Big Brother Award 2016 vergeben: Der Datenschutzverein Digitalcourage vergab den ungeliebten Preis in der Kategorie Lebenswerk am Freitag in Bielefeld an den Inlandsgemeindienst. Seine 65-jährige Geschichte handele vielfach von Skandalen, Machtmissbrauch, Datenschutz- und Bürgerrechtsverletzungen, hieß es in der vorab verbreiteten Laudatio. Die Jury prangerte insbesondere die Verstrickung des Verfassungsschutzes in den NSU-Skandal sowie sein unkontrollierbares V-Leute-System an.
Big Brother Award 2016 - Weitere Preisträger
Auch die Unternehmen IBM, die Generali-Versicherung, die Kampagnenplattform Chance.org sowie die Berliner Verkehrsbetriebe mussten sich als "Datenkraken" eine solche Auszeichnung für problematische Datensammelei gefallen lassen.
Der Bielefelder Verein Digitalcourage setzt sich nach eigenen Angaben seit mehr als 25 Jahren für den Schutz der Grundrechte im digitalen Zeitalter ein. Mit den jährlich vergebenen "Big Brother Awards" wollen die Datenschützer Verletzungen der Privatsphäre und Missbrauch von Technik zur übermäßigen Datensammelei anprangern.
Digitalcourage prangert Verstrickungen des Verfassungsschutzes in NSU an
Angesichts einer 65-jährigen Geschichte mit vielen Datenschutz- und Bürgerrechtsverletzungen sei es erstaunlich, dass der Verfassungsschutz bislang keinen "Big Brother Award" erhalten habe, sagte Jury-Mitglied Rolf Gössner laut vorab verbreitetem Manuskript. Der Anwalt und Publizist war selbst jahrzehntelang vom Geheimdienst beobachtet worden. Er prangerte insbesondere die Verstrickung des Verfassungsschutzes in den NSU-Skandal an. "Trotz - oder muss man sagen: wegen? - seiner zahlreichen V-Leute im Umfeld des NSU konnte dessen rassistische Mordserie über Jahre hinweg weder verhindert noch aufgedeckt werden", so Gössner.
In der Kategorie Verbraucherschutz wählte die Jury die Generali-Versicherung als Preisträger aus, weil sie ihren Kunden Vorteile verspreche, wenn diese ihre Fitnessdaten und ihr Einkaufsverhalten per App kontrollieren lassen. "Das ist nicht mehr als ein Marketing-Gag, wobei Fitnessarmbänder Verbraucher an Überwachung gewöhnen", sagte Datenschutzaktivistin Rena Tangens von Digitalcourage.
Big-Brother-Award 2016: Viele US-Firmen mit Negativpreis bedacht
Mit einem weiteren Preis rügten die Datenschützer die elektronischen Fahrkarten der Berliner Verkehrsbetriebe. Im Dezember 2015 waren über ein Datenleck Bewegungsprofile von Fahrgästen sichtbar geworden. Für die in der Entwicklung befindliche Software "Social Dashboard" wurde der US-amerikanische IT-Konzern IBM gerüffelt. Über firmeneigene Netzwerke sollen Mitarbeiterdaten zu sozialem Verhalten gesammelt und bewertet werden.
Auch der "Big Brother"-Preisträger Change.org kommt aus den USA. Das Unternehmen betreibt eine Kampagnenplattform. Diese komme zwar als alternatives Projekt daher, verdiene aber tatsächlich Geld mit den Daten von Unterzeichnern dort eingestellter Petitionen. Dabei gebe es zudem zahlreiche datenschutzrechtliche Mängel. AZ/dpa
BigBrotherAwards: Snowden bekommt ersten Positivpreis