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Die Geissens: Der Aufreger um Carmen Geiss und die Slum-Fotos

Die Geissens

Der Aufreger um Carmen Geiss und die Slum-Fotos

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    Carmen und Robert Geiss: Wegen ihrer Facebookfotos gibt es Ärger mit einem Werbepartner. Archivbild
    Carmen und Robert Geiss: Wegen ihrer Facebookfotos gibt es Ärger mit einem Werbepartner. Archivbild Foto: imago/Future Image

    Zugegeben, die Bilder sind grenzwertig, die Carmen Geiss bei Facebook gepostet hat. Sich mit einem offenbar berauschten Bettler in Lumpen auf einem Selfie zu präsentieren, ist nicht jedermanns Sache. Prompt begann auf die 50 Jahre alte Millionärs-Gattin in den sozialen Netzwerken ein sogenannter Shitstorm einzuprasseln. User Michael Kamrath kommentierte:  Muss man Armut als Hintergrund haben, um seinen Reichtum zu präsentieren???? Jeder Harts Vier Empfänger hat mehr Anstand wie Ihr!!!  So weit die Stimme des Wutbürgers.

    Die Geissens verlieren nach Slum-Fotos Werbevertrag

    Die Folgen sind für die TV-Familie "Die Geissens" teuer. Laut Bild-Zeitung hat der Tourismus-Anbieter Sonnenklar.TV einen Werbevertrag mit den Geissens nicht verlängert. Sogar eine Art Entschädigungszahlung sei von Sonnenklar.TV gefordert worden, um einen Beitrag zur Wiedergutmachung an Kolumbien zu leisten. Die Geissens sollten also Abbitte leisten. Als ob eine Zahlung von 10.000 Euro etwas an den Verhältnissen vor Ort ändern würde. Ob sich das Unternehmen, zu dessen Angeboten vor allem  All-Inklusive-Reisen  zählen, die Mühe gemacht hat, einmal vor Ort nachzufragen, was die Menschen tatsächlich über die Aktion von Carmen Geiss denken, ist nicht bekannt.

    Die lokale Tageszeitung "El Heraldo" war das Geiss-Foto jedenfalls nicht einmal eine Notiz wert. Tourismus-Experte Rafael Castillo arbeitet seit Jahren in der Küstendiözese Cartagena. Der katholische Priester war jüngst vom Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat nach Deutschland eingeladen worden, um aus seiner Sicht der Dinge über die Tourismus-Entwicklung in Cartagena zu berichten. Und was Castillo zu berichten hat, dürfte die Tourismus-Manager von Sonnenklar.TV und auch so manchen Kritiker der Geissens überraschen. Denn Padre Rafael  spricht sich genau für solche Besuche aus. "Ich will, dass die Reichen nicht nur in der historischen Altstadt und in den teuren Hotels bleiben", sagte er dieser Zeitung in Cartagena und fordert "Sie sollen nicht nur ins Hardrock-Cafe oder in den Havanna Club gehen."

    Die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten dürften keine Angst voreinander haben, sie müssten miteinander ins Gespräch kommen. Ob das in nun so extremer visueller Form wie bei den Geissens geschehen muss, bleibt dahin gestellt. Doch auch für Tourismus-Anbieter wie Sonnenklar.TV, die gerne All-Inklusiv-Reisen verkaufen, bei denen die Touristen keinerlei Kontakt zu den Einheimischen und der Realität des Landes aufnehmen, hat Castillo eine klare Botschaft:  Humaner Tourismus ist, wenn er so konzipiert ist, dass er sich nicht nur auf die Altstadt und die Küstenstraße konzentriert, sondern auch die Dörfer und die Armenviertel einbezieht.

    Carmen Geiss nahm ihre Follower dorthin mit, wo sich kein Tourist hintraut

    Die kolumbianische Küstenstadt Cartagena ist auf dem Weg einer der wichtigsten Hotspots des weltweiten Tourismus zu werden. Das charismatische koloniale Erbe der Altstadt und teure Hotelbauten treffen hier auf extreme Armut in der unmittelbaren Nachbarschaft. Dass in Kolumbien zudem bald ein Friedensvertrag den Bürgerkrieg beendet, wird noch mehr Touristen in die von islamistischen Einflüssen freie Karibikmetropole spülen. Die Botschaft, die Sonnenklar.TV mit seiner Entscheidung vermittelt hat, ist eindeutig: Geht dort nicht hin. Schaut weg. Bleibt unter Euch.

    Genau das aber hat Carmen Geiss nicht getan und genau das will auch Padre Rafael nicht. Vielleicht war Carmen Geiss nicht einmal bewusst, dass sie ihre vielen hunderttausend Follower dorthin mitgenommen, wohin sich normalerweise kein Tourist traut: In die kolumbianische Realität. Das allerdings sollte nicht bestraft, sondern gefördert werden. Dann klappt es beim nächsten Mal auch mit einem politisch korrekterem Foto.

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