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Sat.1-Film-Kritik: "Der Minister": Zu Guttenberg aufs Korn genommen

Sat.1-Film-Kritik

"Der Minister": Zu Guttenberg aufs Korn genommen

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    Sat.1 zeigte die Satire "Der Minister" mit Kai Schumann als Franz Ferdinand von und zu Donnersberg, genannt Donni.
    Sat.1 zeigte die Satire "Der Minister" mit Kai Schumann als Franz Ferdinand von und zu Donnersberg, genannt Donni. Foto: Jens Kalaene dpa

    Zwei, drei Mal mit den Fingern und einem Klecks Creme durch das Haar. Der Name ist schon perfekt: Franz-Ferdinand von und zu Donnersberg. Was noch fehlt, ist eine passende Brille. Da tut es doch die mit den runden Gläsern aus der Krimskrams-Kiste. Donnersberg schiebt sie mit dem Finger auf die Nase, lächelt. Schon ist er geboren – „der Minister.“

    Schillernder Polit-Schönling von Kai Schumann gespielt

    Das ist Karl-Theodor zu Guttenberg

    Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine steile Karriere hinter sich. Dann brachte ihn die eigene Eitelkeit zu Fall - vorläufig

    Sein voller Name lautet Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Er wurde am 5. Dezember 1971 in München geboren.

    Nachdem er den Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern in Mittenwald absolviert hatte, diente er freiwillig für weitere drei Monate. Guttenberg verließ die Bundeswehr als Stabsunteroffizier auf Reserve.

    Von 1992 - 1999 studierte er Jura an der Universität Bayreuth. Das erste Staatsexamen bestand er mit 6,8 Punkten (befriedigend). Sein zweites Staatsexamen steht bis heute aus. Parallel dazu studierte er Politikwissenschaft in München

    Guttenberg promovierte bei dem Juristen Dr. Peter Häberle. Das Thema seiner Doktorarbeit lautete: "Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU." Als sich die Plagiatsvorwürfe bestätigten, wurde ihm der Doktortitel am 23. Februar 2011 wieder aberkannt.

    2002 heiratete er Gräfin Stefanie von Bismarck-Schönhausen. Sie ist eine Ururenkelin von Reichskanzler Otto von Bismarck. Die Guttenbergs haben zwei Töchter.

    2002 ging Karl-Theodor zu Guttenberg auch in die Politik. Er war Vorsitzender im CSU-Verband der Gemeinde Guttenberg, später auch im CSU-Bezirksverband Oberfranken. Ab 2002 war er gewähltes Bundestagsmitglied.

    Am 9. Februar 2009 übernahm er in Merkels Kabinett das Amt des Ministers für Wirtschaft und Technologie. Mit 37 war er damit der jüngste Wirtschaftsminister, den Deutschland jemals hatte.

    Im Oktober 2009 wurde er deutscher Verteidigungsminister. Wieder stellte er einen Rekord auf. Vor ihm hatte es nie einen jüngeren Amtsinhaber gegeben. Ein Luftangriff bei Kunduz, bei dem auch Zivilisten getötet wurden, brachte ihn gleich zu Beginn seiner Amtszeit in eine schwierige Lage.

    Die Plagiatsaffäre kostete zu Guttenberg 2010 das Vertrauen vieler Anhänger. Es wird bekannt, dass weite Teile seiner Doktorarbeit Plagiate, also ohne klare Quellenangaben abgeschrieben waren. Wenig später legte er alle seine Ämter nieder. Die Ermittlungen in der Affäre wurden später gegen Geldauflage eingestellt.

    Im Juli 2011 kündigten die Guttenbergs an, Anfang September für einige Zeit nach Connecticut (USA) zu ziehen, um dort eine Auszeit zu nehmen.

