Erstmals seit dem tragischen Unglück des Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" vor zweieinhalb Jahren schwimmt das Riesenwrack wieder. Nachdem am Montag die letzten Vorbereitungen für den Abtransport des Schiffes begonnen hatten, konnte der Chefingenieur der Bergungsmannschaft am Vormittag einen ersten Teilerfolg bekannt geben: "Das Schiff schwimmt", sagte Franco Porcellacchia.
Die "Costa Concordia" habe sich einen Meter von der Unterwasserplattform abgehoben, auf der sie während der monatelangen Vorbereitung des Abtransports lag, sagte Porcellacchia. Das Wrack müsse nun noch einen weiteren Meter aufsteigen, bevor es langsam auf das offene Meer geschleppt werden könne.
Um das Schiff vor der italienischen Insel Giglio anzuheben, befestigten Ingenieure und Techniker 30 Wassertanks an beiden Flanken des mehr als 114.000 Tonnen schweren Kolosses. Mit Hilfe komprimierter Luft sollte das Wasser dann aus den Tanks gedrückt werden, damit diese auftreiben und das Schiff anheben. Anschließend soll das Schiff zur Verschrottung nach Genua geschleppt werden.
Vom gekaperten Schiff bis zum sinkenden Öltanker ist dem Experten nichts zu schwer
Den Einsatz leitet Nick Sloane. Er hat schon ein von Piraten gekapertes brennendes Schiff aus dem Golf von Aden gezogen und einen sinkenden Öltanker vor Mexiko gerettet - doch die größte Herausforderung für den Experten aus Südafrika ist die Bergung der "Costa Concordia". Noch nie zuvor wurde versucht, ein derart großes Passagierschiff wieder schwimmfähig zu machen. Es soll zur Verschrottung nach Genua geschleppt werden.
"Ich bin ein bisschen nervös", gestand Sloane vor dem Beginn der Anhebung des Schiffes am Montag ein. Er hat einen Ruf zu verlieren in der Toskana, der Region, aus der sein Lieblingswein, der Chianti, stammt. Seit September vergangenen Jahres rackert sich der 53-jährige Sloane mit der Bergung der "Costa Concordia" ab - erst wurde das umgekippte Schiff aus seiner Seitenlage wieder aufgerichtet, nun sollte der Rumpf aus dem Mittelmeer um mehrere Meter angehoben werden.
Erfahrung hat Sloane wahrlich genug: Anfang Juli 1961 in Sambia geboren, wird er 1989 Kapitän der Marine und spezialisiert sich früh auf die Schiffsbergung. Seine Einsätze führen ihn auf alle Weltmeere, in sechs Kontinente und zwei Kriegsgebiete. Heute gilt er als internationale Koryphäe auf dem Gebiet, mit seinem Zertifikat kann er Schiffe aller Art steuern. Seit 2011 hat er eine eigene Firma, die auf Schiffsunglücke spezialisiert ist.
Gefährliche Mission: Rund hundert Tonnen Treibstoff sind noch an Bord
Sloane ist kein Mann der vielen Worte, und wenn er spricht, dann mit ruhiger Stimme und mit Bedacht. An so viel Öffentlichkeit wie im Zusammenhang mit der verunglückten "Costa Concordia" ist Sloane nicht gewöhnt. Das Motto der Mission ist denn auch so prägnant wie simpel: "Entschlossenheit und Liebe" - so prangt es auf seinem weißen Poloshirt, das er vor Ort trägt. Mehr braucht es nicht.
Herausgefordert wird Sloane aber von Umweltschützern, die genau drauf achten, was das Wrack im Mittelmeer anrichtet. "Das schlimmste Szenario wäre, wenn das Schiff auseinander bricht oder kippt", sagt Greenpeace-Expertin Giorgia Monti dazu. Und tatsächlich wären die Folgen in dem Fall fatal. Das Schiff ist geflutet mit Unmengen schmutzigen Wassers, rund hundert Tonnen Treibstoff sind noch an Bord.
