Kriminalbeamten ist das sogenannte Antanzen, die Art der Übergriffe aus der Kölner Silvesternacht, bestens bekannt: "Wer von einer neuen Dimension organisierter Kriminalität spricht, der irrt oder es fehlen ihm kriminalistische und kriminologische Erkenntnisse", sagte André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) jüngst dem Handelsblatt.
In der Region spielt dieses Phänomen nur theoretisch eine Rolle. "Der Straftatbestand des sogenannten Antanzens ist bei uns völlig unbekannnt," sagt ein Augsburger Polizeisprecher auf Nachfrage. Dabei sei es nicht auszuschließen, dass so mancher Verlust einer Geldbörse oder eines Mobiltelefons nicht durch Unachtsamkeit passiert sei, sondern durch Diebstahl. Dennoch würde es sich dabei nicht um das Phänomen des Antanzens handeln. Denn dessen wesentliches Erkennungsmerkmal sei gerade die Komponente des physischen Bedrängens, der körperlichen Nähe, so die Polizei - und wenn jemand sich bedrängt fühlt, dann spürt die Person das in jedem Fall.
So funktioniert der Antanz-Trick
Um ein Opfer heimlich zu bestehlen, müssen Trickbetrüger erst durch eine Berührung mit ihm in Kontakt kommen - scheinbar versehentlich. "Früher fand das häufig durch Anrempeln statt. Heute haben Diebe mit dem Antanzen eine andere Methode im Trickdiebstahl gefunden", sagt eine Sprecherin des Bundeskriminalamts. Dabei len mindestens ein Täter das Opfer durch tänzelnde Bewegungen ab, um es selbst zu beklauen oder durch andere ausplündern zu lassen. Nach einer Einschätzung von BDK-Mann Schulz stammen die Täterbanden oftmals aus Nordafrika oder dem Balkan und begehen nicht nur Trick- und Taschendiebstähle, sondern auch Raubdelikte sowie Kfz- und Wohnungseinbrüche.
Beliebt bei Kriminellen sind oft Betrunkene, die nicht merken, wie ihnen bei den scheinbar spaßigen Annäherungen das Handy aus der Tasche gezogen wird. Das Polizeipräsidium Köln analysiert die Masche laut Polizeipräsident Wolfgang Albers seit 2013. Dass es in Köln eine Gruppe von Antänzern gebe, die aber überwiegend Eigentumsdelikte, Taschendiebstähle begehen, sei nicht neu.
Silvesterabend in Köln: Waren Trickbetrüger die Täter?
Die Polizei ermittelt momentan, ob ein Zusammenhang zwischen dem Trickbetrüger-Klientel und den Tätern bei den Vorfällen vor dem Kölner Dom besteht. In der Methode gebe es Gemeinsamkeiten wie die körperliche Annäherung, aber auch Unterschiede. "Es gab bisher immer Formen des Antanzens. Davon waren allerdings überwiegend Männer betroffen. Und es spielte sich in aller Regel nicht im sexuellen Bereich ab", sagt Albers.
In der Silvesternacht waren vor dem Kölner Hauptbahnhof Dutzende Frauen aus größeren Gruppen von Männern heraus attackiert worden. Es soll zu Sexualdelikten und Diebstählen gekommen sein.
Seit 2014 nehmen bundesweit die Berichte der Polizei von Antanz-Diebstählen in Großstädten generell zu. Besonders Nordrhein-Westfalen ist - in Bezug auf die Menge an Polizeiberichten - betroffen. Auch belebte Plätze in Innenstädten von Mannheim, Berlin, Hamburg oder Bremen sowie Hauptbahnhöfen zählten zu den Tatorten. Gefährdete Orte sind nach Auskunft des Bundeskriminalamts zudem Fußgängerzonen, Diskotheken und Großveranstaltungen. Offenbar gilt das nicht in der Region: "Wir sind auf einer Insel der Glückseligen," so der Augsburger Polizeisprecher. AZ/dpa/goro