    Vier Monate später, im November 2011, ist zu Guttenberg plötzlich wieder da - mit einem ausführlichen Interview in der "Zeit" und einem Buch namens "Vorläufig gescheitert". Darin greift der Ex-Minister seine Partei CSU an und bestreitet weiter, vorsätzlich bei seiner Doktorarbeit betrogen zu haben.

    Dezember 2011: Der Ex-Verteidigungsminister soll für die EU-Kommission als Berater in Sachen Internetsicherheit tätig werden. Er soll dabei helfen, Internetnutzer, Blogger und Cyber-Aktivisten in autoritären Regimen kontinuierlich zu unterstützen.

    Kai Schumann spielt den schillernden Polit-Schönling Donnersberg. Dessen reales Vorbild ist Karl-Theodor zu Guttenberg, seine Karriere ist Grundlage für die Fernsehsatire, die sich auf die bunte Seite des Phänomens Guttenberg konzentriert. Sat.1 strahlte sie am Dienstag ab 20.15 Uhr aus, kein anderer Sender hatte sich an diesen Stoff gewagt. Dabei ist er skurriler, als man ihn hätte erfinden können.

    "Der Minister": Geschichte vom steilen Aufstieg

    Drehbuchautorin und Grimme-Preisträgerin Dorothee Schön erzählt in „Der Minister“ die Geschichte vom steilen Aufstieg Donnersbergs aus der fränkischen Provinz bis zum Fall durch die Plagiatsaffäre um seinen Doktortitel. Dabei orientiert sie sich an wahren Begebenheiten. Einen Kunstgriff erlaubt sie sich jedoch: Max Drexel, gespielt von Johann von Bülow, ist Donnersbergs Vertrauter und Ghostwriter. Er hilft ihm beim Abitur, schreibt ihm später seine Reden und seine Doktorarbeit, über die er ihn am Schluss stolpern lässt.

    Kanzlerin Murkel rührt in der Kartoffelsuppe

    Die Parallelen zu echten Erlebnissen sind manchmal mehr als offensichtlich – zum Beispiel, wie Donnersberg vor den leuchtenden Reklametafeln auf dem Times Square in New York posiert. Aber nicht Schumann allein lässt den Politik-Betrieb lebendig werden. Heimlicher Star des Films ist Katharina Thalbach als Kanzlerin Angela Murkel. Sie gibt die Politikerin so unkompliziert, dass man glaubt, auch in der Realität steht sie Kartoffelsuppe rührend in der Küche und telefoniert mit Horst, der offensichtlich nicht nur Horst Seehofers Leidenschaft für Modelleisenbahnen teilt. Horst dirigiert mit Eisenbahnermütze und Trillerpfeife seine eigene Welt – er schickt Donnersberg nach Berlin, weil Murkel einen Minister braucht, „der bei drei nicht auf den Bäumen ist“. „Er soll nur nicht stören“, raunzt sie.

    Tiefer Fall durch Plagiatsaffäre

    Chronologie der Affäre Guttenberg

    15. Februar 2011: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet vorab über mögliche Plagiate in der Doktorarbeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Die Arbeit wurde 2006 an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth eingereicht. Guttenberg hatte dafür die Bestnote summa cum laude erhalten.

    16. Februar: In der "Süddeutschen Zeitung" stehen erste Plagiatsbeispiele, die der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano festgestellt hat. Guttenberg weist die Vorwürfe noch als "abstrus" zurück.

    Kurz darauf berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" in ihrer Online-Ausgabe, dass die Einleitung der Doktorarbeit aus einem Artikel in dem Blatt abgeschrieben sein soll. Der einleitende Absatz der Arbeit decke sich fast wortwörtlich mit einem 1997 erschienenen Text der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig.

    17. Februar: Während Guttenberg die deutschen Truppen in Nordafghanistan besucht, werden in Deutschland fast stündlich neue Plagiatsvorwürfe laut. Erstmals werden Rufe nach einem Rücktritt laut. Im Internet wird eine Webseite für die Schummel-Recherche eröffnet. Unter "Guttenplag-Wiki" sollen die Vorwürfe gegen den CSU-Politiker gesammelt und bewertet werden.

