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Oberbayern: Der Jahresmüll der Familie Kießling passt in ein Gurkenglas

Oberbayern

Der Jahresmüll der Familie Kießling passt in ein Gurkenglas

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    Leben ohne Abfall: Stefanie Kießling zeigt das Gurkenglas, in dem der Rest- und Plastikmüll der Familie liegt.
    Leben ohne Abfall: Stefanie Kießling zeigt das Gurkenglas, in dem der Rest- und Plastikmüll der Familie liegt. Foto: Kießling

    In einem etwa 20 Zentimeter hohen Gurkenglas liegt der gesamte Rest- und Plastikmüll, den Familie Kießling seit Januar verursacht hat. Hauptsächlich haben sich in den neun Monaten Pflaster und kratzende Plastikschilder aus Kleidung angesammelt - ansonsten kam fast kein Abfall zusammen. Denn seit einem Jahr halten Stefanie und Daniel Kießling aus Bruckmühl im Kreis Rosenheim zusammen mit ihren beiden kleinen Kindern Müll-Diät.

    Die Familie wollte damals nicht mehr akzeptieren, dass in Deutschland jedes Jahr ein Müllhaufen mit der Höhe des Brockens zusammenkommt - mit 1100 Metern Norddeutschlands höchster Berg. Sie startete daher im September 2014 ein Experiment: ein Jahr fast ohne Abfall leben. Sie folgt damit der Idee von Zero Waste, was "kein Müll" oder "keine Verschwendung" bedeutet.

    Zwölf Monate später ist Stefanie Kießling mit Blick auf das noch nicht volle Gurkenglas überrascht, wie weit die Familie gekommen ist. "Ich hätte nicht gedacht, dass sich so viel Müll einsparen lässt - und auch der Aufwand ist geringer als erwartet", sagt die 34-Jährige.

    Nach und nach veränderte die Familie ihr Leben. "Das war ein schrittweiser Prozess, denn eine Umstellung von heute auf morgen wäre eine Überforderung", sagt Kießling. Zuerst wurde alles Unnötige im Haushalt aussortiert - denn so muss weniger gepflegt und repariert werden.

    In der Wohnung der Zero-Waste-Familie steht ein Kompostbehälter

    Beim Essen achtet die Familie darauf, nichts zu verschwenden. Was doch übrig bleibt, kommt in der Wohnung direkt in den sogenannten Bokashi-Kompost. In diesem abgeschlossenen Behälter werden die Essensreste völlig geruchlos zersetzt.

    Für Apfelreste gibt es sogar noch Verwendung als Kalkentferner. "Dafür machen wir daraus Essig und vermischen den für einen besseren Geruch mit Zitrusschalen", sagt Kießling. So einiges wird im Haushalt selbst hergestellt, sodass die Familie unter anderem aus alten Leinentüchern Taschen häkelt.

    Doch das sei nicht das Wichtigste. "Es kommt vor allem darauf an, bewusst ohne Verpackung einzukaufen", betont Kießling. So hole sie Nudeln direkt von einem Hof und Reis oder Mehl von einer Mühle. Großer Aufwand sei das nicht. "Wir planen so gut, dass wir maximal einmal pro Woche einkaufen müssen", sagt die 34-Jährige.

    Auch Hygieneartikel lassen sich ohne Verpackung kaufen. Sogar zur Zahnpasta in der Tube hat die Familie eine Alternative gefunden. Sie lässt sich in der Apotheke Birkenzucker abfüllen. "Der vermischt sich im Mund mit dem Speichel, sodass sich damit die Zähne putzen lassen", erklärt Kießling.

    Sogar die Kindergeburtstage klappen ohne Müll

    Eingepackt kauft die Familie eigentlich nur noch Medikamente - und Gummibärchen in einer Großpackung für die Kinder. "Das ist ein Kompromiss, den wir mit ihnen vereinbart haben", sagt Kießling. Schließlich sollen die Kinder auch Spaß an der Müll-Diät haben und sie nicht durch Unmut boykottieren.

    Bei vielen anderen Wünschen hat die Familie Alternativen gefunden. So klappten sogar die Kindergeburtstage mit wiederverwendbaren Geschenktüten, Edelstahl-Strohhalmen und richtigem Geschirr statt Wegwerftellen. Das einzige Problem sei, dass einige Bekannte kein Verständnis für die Lebensweise zeigen - und den Kindern immer wieder Geschenke aus Plastik geben.

    Wenn das geplante Jahr am Montag endet, will die Familie nichts ändern. "Wir haben durch die Müll-Diät sehr viel Lebensqualität gewonnen", sagt Kießling. Auch der Internet-Blog der Zero-Waste-Familie wird wohl weitergeführt, in dem sie regelmäßig Tipps veröffentlicht. Und für den Rest- und Plastikmüll wollen die vier weiterhin das Gurkenglas verwenden.

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