Vor dem Beginn des Einsatzes im Herbst sei er außerdem Dinge gefragt worden wie "Sind Sie sicher, dass das funktioniert?", erinnert sich Sloane. "Das ist doch verrückt." Doch der Familienvater wäre nicht so erfolgreich, würde er sich davon beeindrucken lassen, und zeigte sich "optimistisch", "wirklich optimistisch".
Chronologie: Die Tragödie der Costa Concordia
Die Havarie des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia - ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse:
13. Januar 2012: Die mit 4229 Menschen besetzte «Costa Concordia» rammt nahe der toskanischen Insel Giglio einen Felsen und läuft 50 Meter vor der Küste auf Grund. 32 Menschen sterben.
14. Januar 2012: Kapitän Francesco Schettino wird verhaftet. Ihm und seinem Steuermann werden mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und das vorzeitige Verlassen des Schiffes zur Last gelegt.
15. Januar 2012: Der italienische Eigner des Schiffs, die Gesellschaft Costa Crociere, wirft der Schiffsführung Fehler sowohl bei der Routenführung als auch im Umgang mit dem Unglück vor.
17. Januar 2012: Kapitän Schettino wird an seinem Wohnort Meta di Sorrento südlich von Neapel unter Hausarrest gestellt. Es gibt erste Strafanzeigen gegen die Reederei.
27. Januar 2012: Costa Crociere und ein Zusammenschluss der Passagiere einigen sich auf eine Entschädigung in Höhe von 11.000 Euro sowie eine Erstattung der Unkosten. Die meisten jener Passagiere, die weder verletzt wurden noch Angehörige oder Freunde verloren, nehmen dieses Angebot an.
12. Februar 2012: Es wird damit begonnen, die 2400 Tonnen Treibstoff aus der «Costa Concordia» abzupumpen, um eine Ölpest zu verhindern.
3. März 2012: Vor dem Gericht in Grosseto beginnen die ersten von zahlreichen Anhörungen. Sechs Angestellte von Costa Crociere, unter ihnen Kapitän Schettino, werden angeklagt.
15. Mai 2012: Die Bergung des Wracks wird für Februar 2013 angekündigt, verzögert sich jedoch.
5. Juli 2012: Der Hausarrest gegen Schettino wird aufgehoben, am 11. Juli bittet er im Fernsehen um Entschuldigung. Ende des Monats wird er von seinem Arbeitgeber entlassen, wogegen Schettino klagt.
13. September 2012: Ein Gutachten belegt das Versagen von Costa Crociere im Umgang mit dem Unglück. Die Experten halten der Reederei vor, die Schwere des Unfalls unterschätzt zu haben. Die größte Verantwortung trägt demnach der Kapitän.
10. April 2013: Costa Crociere einigt sich mit der Justiz auf einen Vergleich, wonach die Kreuzfahrtgesellschaft eine Million Euro Strafe zahlen muss und dadurch einem Prozess entgeht.
17. April 2013: Das Gericht in Grosseto lässt 250 Nebenkläger zu, unter ihnen Costa Crociere, die Insel Giglio und der italienische Staat.
14. Mai 2013: Die sechs Angeklagten verlangen, Absprachen über ihr Strafmaß zu treffen. Die Staatsanwaltschaft stimmt bei allen außer Schettino zu.
17. Juli 2013: Beginn des Prozesses gegen Schettino. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Seine Anwälte beantragen erneut eine außergerichtliche Einigung und erklären, Schettino würde sich teilweise schuldig bekennen, wenn das Strafmaß auf drei Jahre und fünf Monate Haft begrenzt werde.
20. Juli 2013: Die fünf Mitangeklagten werden zu Haftstrafen zwischen 18 und 34 Monaten verurteilt.
16. September 2013: Die Aufrichtung der «Costa Concordia» beginnt.
Und wenn alles geschafft ist, will er die Rettungsaktion ganz schlicht mit einer Zigarre feiern, wie er AFP sagte. "Ich stelle mir vor, wie ich sie auf der Brücke der 'Concordia' rauche, während sie in die Ferne geschleppt wird." afp