    18. Februar: Erstmals gehen Strafanzeigen gegen Guttenberg wegen der Plagiatsvorwürfe ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt ihrem Minister Unterstützung für den Fall zu, dass er sich zu den Vorwürfen erkläre.

    In einem eilig einberufenen Pressestatement entschuldigt sich Guttenberg am Mittag für "Fehler" und erklärt, er werde seinen Doktortitel bis zur Aufklärung durch die Uni Bayreuth nicht führen. Zugleich versichert er erneut: "Meine von mir verfasste Dissertation ist kein Plagiat."

    21. Februar: Die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen wollen die Plagiatsvorwürfe zum Thema im Bundestag machen. "Guttenplag-Wiki" legt einen Zwischenbericht vor: Danach stehen 271 Seiten der Dissertation oder knapp 70 Prozent unter Plagiatsverdacht.

    22. Februar: Der Wissenschaftsverlag Duncker und Humblot will Guttenbergs Doktorarbeit künftig weder ausliefern noch neu auflegen.

    23. Februar: Die Universität Bayreuth entzieht Guttenberg den Doktortitel.

    28. Februar: Wissenschaftler übergeben einen von 23.000 Doktoranden unterzeichneten offenen Brief an Merkel, in dem sie der CDU-Politikerin in der Plagiatsaffäre eine "Verhöhnung" aller wissenschaftlichen Hilfskräfte vorwerfen.

    1. März: Guttenberg gibt seine politischen Ämter auf, wie er in einem kurzfristig anberaumten Statement erklärt. "Das ist der schmerzlichste Schritt meines Lebens", sagt er.

    3. März: Guttenberg legt auch sein Bundestagsmandat nieder.

    7. März: Die Staatsanwaltschaft Hof nimmt Ermittlungen gegen Guttenberg auf.

    8. April: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass die Universität offenbar davon ausgeht, dass Guttenberg absichtlich getäuscht hat.

    15. April: Guttenberg hat kein politisches Mandat mehr. Der Kreistag des oberfränkischen Landkreises Kulmbach stimmt einstimmig Guttenbergs Antrag auf Niederlegung seines Amtes zu.

    6. Mai: Jetzt ist es amtlich: Die Universität Bayreuth geht in ihrem Abschlussbericht davon aus, dass Guttenberg absichtlich getäuscht habe. "Nach eingehender Würdigung der gegen seine Dissertationsschrift erhobenen Vorwürfe stellt die Kommission fest, dass Herr Freiherr zu Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis evident grob verletzt und hierbei vorsätzlich getäuscht hat".

    11. Mai: Die Universität stellt den über 80 Seiten langen Abschlussbericht inklusive einer Übersicht einiger der Zitierverstöße Guttenbergs in Bayreuth vor. "Evidente Plagiate" hätten sich über die ganze Arbeit verteilt gefunden.

    23. November: Die Staatsanwaltschaft Hof gibt bekannt, dass die Ermittlungen gegen Guttenberg gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 20.000 Euro eingestellt wurden.

    Genau das tut Donnersberg natürlich. Er wird beliebter als Murkel, wendet sich von Jugendfreund Drexel ab, lässt sich von „Blitz“-Chefredakteur Jan Breitmann hochschreiben. Um dann über die Plagiatsaffäre umso tiefer zu fallen.

    „Der Minister“ wühlt nicht in der Tiefe, sondern bleibt harmlos. Er plätschert vor sich hin, die Handlung ist ja ohnehin bekannt. Der Film reduziert auf die Oberflächlichkeit des Politikgeschäfts und schafft es so, genau diese aufs Korn zu nehmen. Donnersbergs Dummheit wirkt teilweise abstrus. Meistens aber verzichtet der Film auf zu große Übertreibungen – die Realität war schließlich kurios genug.

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