutenden Vorwürfe hätten den Charakter des Angeklagten in ein schlechtes Licht gerückt, sagt Dadic, der den Pistorius-Prozess als Blogger beobachtet.

    Kann Pistorius einer Verurteilung entgehen?

    Der Angeklagte hat zugegeben, die tödlichen Schüsse abgefeuert zu haben. Das Gericht muss nun entscheiden, ob es sich dabei um eine kriminelle Tat handelte. Für eine Verurteilung wegen Mordes müsste die Staatsanwaltschaft bewiesen haben, dass Pistorius seine Lebensgefährtin in voller Absicht tötete. Liege nur eine indirekte Tötungsabsicht vor, könne die Richterin auch auf Totschlag entscheiden, sagt Dadic. Dass Pistorius überhaupt nicht schuldig gesprochen wird, hält Dadic dagegen für unwahrscheinlich.

    Die Verteidigung zeichnete von Pistorius das Bild eines extrem verwundbaren Menschen mit schwerer Behinderung, der aus tiefsitzender Angst und nicht aus Wut die tödlichen Schüsse abgab. Doch Pistorius wegen seiner Behinderung von allen Vorwürfen freizusprechen, würde Dadic zufolge einen "schlechten Präzedenzfall" schaffen.

    Wird Pistorius ins Gefängnis gehen?

    Wenn Richterin Masipa den Angeklagten schuldig spricht, obliegt es ihr, eine entsprechende Strafe festzulegen. Das Strafmaß ist nur für eine Verurteilung wegen Mordes gesetzlich festgelegt: 25 Jahre. Bei einer Verurteilung wegen Totschlags ist dagegen laut Dadic von einer Bewährungsstrafe bis zu einer mehrjährigen Haftstrafe alles möglich.

    Wird Pistorius im Fall einer Verurteilung ins Gefängnis gehen?

    Wahrscheinlich ja. Davon gehen zumindest alle aus, die mit dem Fall vertraut sind. "Das ist erst der Anfang", sagt Dadic. "Ich glaube nicht, dass Oscar ins Gefängnis geht, bis er alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, das Verfassungsgericht eingeschlossen." afp

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